Kein Unterhaltsvorschuss wegen One-Night-Stand?

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1. Einleitung

In meinem anderen Beitrag (zu finden unter: https://www.anwalt.de/rechtstipps/wer-zahlt-den-kindesunterhalt-bei-einer-anonymen-samenspende-213028.html) habe ich erläutert, dass nach dem Unterhaltsvorschussgesetz die staatliche Leistung eines Unterhaltsvorschusses dann ausgeschlossen ist, wenn eine Rückzahlungspflicht des eigentlichen Unterhaltsschuldners aufgrund einer Handlung der Mutter ausgeschlossen ist.


Die Verwaltungsgerichte gehen des Weiteren davon aus, dass eine solche zum Ausschluss führende Handlung der Mutter auch bereits vor der Geburt des Kindes denkbar ist. Erst jüngst ist bestätigt worden, dass etwa Unterhaltsvorschussleitungen dann nicht zu gewähren sind, wenn die Ermittlung des unterhaltspflichtigen Vaters aufgrund einer Zeugung mittels anonymen Samenspende nicht möglich ist. Durch die Annahme der anonymen Samenspende hat die Kindesmutter wissentlich Umstände geschaffen, die die Identifikation des Vaters und damit schließlich seine Rückzahlungspflicht der Unterhaltsvorschussleistungen unmöglich macht. Dieses Verhalten der Mutter führt dann zu einem Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.


Doch wie weit kann dieser Ausschluss aufgrund Handlungen der Mutter gehen? Reicht es für einen derartigen Ausschluss auch aus, dass der Mutter der Name und die Anschrift des Vaters nur deshalb unbekannt sind, da es sich um einen einmaligen Kontakt zwischen Vater und Mutter – einen One-Night-Stand – handelte?


Mit dieser Frage hatte sich unter anderem das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil vom 05.01.2023 – 13 K 2616/21 zu befassen.


Dieser Artikel soll nachfolgend einen Überblick über die Voraussetzungen geben, zu welchen das Verwaltungsgericht keinen Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz wegen eines One-Night-Stands angenommen hat. Dabei erhebt dieser Artikel aufgrund bereits seiner Kürze auf Vollständigkeit und kann eine Rechtsberatung im Einzelfall keinesfalls ersetzen.


2. Wer hat Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz?

Doch fangen wir noch einen Schritt vorher an und klären zunächst, wer überhaupt Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz hat.


Allen voran soll zunächst einmal klargestellt werden, dass es sich bei den Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht um solche handelt, die nur der Kindesmutter zustünden; auch wenn dies in dem vom Verwaltungsgericht zu entscheidenden Fall so war. Vielmehr unterscheidet das Unterhaltsvorschussgesetz nicht nach dem Geschlecht. Sowohl die Kindesmutter als auch der Kindesvater können einen Unterhaltsvorschuss beantragen. Denn dieser Unterhaltsvorschuss steht nach § 1 Abs. 1 UVG dem Kind selbst – und gerade nicht den Eltern – zu. In der Konstellation der Geburt eines Kindes infolge eines One-Night-Stands ist es jedoch bereits biologisch ausschlossen, dass zwar die Person des Vaters, aber nicht die der Mutter bekannt ist; schließlich hat die Mutter das Kind geboren.


Nach § 1 Abs. 1 UVG muss das Kind, um einen Unterhaltsvorschuss zu erhalten,

  1. grundsätzlich das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
  2. von einem Elternteil betreut werden, welcher ledig, verwitwet, geschieden oder dauerhaft getrennt – also alleinerziehend – ist und
  3. nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil oder Waisenbezüge erhalten.


Nach § 1 Abs. 1a UVG können die Unterhaltsvorschussleistungen sodann unter gewissen Umständen auch noch über das zwölfte Lebensjahr bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres verlängert werden.


Wer diese genannten Voraussetzungen erfüllt, ist grundsätzlich berechtigt, Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu erhalten.


3. Wann sind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ausgeschlossen?

Allerdings gilt diese Berechtigung, selbst beim Vorliegen aller oben genannten Voraussetzungen, nicht grenzenlos.


Eingangs ist bereits angedeutet worden, dass ein Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durchaus möglich ist. Wann ein solcher Ausschluss von Unterhaltsvorschussleistungen nicht in Betracht kommt, regelt sodann § 1 Abs. 3 UVG selbst.


Danach besteht der Anspruch auf Unterhaltsleistung dann nicht, wenn die Eltern zwar ledig, geschieden oder getrennt sind, aber dennoch weiter zusammenleben. Weiter besteht dann kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen, wenn sich der Alleinerziehende weigert, Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des nicht erziehenden Elternteils mitzuwirken.


Mithin kommt ein Ausschluss der Unterhaltsvorschussleistungen dann in Betracht, wenn entweder beide Eltern gemeinsame Sache machen, um nicht selbst für den Unterhalt aufkommen zu müssen oder eben eine Rückzahlung der Unterhaltsvorschussleistungen nur deshalb scheitert, weil Handlungen bzw. Weigerungen des Alleinerziehenden dies vereiteln. In beiden Fällen liegt es damit aber in der Verantwortung des Alleinerziehenden, dass ein Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz entsteht.


