Kostenentscheidung im Erbscheinsverfahren, § 81 FamFG

  • 4 Minuten Lesezeit

Wer trägt die Kosten bei Einholung eines Schriftgutachtens?

Nicht selten stellt sich im Rahmen eines Erbscheinverfahrens die Frage, wer die Kosten für den Fall trägt, dass das Gericht die Einholung eines Schriftgutachtens zur Frage der Urheberschaft des Erblassers für geboten hält.

Die zentrale Norm ist insoweit § 81 FamFG.

Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen, § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 07.06.2019, Az.: 8 W 131/19 folgendes festgehalten:

Über die Kosten des Verfahrens, zu denen gemäß § 80 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Bet. gehören, entscheidet das Gericht in Verfahren der fG gemäß § 81 FamFG nach billigem Ermessen. 

Im Beschwerdeverfahren hat das BeschwerdeG die Ermessensentscheidung der Ausgangsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen, ist also nicht auf die Kontrolle von Ermessensfehl- oder Ermessensnichtgebrauch beschränkt (OLG Frankfurt FamRZ 2017, 1415; FamRZ 2017, 829; Burandt/Rojahn ErbR, 3. Aufl. 2019, § 81 FamFG Rn 5; aA OLG Düsseldorf FGPrax 2016, 47; OLG Hamm MDR 2013, 469; OLG Hamburg FGPrax 2014, 138; Keidel/Zimmermann FamFG, 19. Aufl., § 81 Rn. 81 a).

Da für Beschwerdeentscheidungen gemäß § 69 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend gelten, kann die Beschwerde im Verfahren der fG einschränkungslos auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (§ 65 Abs. 3 FamFG). Daraus folgt, dass das BeschwerdeG eine vollständige Prüfung des Sachverhalts, so wie er sich im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung darstellt, vornehmen muss und auf dessen Grundlage auch eigene Ermessenserwägungen anzustellen hat (BGH NJW-RR 2016, 1478 für den Ausgleich geringfügiger Anrechte im Versorgungsausgleich nach § 18 VersAusglG).

Bei Ausübung des Ermessens ist von dem Grundsatz auszugehen, dass im Bereich des FamFG – abweichend vom starren Erfolgsprinzip des § 91 ZPO – der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, das Obsiegen und Unterliegen zum alleinigen oder auch nur überwiegend maßgeblichen Kriterium für die Kostenverteilung zu machen und dass es statt dessen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2014, 898; OLG Schleswig FGPrax 2015, 239; ZEV 2013, 445; OLG Celle FamRZ 2011, 472). Der BGH hat der von einigen OLG (OLG Düsseldorf ErbR 2014, 391; FGPrax 2012, 259; OLG Köln Beschl. v. 6.2.2015 – 2 Wx 27/15; OLG Frankfurt ZEV 2015, 158; einschränkend OLG München ZEV 2012, 661) und so auch von den Verfahrensbevollmächtigten des Bet. zu 1 vertretenen Auffassung, in Nachlasssachen, insbesondere bei streitigen Erbscheinanträgen komme dem Maß des Obsiegens und Unterliegens auch im Rahmen von § 81 Abs. 1 FamFG besondere Bedeutung zu, mit seiner Entscheidung vom 18.11.2015 (NJW-RR 2016, 200) eine Abfuhr erteilt.

Vielmehr stelle das Maß des Obsiegens und Unterliegens im Rahmen der Kostenentscheidung lediglich einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden könne. Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspreche es, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbeziehe. Hierzu zählten neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sowie die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten.

Dies berücksichtigt hat das AG zu Recht die Kosten des Nachlassverfahrens einschließlich der Kosten für das Sachverständigengutachten dem Bet. zu 1 auferlegt. Ein Regelfall des § 81 Abs. 2 FamFG, der es gebieten würde, die Kosten dem Bet. zu 2 aufzuerlegen, liegt nicht vor. Der Bet. zu 2 hat auch keineswegs „ins Blaue hinein“ vorgetragen. Vielmehr hat er nachvollziehbar auf die unterschiedlichen Handschriften in dem Testament, hingewiesen.

Eine Auffälligkeit lag hier insbesondere auch deshalb vor, weil die Unterschrift der Erblasserin von der Handschrift des unmittelbar darüber befindlichen Textes „Dies ist auch mein letzter Wille“ deutlich abweicht. Auch der Sachverständige kam insoweit in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass dieser Text, der inhaltlich eine Erklärung der Erblasserin suggeriert, nicht von der Erblasserin gefertigt wurde. Auch der Vortrag, es handele sich um mindestens drei verschiedene Handschriften ist vertretbar, weil die Unterschrift des Bet. zu 1 von dem übrigen Text abweicht.

Der Bet. zu 2 hat gerade nicht behauptet, dass die Unterschrift der Erblasserin gefälscht sei. Er hat auch im Verfahren keine Anträge gestellt, insbesondere keinen Antrag auf Zurückweisung des Erbscheinantrags des Bet. zu 1 oder auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Vielmehr wurde von ihm lediglich angeregt, einen Vergleich der Unterschrift auf dem Testament mit von der Erblasserin herrührenden Handschriften vorzunehmen. Nachdem Unterschriftenproben vorlagen, hat er – ebenfalls nachvollziehbar – darauf hingewiesen, dass diese von der Unterschrift auf dem Testament abweichen. Das NachlassG, das den Sachverhalt von Amts wegen unabhängig vom Vortrag der Bet. zu ermitteln hat, hat darauf hin, den Sachverständigenbeweis eingeholt.

Soweit sich der Bet. zu 1 für sein Beschwerdebegehren auf die Entscheidung des OLG München (ZEV 2012, 661) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass der dort zu beurteilende Sachverhalt erheblich von dem hier vorliegenden abweicht, weil dort die Erblasserin das Testament, dessen Echtheit bestritten war, selbst in die amtliche Verwahrung gegeben hatte. Auch dieser Umstand führte zu der – vorliegend gerade nicht gerechtfertigten – Feststellung, die gegen den Erbschein erhobenen Einwendungen seien „ins Blaue hinein“ erfolgt.

Im Ergebnis sollte somit selbst in dem Fall, in dem das Gericht nach Einholung eines Schriftgutachtens an der Urheberschaft des Erblassers keine Zweifel hat, eine Kostentragungslast desjenigen, der die Einwände erhoben hat, nicht ohne weiteres hingenommen werden.

Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit ist Rechtsanwalt Sebastian Obermeier, zugleich Fachanwalt für Erbrecht.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Sebastian Obermeier

Beiträge zum Thema