Kündigung per Einwurf-Einschreiben – reicht das als Beweis?

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Ja, sagt jedenfalls das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein mit Urteil vom 18.01.2022 – 1 Sa 159/21!

Die Kernaussage dieses Urteils: Der Anscheinsbeweis spricht für den Zugang einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, wenn das Kündigungseinschreiben per Einwurf-Einschreiben übersendet wird. Voraussetzung ist allerdings, dass der Absender den Einlieferungsbeleg und den Auslieferungsbeleg (Reproduktion) vorlegen kann. Dann ist der Beweis für den Zugang erbracht.


Worum ging es in der Entscheidung?

Der Arbeitgeber gab ein Kündigungsschreiben am 28.10.2020 als Einwurf-Einschreiben bei der Post auf. Am 29.10.2020 bestätigte der Postmitarbeiter mit seiner Unterschrift diese Sendung „dem Empfangsberechtigten übergeben bzw. das Einschreiben Einwurf in die Empfangsvorrichtung des Empfängers eingelegt“ zu haben. Der Arbeitnehmer wohnte in einem Hochhaus mit 10 Stockwerken und ca. 80 Briefkästen. Der Arbeitnehmer hat bestritten, die Kündigung erhalten zu haben.

Nach Ansicht des Gerichts hat der Arbeitgeber den Zugang der Kündigung am 29.10.2020 bewiesen. Der Arbeitgeber konnte den Einlieferungsbeleg mit der Sendungsnummer, die Reproduktion des Auslieferungsbelegs mit derselben Sendungsnummer und der Unterschrift des Zustellers sowie dem Datum 29.10.2020 vorlegen. Das reichte dem Gericht aus, um von einem sog. Anscheinsbeweis auszugehen. Diesen Anscheinsbeweis habe der Arbeitnehmer laut Gericht nicht widerlegen können. Er verlor deshalb den Rechtsstreit.

Es bleibt aus meiner Sicht ein Beigeschmack, weil es ja durchaus sein Kann, dass der Postbote den Brief in den falschen Briefkasten einwirft, was bei einer Wohnanlage mit 80 Briefkästen durchaus nicht ausgeschlossen ist.


Praxishinweise

Das LAG Schleswig-Holstein folgt hier einer neuen Rechtsprechung. Auch der BGH hatte entschieden, dass dem Einwurf-Einschreiben jedenfalls dann ein Anscheinsbeweis zukommt, wenn die beweisbelastete Partei in einem Rechtsstreit sowohl den Einlieferungsbeleg als auch die Reproduktion des Auslieferungsbeleges vorlegt (BGH, Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15).

Folgende Arbeitsgerichte hatten ebenfalls einen Anscheinsbeweis bei einem Einwurf-Einschreiben angenommen: LAG Rostock, Urteil vom 12.03.2019 – 2 Sa 139/18; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.03.2019 – 2 Sa 139/18; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.09.2019 – 8; Sa 57/19; LAG Hamm, Urteil vom 05.08.2009 – 3 Sa 1677/08

Da dies in der Rechtsprechung aber bislang unterschiedlich beurteilt wird, hat vorliegend das LAG Schleswig-Holstein die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung an das Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Es bleibt daher spannend, wie das höchste deutsche Arbeitsgericht entscheiden wird.

Stand: Oktober 2023


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