Elternunterhalt - Nur Kinder mit einem Einkommen oberhalb von € 100.000 „haften“ für ihre Eltern

  • 5 Minuten Lesezeit
Seit dem 01.01.2020 regelt das „Angehörigen-Entlastungsgesetz“, dass das Sozialamt Unterhaltskosten für Pflege oder Grundsicherung hilfsbedürftiger Eltern nur von Kindern mit einem Einkommen über € 100.000 zurückfordern kann. Die Ermittlung der Einkünfte basiert auf dem Steuerbescheid des Kindes. Zuvor konnten alle Kinder unabhängig vom Einkommen zur Unterstützung herangezogen werden. Der Elternunterhalt, der vom Sozialamt in den meisten Fällen beansprucht wird, bezieht nun auch das Vermögen der Kinder oberhalb dieser Grenze mit ein, wobei der Bundesgerichtshof eine Formel zur Ermittlung eines Schonvermögens bereitstellt. Die Berechnung des Elternunterhalts folgt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.7.2010 und betont die Bedeutung individueller Umstände, die eine Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt nahelegen. Auch ist zu beachten, dass bei mehreren Geschwistern eine individuelle Unterhaltsberechnung erfolgt und eine Ausnahme der Pflicht besteht, wenn die Eltern etwa ihre Unterhaltspflichten verletzt haben oder bei missbräuchlichem Verhalten. Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Sozialrecht, bietet Beratung an, um die komplexen Anforderungen des Unterhaltsrechts zu navigieren.

Das Sozialamt kann seit dem 01.01.2020 Leistungen wie z.B. Hilfe zur Pflege oder Grundsicherung, die es an hilfsbedürftige Eltern zahlt, nur von sehr einkommensstarken Kindern zurückverlangen. Dies sind Kinder, deren Summe der Einkünfte € 100.000 übersteigt. Dies setzt das sogenannte „Angehörigen-Entlastungsgesetz“ fest. In dieser Einkommensklasse befanden sich bei Schaffung des Gesetzes 6% der Bevölkerung. Durch die aufgrund der Inflation gestiegenen Arbeitseinkommen, dürfte sich diese Zahl inzwischen etwas erhöht haben.


Wie wird die Summe der Einkünfte ermittelt?

Das Sozialamt muss die Summe der Einkünfte nicht ermitteln. Diese ergibt sich aus Ihrem Steuerbescheid. Zu Beginn der Seite 2 des Steuerbescheides werden zunächst die einzelnen Einkunftsarten gelistet: Arbeitslohn, Vermietung und Verpachtung, Kapitalerträge jeweils abzüglich Werbungskosten wie zum Beispiel die Fahrtkosten zur Arbeit, aber auch die Gewinne aus Gewerbebetrieb und freiberuflicher Tätigkeit.

Dann werden die Beträge der einzelnen Einkunftsarten addiert. Dies ist dann die sogenannte „Summe der Einkünfte“.


Sollte Ihr Steuerbescheid diese Summe von €100.000 nicht ausweisen, kann das Sozialamt von Ihnen keine Unterhaltskosten für Ihre Eltern verlangen. Hören Sie also bitte jetzt auf zu lesen!

Liegen Sie auch ohne Ihren Ehegatten oder Ihre eingetragene Lebenspartnerin oberhalb von € 100.000 so gilt Folgendes:


Wer verlangt den Elternunterhalt?

Grundsätzlich können Eltern, welche ihren angemessenen Lebensunterhalt bzw. ihre Pflege nicht mehr bezahlen können von ihren leistungsfähigen Kindern Unterhalt nach den §§ 1601 fortfolgende BGB verlangen. Dies geschieht jedoch sehr selten.


In der weit, weit überwiegenden Zahl aller Fälle wird Elternunterhalt vom Sozialamt gefordert. Dies geschieht, indem das Sozialamt für die meist pflegebedürftigen Eltern Hilfe zur Pflege oder auch Grundsicherung bezahlt. Sobald das Sozialamt für die Eltern zahlt geht der Unterhaltsanspruch nach § 94 SGB XII automatisch auf das Sozialamt über. Dieser § 94 SGB XII sieht dann vor, dass das Sozialamt Elternunterhalt nur von Kindern fordern darf, deren Summe der Einkünfte über € 100.000 liegt. Im Gegensatz zum Sozialamt haben die Eltern selbst also auch einen Unterhaltsanspruch gegen ein Kind, dessen Summe der Einkünfte unterhalb von €100.000 liegt.


Darf das Sozialamt jedes Kind des hilfebedürftigen Elternteils anschreiben?

Vor dem 01.01.2020 durfte das Sozialamt jedes Kind anschreiben und Auskunft nicht nur über dessen Einkommen und Vermögen, sondern auch von dessen Ehegatten oder Lebenspartnerin verlangen. Dies verbietet das Gesetz heute.


Vielmehr vermutet das Gesetz in § 94 SGB XII, dass alle Kinder eine Summe der Einkünfte von unter € 100.000 haben. Nur falls Anhaltspunkte für eine Summe der Einkünfte oberhalb von € 100.000 vorhanden sind, hat das Kind Auskunft zu geben über Einkommen und Vermögen. Solche Anhaltspunkte wie z.B. den Beruf darf das Sozialamt erfragen. Das alleinige Abstellen auf die Summe der Einkünfte führt jedoch auch dazu, dass Sie selbst dann keine Auskünfte geben müssen und somit auch kein Elternunterhalt zu zahlen haben, falls Sie ein Millionenvermögen haben.


