Krankenhaus haftet für Fenstersturz dementer Patientin

  • 3 Minuten Lesezeit

Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm in seiner Entscheidung vom 17.01.2017, Az. 26 U 30/16.

Was ist passiert?

Die demente Patientin befand sich seit fünf Tagen in dem Krankenhaus. Während dieser Zeit war sie sehr aggressiv, sehr unruhig, verwirrt und desorientiert. Sie zeigte auch Hin- und Weglauftendenzen und wollte die Station verlassen. Auch eine Medikamentengabe konnte diesen Zustand nicht erheblich verbessern. Auch an dem Unfalltag war die Patientin sehr unruhig und versuchte, wegzulaufen. Um dies zu verhindern, verstellten die diensthabenden Krankenschwestern die sich nach innen öffnende Tür des Krankenzimmers von außen mit einem Krankenbett. In den späten Abendstunden kletterte die Patientin unbemerkt aus dem Zimmerfenster, stürzte auf ein mehrere Meter tiefer liegendes Vordach und erlitt erhebliche Verletzungen, die operativ versorgt werden mussten.

Die Parteien streiten nun darum, wer die Kosten für die Operation und die anschließende Behandlung zahlen muss. Die Krankenversicherung oder das Krankenhaus.

Was hätte das Krankenhaus tun können, um den Fenstersturz der dementen Patientin zu vermeiden?

Folgende Fehler werden dem Krankenhaus vorgeworfen:

  • Das Krankenhaus hat die Medikation nicht umgestellt, obwohl die verabreichten Medikamente nicht anschlugen.
  • Die Sicherungsmaßnahmen gegen die Weglauftendenzen waren unzureichend.
  • Durch das vor die Zimmertür geschobene Bett wurde die Patientin veranlasst, das Zimmer durch das Fenster zu verlassen.
  • Der Fenstergriff war nicht abschließbar. Dadurch war wurde der Patientin ermöglicht, durch das Fenster zu klettern.
  • Die Aufnahme in die allgemeine internistische Abteilung war bei dieser Diagnose falsch.

Was sagt das Krankenhaus dazu?

Das Krankenhaus ist der Meinung, dass die Behandlung fehlerfrei war. Die gewählte Medikation war die richtige Therapie. Die Patientin wurde hinreichend überwacht und ist durch das Bett vor ihrer Tür an einer Selbstgefährdung gehindert worden. Für das Krankenhaus war nicht vorhersehbar, dass die Patientin aus dem Fenster klettern würde. Es wurden alle Verkehrssicherungspflichten eingehalten.

Wie sieht das Gericht die Situation? 

Das Gericht stimmt zum Teil dem Krankenhaus und zum Teil der Krankenversicherung zu. Aus Sicht des Gerichts war die medikamentöse Versorgung in Ordnung. Dem Krankenhaus kann bei einem derartigen Zustand nicht vorgeworfen werden, dass es nicht auf ein anderes Medikament umgestellt hat. Solche Zustände sind oft nicht zu beherrschen.

Aber das Gericht ist der Meinung, dass dem Krankenhaus vorgeworfen werden kann, dass es nicht die Vorkehrungen getroffen hat, die notwendig sind, um ein Hinaussteigen aus dem Krankenzimmer zu verhindern. Das Krankenhaus hätte dafür sorgen müssen, dass die Patientin das Zimmer nicht durch das Fenster verlassen kann.

Diese Pflicht ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag, den das Krankenhaus bei der Aufnahme mit der Patientin abgeschlossen hat. Mit der stationären Aufnahme übernimmt das Krankenhaus auch die Aufgabe, den Patienten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden und Gefahren zu schützen.

Welche Maßnahmen muss ein Krankenhaus ergreifen?

Das hängt davon ab, wie die Verfassung des Patienten im Einzelfall ist. Die Maßnahmen müssen so beschaffen sein, dass die Patientin weder sich selbst noch andere schädigen kann. Ob eine Gefahr für eine Schädigung vorliegt, muss möglichst früh beurteilt werden.

Im konkreten Fall zeigte die Patientin bereits in den ersten fünf Tagen zahlreiche Hinweise auf Aggressivität, völlige Desorientierung und unerwartete Handlungen wie das Umwerfen des Nachttisches und das Entkleiden, insbesondere aber Hin-und Weglauftendenzen. Auch an dem Tag des Sturzes war das Verhalten der Patientin nicht vorhersehbar. Deshalb musste das Krankenhaus mit allem rechnen, auch damit, dass die Patientin versuchen wird, aus dem Fenster zu klettern. Deshalb hätte das Krankenhaus alle Maßnahmen ergreifen müssen, die ein Hinausklettern verhindern. Dazu gehört es,

  • den Zugang zum Fenstergriff zu erschweren,
  • das Fenster durch Verriegeln in Kippstellung zu blockieren,
  • verschließbare Fenstergriffe anzubringen
  • die Patientin als Notfall auf eine geschlossene geriatrische Station oder in eine ebenerdig gelegene Abteilung zu verlegen

Da das Krankenhaus diese Maßnahmen nicht ergriffen hat, muss es die Operations- und Behandlungskosten bezahlen.

Kontaktieren Sie mich, Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht von der Kanzlei für Pflegerecht in Lüdinghausen unter 0 25 91 – 20 88 58 und Dortmund unter  02 31 - 22 25 568 .


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Karpinski

Beiträge zum Thema