Keine Sippenhaft bei Hartz IV-Sanktionen, oder: Eltern haften nicht für ihre Kinder

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Keine Sippenhaft bei Hartz IV-Sanktionen, oder: Eltern haften nicht für ihre Kinder!!!

Eltern haften nicht für ihre Kinder. Meine Mandanten und ihr 21. jähriger Sohn beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie leben zusammen in einer Wohnung und bilden eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft. Das Jobcenter übernahm für die drei Personen neben der Regelleistung auch die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den „Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 200,00 Euro (mietvertraglich geschuldet waren 600,00 Euro).

Im Zeitraum vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 entfielen die Leistungen für den Sohn wegen wiederholter Pflichtverletzung vollständig. Die rechtliche Grundlage der Entscheidung des Jobcenters war § 31 a Absatz 2 SGB II. Hiernach ist es bei Leistungsberechtigten möglich, wenn diese das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bei wiederholter Verletzung der Pflichten des § 31 SGB II das Arbeitslosengeld II vollständig einzustellen.

Der Sohn wollte gegen diese vollständige Sanktion keinen Widerspruch einlegen. Das Jobcenter erließ für die Zeit der Leistungseinstellung vom 01.02.2013 bis 30.04.2013 nun einen Änderungsbescheid auch gegenüber meinen Mandanten und berücksichtigte die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung kopfanteilig in Höhe von 200,00 Euro. Der Anteil des Sohnes wurde dagegen mit „0 Euro" festgesetzt. Rein faktisch erhielten die Mandanten die Sanktion des Sohnes also ebenfalls zu spüren, da der Vermieter selbstverständlich weiterhin die mietvertraglich vereinbarte Miete in Höhe von 600,00 Euro forderte.

Das gegen den Änderungsbescheid geführte Widerspruchsverfahren wurde gewonnen. Das Jobcenter hatte die Entscheidung des Landessozialgericht Essen (LSG NRW) vom 22.03.2012 (Az.: L 6 AS 1589/10) übersehen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Wohnungskosten im Normalfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Leistungsempfänger eine Wohnung mit anderen Personen nutzen; unabhängig davon, ob überhaupt eine Bedarfsgemeinschaft besteht oder Leistungsbezieher nach dem SGB II mit Nicht-Leistungsbeziehern zusammenwohnen. Gründe für das sog. „Kopfteilprinzip" sind unter anderem die Verwaltungsvereinfachung. Denn die Behörde könne schließlich eine an der unterschiedlichen Intensität der Wohnungsnutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht ermöglichen.

Das LSG NRW und in der Revisionsinstanz nachfolgend auch das Bundessozialgericht mit Urteil vom 23.05.2013 (Az.: B 4 AS 67/12 R) haben eine Durchbrechung des „Kopfteilprinzip" zugelassen.

Das Jobcenter hatte argumentiert, dass die Sanktionierung des unter 25-jährigen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen der Übernahme des weggefallenen KdU-Anteils für die Eltern „ins Leere" laufen würde. Dieses Argument hat das BSG zu Recht zurückgewiesen. Denn unabhängig von dem Grundsatz, dass Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis zueinander Einkommen und Vermögen zur Verringerung und Beseitigung der Hilfebedürftigkeit einzusetzen haben, würde durch die Hinnahme der Bedarfsunterdeckung faktisch eine Sippenhaft für das pflichtwidrige Verhalten eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft eintreten, diese kenne das SGB II jedoch nicht.

Leider kommt es immer wieder vor, dass das Jobcenter Gerichtsentscheidungen übersieht - oder falsch auslegt. Meist steckt kein böser Wille des Sachbearbeiters dahinter. Die Rechtsprechung im SGB II entwickelt sich jedoch ständig weiter. Die Falschberechnung der Leistungen für die Mandanten zeigt aber, dass man jeden Bescheid überprüfen lassen sollte, wenn man sich ungerecht behandelt fühlt.

Hierbei berate ich Sie gern ...


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