Landgericht ​München und FernUSG

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Das Landgericht München hat ein interessantes Urteil zum Thema FernUSG erlassen. Es handelt sich dabei um ein eminent wichtiges Urteil für Coaches. Einen Überblick über Coaching Verträge und den Einfluss des FernUSG, mit dem wir es als Anwälte für IT-Recht fast täglich zu tun haben, finden Sie hier:

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Hier nun zum Urteil des Landgerichts München I zum FernUSG:

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Coaching Vertrag.

Die Beklagte betreibt ein Coaching Unternehmen. Sie bietet Kurse und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung und Business-Aufbau an. Die Klägerin nahm im Jahr 2022 an einem Coaching der Beklagten teil.

Im April 2022 stieß die Klägerin auf eine Werbung für einen kostenfreien Workshop der Beklagten. Die Klägerin war eine der mehreren Hundert Teilnehmerinnen dieses Workshops.

In Folge dessen kam es zu einem Kennenlern-Call zwischen der Geschäftsführerin der Beklagten und der Klägerin am 13.06.2022.

Am 14.06.22 buchte die Klägerin sodann bei der Beklagten ein Coaching mit dem Namen "... - Coaching zum Business Aufbau" für 20.000 €. Für das Coaching wurde eine Programmdauer vom 20.06.2022 bis 19.03.2023 festgelegt. In dem Coaching geht es um Positionierung, um den Aufbau einer eigenen Facebook-Gruppe, um Interaktionsstrategien und das Durchführen von Live-Calls auf Facebook, um den Aufbau einer treuen und kaufkräftigen Community, um das Schaffen einer Verbindung zur Community und um das Thema Copywriting, um eigene Angebote gewinnbringend zu verkaufen.

In der am 14.06.2022 von den Parteien Unterzeichneten Kundenvereinbarung wurde folgender Leistungsumfang festgelegt.


A.

Die Klage ist zulässig und aber unbegründet.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht München sachlich und örtlich zuständig.

Das Landgericht ist gem. § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, 71 I GVG sachlich zuständig, weil der Streitwert gem. § 4 ZPO 20.000 € und somit mehr als 5000 € beträgt.

Das Landgericht München ist auch örtlich zuständig. Dies ergibt sich jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht aus § 26 Abs. 1 FernUSG.

I. Nach § 26 Abs.1 FernUSG wäre jenes Gericht für den Rechtsstreit zuständig, in dessen Bezirk die Teilnehmerin, hier also die Klägerin, ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin gem. § 12 ZPO ist in München, da sie dort ihren Wohnsitz hat.

Allerdings ist das FernUSG im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar. Hierfür müsste es sich bei dem Coaching durch die Beklagte um Fernunterricht handeln, was vorliegend nicht der Fall ist.

"Fernunterricht" im Sinne des § 1 Abs.1 S.1 FernUSG ist die auf vertraglicher Grundlage erfolgende entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind. Der Begriff "räumlich getrennt" wird von der bisherigen Rechtsprechung unterschiedlich ausgelegt.

1. In einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.07.2023, (Az. 304 O 277/22) wird ausgeführt dass zwar die Teilnahme mittels einer Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG anzusehen ist, da es auf den direkten Kontakt zwischen dem Lehrendem und dem Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme. Wenn man streng auf den Wortlaut abstellt bedeutet "räumlich getrennt", dass sich die Vertragspartner während des Unterrichts nicht am selben Ort aufhalten. Nach dem Wortlaut wäre also auf die physische räumliche Trennung abzustellen.

Diese Ansicht wurde auch vom OLG Köln unterstützt, das in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache von einer räumlichen Trennung ausging, wenn weniger als die Hälfte des Lehrstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt wurde (OLG Köln, Beschl. v. 24. November 2006 - 81 SsOWi 71/06 - 210 B Rn. 10). Allerdings dürfte eine solch strenge Orientierung am Wortlaut in der heutigen digitalen Zeit als veraltet anzusehen sein. Das FernUSG trat am 1. Januar 1977 in Kraft. Zu dieser Zeit gab es weder Online Coaching noch digitalen Unterricht, sodass der Gesetzgeber solche Eventualitäten damals noch gar nicht berücksichtigen konnte. Lediglich auf die räumliche Trennung im physischen Sinne abzustellen würde dem heutigen digitalen Zeitalter also nicht gerecht werden. Die Frage der Synchronität ist in einigen anderen Urteilen so entschieden worden, dass es auf eine zeitliche Komponente ankommt, nicht auf die räumliche Distanz. Das bedeutet es müsste eine zeitliche Trennung zwischen dem vom Lehrenden "Unterrichteten" und dem vom Lernenden "Gelernten" geben. Zoom Calls gelten daher immer als synchron, soweit sie live stattfinden. Was vom Lehrenden gesagt wird, wird unmittelbar durch den Lernenden aufgenommen und verarbeitet. Eine zeitliche Trennung gibt es in solchen Konstellationen nicht.

