Wer zahlt den Kindesunterhalt bei einer anonymen Samenspende?

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1. Einleitung

Die Kinderzeugung mittels Samenspende erfreute sich lange Zeit keines guten Rufes. Erst im Jahr 1970 änderten Ärzte ihre Meinung über die standesrechtliche Verwerflichkeit einer derartige Kindeswunschbehandlung.


Die damalige Auffassung zur künstlichen Befruchtung durch Samenspende hat sich über die Zeit erheblich gewandelt. Einer statistischen Erhebung des Deutschen Bundestages noch aus dem Jahr 2018 wurden in Deutschland bis dato ungefähr eine viertel Million Menschen durch künstliche Befruchtung (sogenannte assistierte Reproduktion) gezeugt. Nach dieser statistischen Erhebung kommen jährlich rund 20.000 Kinder durch künstliche Befruchtung und über 1.000 Kinder nach einer Samenspende zustande. Schätzungen gehen davon aus, dass es hierzulande mittlerweile rund 100.000 Spenderkinder gibt.


Doch wie sieht es mit Unterhaltszahlungen aus, wenn es um den Kindesunterhalt eines Kindes, welches mittels anonymen Samenspende gezeugt wurde, geht?


Dieser Beitrag kann nicht auf alle erdenklichen Besonderheiten etwaiger Einzelfälle eingehen und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt in Zweifelsfällen keinesfalls das Aufsuchen eines Rechtsanwalts, um eine umfassende Rechtsberatung im Einzelfall zu erhalten.


2. Unterhaltspflichten beider Elternteile

Wie die meisten vielleicht wissen, müssen nach der gesetzlichen Intention beide Elternteile für den Kindesunterhalt aufkommen. Während des Zusammenlebens der Familie geschieht dies auch ganz natürlich, da beide Eltern zum Haushalt und der Erziehung beitragen. Wenn jedoch die Eltern nicht mehr zusammenleben, muss sich der Unterhaltsbeitrag eines Elternteils in einen sogenannten Barunterhalt (in Geld) umwandeln.


2.1. Grundsätzlich Unterhaltsvorschuss bei Alleinerziehenden

Was ist allerdings, wenn der dann nicht betreuende – und somit barunterhaltspflichtige – Elternteil keinen Barunterhalt leisten kann. Dies kann zum einem der Fall sein, wenn dieser Elternteil nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt. Zum anderen kommt man aber zu demselben Ergebnis, wenn dieser Elternteil gänzlich unbekannt ist; etwa, weil es sich um eine anonyme Samenspende handelte.


Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil das Kind trotzdem Kleidung, Nahrung, Schulutensilien usw. benötigt. Mit anderen Worten verursacht ein Kind auch dann Kosten, wenn der eigentlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtete Elternteil nicht bekannt ist oder nicht existiert.


Um diesem Bedürfnis des Kindes Rechnung zu tragen, gibt es das sogenannte Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Denn nach diesem UVG haben Kinder Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sie bei einem alleinerziehenden Elternteil leben und keinen oder keinen regelmäßigen Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten. Der Unterhaltsvorschuss ist daher eine besondere staatliche Hilfe für Kinder von Alleinerziehenden, um den täglichen Mindestbedarf dieser zu decken.


2.2. Ausschluss der UVG-Leistungen nach § 1 Abs. 3 UVG

Das UVG selbst knüpft einige Bedingungen an die staatlichen Hilfen in Form von Unterhaltsvorschussleistungen. Diese Bedingungen werden hier deshalb aufgestellt, da es sich bei den Unterhaltsvorschussleistungen um nachrangige staatliche Unterstützungsleistungen handelt. Vorrangig vor den staatlichen Leistungen sollen die Kindeseltern für den Kindesunterhalt aufkommen. Dies zeigt sich letztlich auch deutlich an der Ausgestaltung dieser Leistungen als Vorschuss. Bei entsprechender Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils sind diese Unterhaltsvorschussleistungen nämlich an den Staat zurückzuzahlen.


Eine derartige Bedingung ist, dass nach § 1 Abs. 3 UVG etwa Unterhaltsvorschussleistungen dann ausgeschlossen sind, wenn sich der alleinerziehende Elternteil weigert, bei der Vaterschaftsfeststellung oder der Aufklärung des Aufenthaltsortes des anderen Elternteils mitzuwirken. Hiermit will das UVG sicherstellen, dass zumindest eine Prüfung der Leistungsfähigkeit des nicht erziehenden Elternteils und damit eine mögliche Rückzahlung der Unterhaltsvorschussleistungen gewährleistet werden kann.


Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25.10.2022 – VG 21 K 14/22 ist sodann § 1 Abs. 3 UVG entsprechend anzuwenden, wenn durch das bewusste und gewollte Verhalten des alleinerziehenden Elternteils vor der Geburt die Feststellung der Vaterschaft und damit die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht von vornherein ausgeschlossen ist. Der Staat hat mithin keine Möglichkeit eine etwaige Rückzahlungspflicht des Samenspenders hinsichtlich der staatlichen Vorschussleistungen zu prüfen. In diesem Szenario würde der Staat daher das Risiko der mangelnden Rückzahlung durch die Anonymität der Samenspende, welche die Kindesmutter (mit-)geschaffen hat, tragen.


Das Verwaltungsgericht Berlin urteilte deshalb, dass es keinen Unterschied machen könne, ob die staatliche Rückzahlungsinanspruchnahme des unterhaltspflichtigen Elternteils vor oder nach der Geburt vereitelt wird. Ein Unterhaltsvorschuss nach dem UVG scheidet daher dann aus, wenn die Kindesmutter bewusst den staatlichen Rückgriff auf den anderen Elternteil vereitelt hat; egal, ob dies vor oder nach der Geburt geschieht.


Eine derartige bewusste Vereitelung der staatlichen Rückgriffmöglichkeit ist auch dann zu bejahen, wenn die Identität des Vaters aufgrund der bewussten Annahme einer anonymen Samenspende nicht bekannt ist und daher nicht offengelegt werden kann.


2.3. Bestätigung der BVerG-Entscheidung aus dem Jahr 2013

Damit bestätigte das Verwaltungsgericht Berlin eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.05.2013 – 5 C 28.12.


Bereits in dieser hatte das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass das Jugendamt keinen Unterhaltsvorschuss leisten muss, wenn sich die Mutter bewusst für eine anonyme Samenspende einer dänischen Samenbank entschieden hat und somit kein anderer Elternteil vorhanden ist, der einen Unterhaltsvorschuss zurückzahlen könnte.


3. Fazit

Es ist daher zu unterscheiden, ob sich die Kindesmutter bewusst für die Anonymität des Vaters entschieden hat, oder ob der Vater aus Gründen, die die Kindesmutter nicht bewusst verantworten muss, unbekannt ist. Nur in zweiterem Fall, sowie auch dann, wenn der nichtbetreuende Elternteil zwar bekannt ist aber dennoch keinen Kindesunterhalt leistet, ist es möglich einen Unterhaltsvorschuss nach dem UVG zu erhalten.


Damit sichert sich der Saat die Möglichkeit, die staatlich geleisteten Vorschüsse von dem anderen Elternteil zurückzufordern.


Wenn aber die Kindesmutter dafür verantwortlich ist, dass diese Rückforderung nicht möglich ist, kommt eine stattliche Unterstützung nicht Betracht.

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/spermien-eizelle-befruchtung-956481/

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