Welchen Teil meines Einkommens darf ich behalten?

Früher legten die Oberlandesgerichte in ihren Unterhaltsleitlinien konkrete Selbstbehalte fest; dabei übernahmen die meisten Oberlandesgerichte die Beträge des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus der sogenannten „Düsseldorfer Tabelle“. Diese legte letztmalig in der Düsseldorfer Tabelle 2020 einen konkreten Selbstbehalt für den Elternunterhalt fest. Im Jahr 2021 reagierte die Düsseldorfer Tabelle auf die € 100.000 Grenze des § 94 SGB XII. Dort heißt es nun, dass das die Sozialämter beim Berechnen des Elternunterhalt zu berücksichtigen haben, dass Kinder mit einer Summe der Einkünfte bis zu € 100.000 keinen Elternunterhalt zahlen.


Somit ist es heute nicht mehr möglich, genau zu bestimmen, wie viel Unterhalt zu zahlen ist. Dies ist jedoch für Sie eine Riesenchance! Dadurch, dass die Oberlandesgerichte derzeit keine festen Vorgaben machen, kommt es alleine auf eine substantiierte und schlüssige Argumentation ihres Anwaltes an.


Welchen Teil meines Vermögens darf ich behalten?

Falls Sie die Grenze von € 100.000 überschreiten, so ist auch ihr Vermögen zur Berechnung des Elternunterhalts heranzuziehen.

Hier hat der Bundesgerichtshof jedoch eine Formel geschaffen, welche selbst bei durchschnittlichen Einkommen zu einem Schonvermögen von mehreren € 100.000 führt. Die Formel lautet:


5% vom aktuellen Bruttoeinkommen x Anzahl der Berufsjahre x 4% Durchschnittszins für jedes Berufsjahr



Wie wird der Elternunterhalt berechnet?

Die Berechnungsmethode legte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.7.2010, Az. XII ZR 140/07 fest. Diese lautet:


Vom dem zusammengerechneten Einkommen der Ehegatten (Familieneinkommen) wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird zur Ermittlung des für den individuellen Familienbedarf benötigten Betrags um eine in der Regel mit 10% zu bemessende Haushaltsersparnis. Die Hälfte des sich ergebenden Betrags kommt zuzüglich des Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen. Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.


Hier empfehle ich dringend, sich von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Denn die Ermittlung des Einkommens, im Unterhaltsrecht nennt sich dies „Bereinigung“, ist kompliziert und von den Gegebenheiten des Einzelfalles geprägt. Hier weise ich noch einmal auf die enormen Gestaltungsmöglichkeiten seit Wegfall der festen Selbstbehalte hin.


Wie wird der Elternunterhalt bei Geschwistern aufgeteilt?

Bei Geschwistern wird für jedes Kind eine getrennte Berechnung des Elternunterhalts durchgeführt. Die jeweils dort ermittelten Beträge werden addiert. Jedes Kind muss nur so viel Prozent des Unterhalts für seine Eltern zahlen, wie es seiner Beteiligung an dieser Summe der Elternunterhaltsbeträge entspricht. Falls bei 4 Kindern ein Gesamtunterhaltsbetrag von € 1.000 zusammenkommt, so muss das Kind welches € 150 hierzu beisteuerte auch nur 15 % des für die Eltern erforderlichen Unterhalts zahlen.


Sollte nur eines der Kinder eine Summe der Einkünfte von oberhalb € 100.000 haben, so gilt dies auch. Dies bedeutet für die übrigen 3 Kinder, dass sie Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen geben müssen, obwohl sie keinen Elternunterhalt zu zahlen haben. Für diese wird also eine rein fiktive Berechnung durchgeführt, damit das unterhaltspflichtige Kind nicht mehr zahlen muss, als es zahlen müsste, würden seine Geschwister nicht durch die € 100.000-Grenze verschont.


Muss ich auch für schlechte, bösartige oder verschwenderische Eltern zahlen?

Dies kommt darauf an.

Der Elternunterhalt geht davon aus, dass unsere Eltern für unseren Unterhalt aufkamen bis zum Abschluss unserer ersten Ausbildung. War dies nicht der Fall, so muss das Kind für diesen Elternteil auch keinen Unterhalt zahlen.


Die Unterhaltspflicht kann auch bei übergriffigen Eltern gemindert sein oder ganz entfallen. Dies gilt sowohl für körperliche, als auch psychische Gewalt. Bei sexuellem Missbrauch ist in der Regel von einem Entfall der Unterhaltspflicht auszugehen.


Aber auch wenn die Eltern ausreichend Einkommen und Vermögen für ihren eigenen Unterhalt hatten und dieses verschwendeten, kann die Unterhaltspflicht gemindert werden oder entfallen.


Nicht ausreichend ist jedoch der Kontaktabbruch, falls die Eltern ihren Unterhaltspflichten bis zum Abschluss der ersten Ausbildung nachgekommen sind.



Kontaktieren Sie mich, Rechtsanwalt Markus Karpinski, Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht von der Kanzlei für Pflegerecht in Lüdinghausen unter 0 25 91 – 20 88 58 und Dortmund unter  02 31 - 22 25 568.




Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Karpinski

Beiträge zum Thema