Keine arglistige Täuschung bei zu schnellem Vorlesen der Gesundheitsfragen

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Betrug durch Versicherungskunden?

Eine Situation, die leider oft vorkommt: Ein Versicherungskunde beantragt Leistungen von seiner Versicherung. Die Leistungen erhält er jedoch nicht, denn der Versicherer erklärt die Anfechtung des gesamten Vertrages - und zwar, weil der Kunde beim Abschluss des Vertrages angeblich bewusst falsche Angaben gemacht hat. Dem Kunden werden oftmals betrügerische Absichten unterstellt - dabei hat der Kunde z. B. nur vergessen, dass er wegen Kopfschmerzen 4 Jahre vor Abschluss des Vertrages seinen Hausarzt aufgesucht hat. Das kann gefährlich werden.

In dem Fall, den die Richter in Stuttgart zu entscheiden hatten, hat der Kunde vorgetragen, dass der Versicherungsmittler, der ihm die Fragen vorgelesen hatte, die Fragen zu seiner Gesundheit (z. B. „Waren Sie innerhalb der letzten 5 Jahren bei einem Arzt, um sich beraten, untersuchen oder behandeln zu lassen? Falls ja, wann und warum?") so schnell vorgelesen hat, dass er sie nicht vollständig erfassen konnte.

Die Richter in Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.4.12, 7 U 157/11) haben entschieden: Der Versicherer darf den Vertrag nicht anfechten.

Leitsatz

Wurden einem Versicherungsnehmer (VN) bei Vertragsschluss komplexe Gesundheitsfragen so schnell vorgelesen, dass ihre richtige Erfassung nicht gewährleistet war, kann eine unvollständige Antwort nicht Grundlage einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder eines Rücktritts vom Versicherungsvertrag sein.

Anmerkung

Eine arglistige Täuschung setzt voraus, dass der VN vorsätzlich handelt, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht. Es existiert kein allgemeingültiger Erfahrungssatz, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken. Füllt der Versicherungsvertreter das Antragsformular aus, muss der VR nachweisen, dass dieser jede Frage vollständig vorgelesen und im Einzelnen mit dem Antragsteller besprochen hat.

Unser Tipp:

Das Gespräch mit einem Versicherungsvermittler sollten Sie immer bei Anwesenheit eines Zeugen führen. Und geben Sie bitte bei den Gesundheitsfragen alles an - selbst wenn der Makler behauptet, dass die Angabe von Kopfschmerzen nicht erforderlich sei.

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