Klima-Kleber - Nötigung gerechtfertigt durch die Gefahren der globalen Erwärmung?

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Straßenblockade 


In unzähligen Prozessen gegen Klimaaktivisten ging es um Straßenblockaden und damit um den Straftatbestand der Nötigung. Nach § 240 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich strafbar, „wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt“. Dabei muss im Einzelfall entschieden werden, ob sich die Person durch die Blockade der Nötigung strafbar gemacht hat.


Mit Sekundenkleber auf der Straße festgeklebt 


In einer weiteren Gerichtsverhandlung, bei der ein Klimaaktivist der Nötigung bezichtigt wurde, wurde darüber entschieden, ob die Nötigung durch den Art. 20 Abs. 4 GG oder den § 34 StGB gerechtfertigt ist. Mit der Revision des Angeklagten hat sich das Bayrische oberste Landesgericht (205 StRR 63/23) in seinem Beschluss vom 21. April 2023 beschäftigt. Der Angeklagte wurde wegen Nötigung schuldig gesprochen, nachdem er sich mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn einer Straße festgeklebt hat, wodurch eine größere Anzahl von Autofahrern am Weiterfahren gehindert war. Das Gericht stellte nach der Revision des Angeklagten fest, dass er weder durch Art. 20 Abs. 4 GG, noch durch den § 34 StGB gerechtfertigt ist.


Gerechtfertigt durch Art. 20 Abs. 4 GG?


In Art. 20 GG wird die Ordnung der Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben. Demnach ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Abs. 1), in welchem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. (Abs. 1 S. 1). Außerdem ist in Art. 20 Abs. 1 S. 2 GG die Gewaltenteilung geregelt, nach die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt wird. „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“ (Art. 20 Abs. 4 GG). 


Nach dem Beschluss des Gerichts liegt jedoch derzeit keine Konstellation vor, in der die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist und die staatlichen Organe nicht mehr in der Lage sind, die verfasste Ordnung selbst hinreichend zu schützen. Daher ist noch andere Abhilfe möglich und die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 4 GG sind nicht erfüllt. Der Staat ist nicht in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, vielmehr kann der Staat die verfasste Ordnung schützen, er ergreift aber nicht die vom Angeklagten geforderten Maßnahmen. Zudem ist auch nicht erkennbar, dass der Angeklagte seine Widerstandshandlung gegen denjenigen richtet, der es unternahm, die in Art. 20 GG niedergelegte Ordnung zu beseitigen. Das Gericht erklärt, dass ausgehend vom Ansatzpunkt des Angeklagten die Regierung und die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften der Adressat seiner Widerstandshandlung wäre und nicht die betroffenen Autofahrer.


Gerechtfertigt durch den § 34 StGB?


Weiterhin geht das Bayrische oberste Landesgericht auf den § 34 StGB ein, der den rechtfertigenden Notstand regelt:


„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“


Dem Angeklagten standen nach den Ausführungen des Gerichts mildere Mittel zu Verfügung (Ausübung der Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Petitionsrecht, Freiheit der Bildung politischer Parteien). Er hätte keine Straftat begehen müssen, sondern hätte stattdessen durch ein direktes Gespräch oder durch andere Kommunikationsmittel auf die Mitglieder der Regierung/ der gesetzgebenden Körperschaften einwirken können.


Hilfe durch Fachanwalt für Strafrecht


Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dietrich erstellt. Rechtsanwalt Dietrich tritt bereits seit vielen Jahren deutschlandweit als Strafverteidiger auf. Wenn Ihnen vorgeworfen wird, sich strafbar gemacht zu haben, können Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Besprechungstermin mit Rechtsanwalt Dietrich vereinbaren. Alternativ können Sie Rechtsanwalt Dietrich auch eine E-Mail schreiben.


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