Kirchenaustritt führt zur Kündigung

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in einer kirchlichen Einrichtung gerechtfertigt ist, wenn der beschäftigte Mitarbeiter aus der Kirche austritt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.04.2013, 2 AZR 579/12
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, Urteil vom 09.03.2012, Az.: 12 Sa 55/11

Ausgangslage

Der Kläger war seit 1992 als Sozialpädagoge in einem sozialen Zentrum des Beklagten, dessen Träger ein katholischer Caritasverband ist, beschäftigt. Nachmittags werden dort Schulkinder betreut. Religiöse Inhalte werden nicht vermittelt.

Der Kläger trat aus der katholischen Kirche aus und begründete diese Entscheidung gegenüber dem Beklagten mit den zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, den Vorgängen um die „Piusbruderschaft" und die Karfreitagsliturgie, in der eine antijüdische Tradition der katholischen Kirche zu Tage trete.

Der Beklagte kündigte dem Kläger daraufhin das Arbeitsverhältnis, mit der Begründung, dass der Kläger durch den Kirchenaustritt gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitätsobliegenheit verstoße. Eine Weiterbeschäftigung sei dem Beklagten - ungeachtet der Betriebszugehörigkeit und des Alters des Klägers - nicht zumutbar. Denn dem Kläger fehle nunmehr das Glaubensverständnis zur Dienstgemeinschaft. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leistet der Kläger unmittelbar „Dienst am Menschen" und nimmt an dem Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Seine Glaubens- und Gewissensfreiheit hat hinter das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten zurückzutreten. Hinzu komme, so der Beklagte, dass der Kläger auch außerhalb der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen als Sozialpädagoge tätig sein könne.

Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung des Beklagten und hat fristgerecht Kündigungsschutzklage eingereicht. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht blieb die Klage ohne Erfolg. Das BAG bestätigt die Vorinstanzen und weist die Kündigungsschutzklage des Klägers ebenfalls zurück.

Entscheidungsgründe

Das BAG bestätigt den Beklagten insoweit, dass das Recht des Klägers auf Glaubens- und Gewissensfreiheit hinter das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaft zurück tritt.

Begründet wird diese Entscheidung des BAG mit dem den Kirchen und ihren karitativen Einrichtungen zustehenden Recht auf Selbstorganisation und Verwaltung. Art. 140 Grundgesetz (GG) iVm Art 137 Absatz 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) regelt, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst ordnet und verwaltet. Hierdurch wird den Kirchen und deren Einrichtungen in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes ermöglicht, den kirchlichen Dienst und darüber hinaus auch die Begründung privatrechtlicher Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln.

Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 sieht vor, das der Austritt aus der katholischen Kirche einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß darstellt und folglich eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht mehr gegeben ist.

Das BAG sieht die Vorschrift der Grundordnung als gegeben an und bestätigt  den Ausspruch der Kündigung des Klägers.

Nach Auffassung des BAG wird durch die Anwendung dieser Vorschriften der Kläger auch nicht diskriminiert, da kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliege. Eine Ungleichbehandlung des Klägers wegen seiner Religion sei nach § 9 Absatz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, so das Bundesarbeitsgericht. Dieses bezieht sich dabei auf § 9 Abs. 2 AGG, welcher wie folgt lautet:

„Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können."

Aufgrund des dem Beklagten zustehenden Selbstbestimmungsrechts, insbesondere durch die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 kann der Beklagte selbst regeln, wodurch sich ein loyales und aufrichtiges Verhalten seiner Mitarbeiter, wie es § 9 Absatz 2 AGG vorsieht, darstellt. Hinzu kommt, dass der Kläger als Sozialpädagoge auch in anderen privaten und staatlichen Einrichtungen tätig werden kann. Eine darüber hinausgehende europarechtskonforme Auslegung des § 9 Absatz 2 AGG bedurfte es daher nicht.

Kommentar

Durch diese Entscheidung wird deutlich, so Rechtsanwältin Monika Korb bei KBM Legal in Köln und Düsseldorf im Bereich des Arbeitsrechts, dass eine Diskriminierung wegen Religion nicht in Betracht kommen muss, wenn Vorschriften über das grundlegende Verständnis der katholischen Kirche einschlägig sind. Dies hängt auch maßgeblich von der jeweils ausgeübten Tätigkeit des betroffenen Mitarbeiters ab. Denn je nachdem, welche Tätigkeit bzw. welcher Beruf ausgeübt wird, tritt das Grundrecht eines Arbeitnehmers hinter das Selbstbestimmungsrecht der Kirche zurück, wie das vorstehende Urteil aufzeigt.

Andere Entscheidungen des BAG zeigen, dass die Kirche bzw. eine kirchliche Einrichtung potentielle Arbeitnehmer nicht wegen fehlender Religionszugehörigkeit bei der Entscheidung einer zu besetzenden Stelle abweisen darf. Lesen Sie hier mehr.

http://www.kbm-legal.com/rechtsberatung/arbeitsrecht.html


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von KBM Legal Bauer Sommer Partnerschaftsgesellschaft mbB Rechtsanwälte

Beiträge zum Thema