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Krankentagegeld von privater Krankenversicherung - neues BGH-Urteil vom 03. April 2013

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In der privaten Krankenversicherung erhält eine versicherte Person ihr Krankentagegeld gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen in der Regel dann, wenn sie „vollständig außerstande ist", ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

Der Begriff der „vollständigen Arbeitsunfähigkeit" bedeutet im Prinzip den Nachweis der 100%-igen Arbeitsunfähigkeit. Der Nachweis dieser 100%-igen Arbeitsunfähigkeit stellt insbesondere in gerichtlichen Verfahren oft eine hohe Nachweishürde dar. Denn in der Rechtsprechung besteht Konsens darüber, dass auch nur schon eine teilweise Arbeitsunfähigkeit den Krankentagegeldanspruch wiederum vollständig entfallen lässt. Das gilt insbesondere auch für den anschließenden Zeitraum der Wiedergenesung, nach dem einmal ganz sicher auch eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit ohne jede Restleistungsfähigkeit vorgelegen hatte. Auch bei der dann einsetzenden sukzessiven Verbesserung der gesundheitlichen Situation, speziell auch Wiedereingliederungszeiten, kann eine medizinische Wertung sehr schnell den Schluss nahelegen, dass eine solche 100%-ige Beeinträchtigung nicht mehr besteht.

Der BGH hat jetzt in seiner neueren Entscheidung vom 03.04.2013 (IV ZR 239/11) diesen Grundsatz bestätigt, aber klargestellt, welchen Voraussetzungen es unterliegt, dass man zu dem Ergebnis kommen kann, die versicherte Person sei „in keiner Weise" mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben.

Es genügt danach nicht, dass der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage ist, die im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar auch anfallen", isoliert aber keinen Sinn ergeben."

Der zugrunde liegende Sachverhalt des von dem BGH besprochenen Falls bestand darin, dass ein Rechtsanwalt aufgrund eines Schlaganfalls an einer Lesestörung (Dyslexie) litt. Die Vorinstanz hatte erklärt, dass der Anwalt noch Mandantengespräche führen, diktieren und vor Gericht auftreten könne und in diesen Bereichen keine Einschränkungen habe. Das ließ der BGH nicht gelten. Denn die Lesefähigkeit sei eine Grundvoraussetzung zum Ausüben des juristischen Berufes. Der BGH verdeutlicht in seiner Entscheidung, dass auch für die weiteren Anwaltstätigkeiten eine Lesefähigkeit unabdingbare Voraussetzung sei, um auch diesen Tätigkeiten sinnvoll nachgehen zu können.

Eine versicherte Person braucht sich demnach von der jeweiligen Krankenversicherung nicht auf jegliche eventuell noch mögliche Teiltätigkeiten verweisen zu lassen, die ihr aufgrund ihrer Restleistungsfähigkeit noch möglich sind. Vielmehr müssen diese Tätigkeiten isoliert einen Sinn ergeben. Diese Tätigkeiten ergeben wiederum keinen Sinn, wenn die beruflichen Anforderungen ohne die weggefallene Teilleistungsfähigkeit (hier das Lesen) nicht erfüllt werden können.

Man wird also auch in anderen Berufen fragen müssen, inwieweit die weggefallene Leistungsfähigkeit Auswirkungen auf Tätigkeitsbereiche hat, die isoliert betrachtet rein faktisch ausübbar blieben, aber ohne die (weggefallene) Fähigkeit keinen Sinn mehr ergeben.

So ist etwa für die Fälle der Außendiensttätigen, etwa Versicherungsagenten, an den Wegfall der Fahrfähigkeit zu denken. Isoliert könnten theoretisch Kundengespräche dann noch durchgeführt werden. Einen Sinn macht eine solche Fähigkeit der Gesprächsführung aber nicht, wenn der betroffene Versicherungsagent aufgrund seiner mangelnden Fahrfähigkeit den Ort der Gesprächsführung nie erreichen wird können.

Einem Arzt etwa, der nicht mehr in der Lage ist, bestimmte Untersuchungen auszuführen, nützt es nichts, dass er mit den Patienten noch sprechen und eine Karteikarte führen kann.

Benötigt eine versicherte Person die weggefallene Fähigkeit unabdingbar, um andere Teilbereiche des Berufes sinnvoll ausüben zu können, so wird sie als 100 % arbeitsunfähig anzusehen sein.

Rechtsanwalt Uwe Klatt

Fachanwalt für Versicherungs- und Medizinrecht


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