Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

  • 1 Minuten Lesezeit


Die Klägerin erhebt Ansprüche auf Schmerzensgeld gegen den Chefarzt einer chirurgischen Klinik, der bei ihr eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durchführte. Nach der Operation kam es aufgrund einer Nahtinsuffizienz zu einer schweren Bauchfellentzündung und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Es konnte kein Behandlungsfehler festgestellt werden. Die Klägerin behauptet, dass sie nicht über das Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung im Zusammenhang mit der Operation aufgeklärt wurde. Hätte sie von diesem Risiko gewusst, hätte sie der Operation nicht zugestimmt. Das Aufklärungsgespräch wurde nicht vom Chefarzt selbst, sondern von einem Stationsarzt durchgeführt.

Das Landgericht Itzehoe wies die Klage ab, und das Oberlandesgericht Schleswig wies die Berufung der Klägerin zurück. Dabei wurde offen gelassen, ob die Klägerin vor der Operation ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Das Oberlandesgericht argumentierte, dass eine Haftung des Chefarztes aufgrund eines etwaigen Aufklärungsfehlers des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der VI. Zivilsenat, zuständig für das Arzthaftungsrecht, hob dieses Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Untersuchung zurück. Dies geschah, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts die Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklärungsfehlern des aufklärenden Arztes nicht ausreichend stützten. Der Bundesgerichtshof äußerte sich dazu, unter welchen Bedingungen der nicht selbst aufklärende Operateur darauf vertrauen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist. Diese Kontrollpflichten gelten besonders stark, wenn der Operateur gleichzeitig Chefarzt ist und somit für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. In diesem konkreten Fall muss der operierende Chefarzt darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Einhaltung seiner Anweisungen zu überwachen. Bisher liegt zu diesem Thema keine ausreichende Darstellung vor.

Urteil vom 7. November 2006 - VI ZR 206/05

LG Itzehoe – 2 O 290/02 ./. OLG Schleswig – 4 U 185/04

Foto(s): www.kanzlei-steinwachs.de


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Stephan Steinwachs

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten