Kosten der Unterkunft – individuelle Zugangshemmnisse zum Wohnungsmarkt

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In diesem Artikel behandeln wir ein wegweisendes Urteil des Bundessozialgerichts vom Oktober 2022 (BSG vom 06.10.2022, Urteil vom 06.10.2022 - B 8 SO 7/21 R) und dessen Auswirkungen auf Empfänger von Leistungen gemäß dem SGB II / SGB XII im Zusammenhang mit den Unterkunftskosten und individuellen Zugangshemmnissen zum Wohnungsmarkt.

Zum Hintergrund:

Der vorliegende Fall betraf eine Person, die ergänzende Grundsicherungsleistungen gemäß dem vierten Kapitel des SGB XII erhält. Ihr Ehemann konnte seinen Lebensbedarf durch eine Erwerbsminderungsrente und eine Tätigkeit in einer WfbM (Werkstatt für behinderte Menschen) decken. Bei der Gewährung der Leistungen wurden hinsichtlich der Unterkunftskosten der Hilfesuchenden sowie der Einkommensanrechnung ihres Ehemannes lediglich die angemessenen Kosten - nicht jedoch die tatsächlichen Kosten - berücksichtigt.

Zu beachten ist:

Die angemessenen Kosten werden gemäß spezifischer Richtlinien ermittelt und gelten dann für bedürftige Personen. Dies könnte zum Beispiel bei einem Haushalt mit zwei Personen einen Betrag von 500 € für die Miete bedeuten. Falls diese Summe als angemessen erachtet wird, gilt sie meist als Obergrenze für alle Leistungsbezieher. Wer höhere Mietkosten hat, muss die Differenz selbst tragen; näheres finden Sie hier.

Weiterer Verlauf:

Das Landessozialgericht (LSG) wies aus diesem Grund die Klage mit Verweis auf das schlüssige Konzept der Behörde ab und bezog sich dabei auf den festgelegten Höchstbetrag der Miete (500 € in unserem Beispiel).

Das Bundessozialgericht hob dieses Urteil jedoch auf und wies den Fall zurück an das Landessozialgericht.

Die Entscheidung des BSG lautet wie folgt:

  1. Der Zugang zum Wohnungsmarkt gestaltet sich für Personen mit geistigen, psychischen oder seelischen Behinderungen grundsätzlich schwieriger. Vermieter können Vorbehalte gegenüber dieser Gruppe haben (vgl. Günther/Abraham, "Wohnsituation von Menschen mit Behinderung", 2020, S. 33 ff). Erkennbare Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten können daher die Chancen auf angemessenen Wohnraum mindern (vgl. BeckOGK/Lauterbach, Stand Dezember 2021, SGB II, § 22 RdNr 64).
  2. Wenn diese Beeinträchtigungen zu einer erheblichen Einschränkung oder Verschlossenheit des Wohnungsmarkts führen, ist in der Regel eine individuelle Unterstützung durch den Leistungsträger notwendig, um eine Wohnung zu finden (Krauß in Hauck/Noftz SGB II, § 22 RdNr 176, Stand Januar 2021).
  3. Wenn der Leistungsträger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, ist grundsätzlich von der konkreten Angemessenheit der Wohnung auszugehen. Die Betroffenen müssen dann keine konkreten Suchaktivitäten nachweisen.

Somit hat das BSG erstmals festgestellt, dass es Personengruppen gibt, die aufgrund unkontrollierbarer Besonderheiten bei der Wohnungssuche von vornherein benachteiligt sind. In solchen Fällen muss der Leistungsträger aktiv bei der Wohnungssuche unterstützen und solange die tatsächlichen Mietkosten übernehmen. Daher wird der Leistungsträger in diesen Fällen nunmehr in die Verantwortung genommen und muss den Betroffen helfen, anstatt sie, wie bisher leider üblich, mit dem Problem allein zu lassen.

In einem Fall aus meiner Praxis hat das Sozialgericht Aurich bereits als Reaktion auf das Urteil eine solche Situation der Verschlossenheit anerkannt. In dem Fall beim SG Aurich war eine barrierefreie Wohnung notwendig und die potentiellen Vermieter mussten einen Therapiehund zulassen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Fälle des eingeschränkten Zugangs auf Behinderungsfälle beschränkt bleiben oder nicht.

Bei Fragen steht Ihnen unser Team gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht

Niklas Sander

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