Wie eingangs bereits angedeutet, ist es dabei unerheblich, ob sich diese Handlungen oder Weigerungen auf einen Zeitraum vor oder nach der Geburt erstrecken.


4. Reicht ein One-Night-Stand für den Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz?

Man könnte daher auf den Gedanken kommen, dass bereits der bloße Umstand, dass das Kind das Ergebnis eines One-Night-Stands ist, zu einem Ausschluss von Unterhaltsvorschussleistungen führt, wenn der Mutter weder der Name noch die Anschrift des Vaters bekannt ist, was aufgrund des nur einmaligen Kontakts in der Praxis durchaus vorkommt.


Dieser Gedanke ist dabei nicht ganz abwegig. Denn insbesondere in § 1 Abs. 3 UVG kommt die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass der alleinerziehende Elternteil den Wegfall der Rückzahlungsmöglichkeit durch den anderen unterhaltspflichtigen Elternteil nicht absichtlich verursacht haben darf. Mit dieser Vorstellung des Gesetzgebers ist es demnach nicht vereinbar, durch Unterhaltsvorschussleistungen Nachteile des Alleinerziehenden auszugleichen, wenn diese Nachteile ausschließlich auf eine Situation zurückzuführen sind, die freiwillig und absichtlich geschaffen worden ist. Der Gesetzgeber hatte mit der Schaffung des Unterhaltsvorschussgesetzes mithin die Erwartung, dass ein Elternteil, welcher bewusst und freiwillig auf jegliche Unterstützung durch den anderen Elternteil verzichtet, die sich aus dieser freien Entscheidung ergebenden Nachteile selbst tragen muss. Der Gesetzgeber hält demzufolge eine entsprechende Unterstützung in diesen Situationen für unangemessen.


Das Verwaltungsgericht Berlin hat sodann in seinem Urteil nochmals klargestellt, dass diese Überlegungen jedenfalls dann fehlgehen, wenn die Kindesmutter ohne die Absicht einer Schwangerschaft einen One-Night-Stand hatte. Denn eine Kindesmutter hat in diesem Fall weder die Absicht auf Unterhalt durch den unterhaltspflichtigen Kindesvater zu verzichten noch hat sie bewusst und gewollt eine Situation geschaffen, in der eine Rückzahlung der Unterhaltsvorschussleistungen durch den unterhaltspflichtigen Kindesvater tatsächlich unmöglich ist. Zwar hat sich die Kindesmutter bewusst und gewollt dazu entschieden, mit einem ihr unbekannten Sexualpartner Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Dies ist jedoch für einen Ausschluss nach § 1 Abs. 3 UVG gerade nicht ausreichend, da sie zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hatte und damit nicht wissen konnte, dass es sich bei der Person, mit der der Geschlechtsverkehr vollzogen wurde, künftig um einen anderen Elternteil im Sinne des Unterhaltsvorschussgesetzes handeln würde. Folglich war ihr gerade nicht bewusst, dass sie durch ihre Handlung faktisch auf jegliche Unterstützung durch diesen Elternteil verzichten würde. Vielmehr hat sie unbewusst eine Situation geschaffen, in der ein Rückkauf auf den zum Barunterhalt verpflichteten Kindesvater tatsächlich unmöglich ist.


Dies reicht – so das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil – gerade nicht für den Ausschluss von Unterhaltsvorschussleistungen. Vielmehr käme ein solcher Ausschluss von Unterhaltsvorschussleistungen nur dann in Betracht, wenn die Mutter durch den One-Night-Stand eine Schwangerschaft absichtlich herbeiführen hätte wollen.


5. Fazit

Ein Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz kommt in der Regel nicht alleine aufgrund des Umstandes in Betracht, dass das Kind in einem One-Night-Stand gezeugt wurde und der Mutter die Identität des Vaters daher nicht bekannt ist. Zumeist wird ein solcher Anspruchsausschluss daran scheitern, dass die Mutter üblicherweise bei einem One-Night-Stand keine Absicht hat, eine Schwangerschaft herbeizuführen.


In einem solchen Fall ist der Mutter jedoch weiter dazu zu raten, sämtliche Informationen, welche sie über den Kindesvater hat, den jeweiligen Behörden offenzulegen. Auch wenn diese Informationen nicht zur Identifizierung des Kindesvaters führen können, genügt die Kindesmutter, welche sämtliche ihr vorliegenden Informationen offenlegt, ihrer Mitwirkungsobliegenheit. Mangels Verletzung dieser Mitwirkungsobliegenheit scheidet sodann ein Ausschluss der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetzes gemäß § 1 Abs. 3 UVG aus.


Die Unkenntnis der Identität des Vaters wegen eines One-Night-Stands reicht dann für den Ausschluss von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht aus, wenn der Mutter keine sonstige Verletzung ihrer Mitwirkungsobliegenheit zur Last gelegt werden kann.

Reicht die Unkenntnis der Identität des Vaters wegen eines One-Night-Stands schon für den Ausschluss von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz?

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/frage-fragezeichen-umfrage-problem-2736480/

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