2. Dies war hier der Fall. Alle Coachings der Beklagten fanden live statt. Solch eine synchrone Anwesenheit trägt dazu bei, dass alle Teilnehmer zu Wort kommen und sich aus-tauschen können. Zwar konnten einige Seminare der Beklagten auf der Plattform nochmal zur Wiederholung abgespielt werden, was für eine zeitliche Trennung sprechen mag. Jedoch fanden die ursprünglichen Kurse in Echtzeit mit der Möglichkeit des gegenseitigen Austauschs statt. Die Tatsache, dass sich die Kunden die Aufzeichnung danach erneut ansehen konnten, beeinträchtigt die Synchronizität nicht. Eine zeitliche Trennung ist daher im vorliegenden Fall nicht gegeben, sodass die Voraussetzung des § 1 Abs.1 S.1 FernUSG vorliegt.

3. Für das Vorliegen eines Fernunterrichts müsste zudem gem. § 1 Abs.1 S.2 FernUSG eine "Überwachung des Lernerfolgs" gegeben sein.

Dieses Tatbestandsmerkmal ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen. An die Überwachung des Lernerfolgs sind demnach eher geringe Anforderungen zu stellen. Eine Überwachung des Lernerfolgs ist bereits dann als gegeben anzusehen, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlangten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden zu erhalten (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2009, III ZR 310/08, NJW 2010, 608). In dem zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Coaching Vertrag wird keine Lernkontrolle erwähnt. Die Klägerin hat hier keine Prüfungsaufgaben erhalten und hatte auch nicht die Gelegenheit sich über ihren Lernerfolg bei der Beklagten rückzuversichern. Das vorliegende Online Coaching stellt keinen Lehrgang oder ein Studium oder ähnliches dar. Zwar konnte die Klägerin bei Verständnisproblemen jederzeit bei Mitarbeitern der Beklagten nachfragen. Von der Beklagten wurde hier ein Raum für etwaige Rückfragen angeboten und ein Netzwerk zum Austausch bereitgestellt. Allerdings ist die Kontrolle des Lernerfolgs nicht als Selbstkontrolle zu verstehen. Vielmehr muss hierfür eine Kontrolle durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten stattfinden. Zusätzlich ist eine Lernerfolgskontrolle bei solchen Inhalten wie sie die Beklagte lehrt ohnehin schwer möglich. Bei dem Coaching handelt es sich um ein Programm zum Business-Aufbau mit einem Schwerpunkt auf dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung. Dieses Wissen ist einer Kontrolle nicht wirklich zugänglich. Hierbei bestimmte "Lernerfolge" zu erzielen ist ebenfalls unmöglich, da es sich im einen individuellen Fortschritt der einzelnen Teilnehmer des Coachings handelt.

4. Zudem ist das FernUSG auf Unternehmer nicht anwendbar. In der Gesetzesbegründung des FernUSG steht, dass das Gesetz Teilnehmer am Fernunterricht unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes schützen soll. Zwar handelt es sich im Coachingbereich bei den Käufern häufig um Verbraucher, die sich mit Hilfe des Coachings eine Selbständigkeit aufbauen möchten und dann gegebenenfalls bereits als Existenzgründer gelten. Dieses vermeintliche Problem lässt sich allerdings dahingehend lösen indem man auf die Verbrauchereigenschaft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt. Der Ansicht, dass das FernUSG leidglich auf Verbraucher anwendbar sein soll entspricht auch die gegenwärtige Regelung des § 3 Abs. 3 FernUSG, wonach bei einem Fernunterrichtsvertrag zu den wesentlichen Eigenschaften, über die der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch zu informieren hat, näher bezeichnete Aspekte gehören. Es bedarf somit der Entscheidung ob die Klägerin bei Vertragsschluss als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB oder als Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB gehandelt hat. Ein Unternehmer gem. § 14 BGB ist jede natürliche oder juristische Person, die am Markt planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen ein Entgelt anbietet. Der Klägerin wird seit 4 Jahren und 4 Monaten eine Unternehmereigenschaft nachgewiesen. Sie bietet im Internet ähnliche Coachings wie die der Beklagten an. Dies ergibt sich einerseits aus dem Linkedln Profil der Klägerin in welchem sie seit September 2019 als Unternehmerin gelistet ist. Zudem bietet die Klägerin einige Webinare und Live-Coachings in ihrer Facebook-Gruppe an. Weiterhin finden sich zahlreiche Angebote der Klägerin auf den Seiten ... und .... Die Klägerin ist daher als Unternehmerin gem. § 14 BGB anzusehen sodass der vorliegend geschlossene Vertrag nicht von den Regelungen des FernUSG umfasst ist.

Demnach ergibt sich die örtliche Zuständigkeit nicht aus § 26 Abs. 1 FernUSG.

II.

Allerdings ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des LG München aus § 29 Abs. 1 ZPO. Für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis ist hiernach das Gericht zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Der Erfüllungsort bestimmt sich nach § 269 BGB. Dies ist am der Wohnsitz der Beklagten also München, da hier der geschuldete Erfolg eintritt.

B.

Die Klage ist unbegründet.

I. Es kam zu einem wirksamen Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Beklagten.

1. Am 14.06.2022 unterschrieb die Klägerin die Kundenvereinbarung für das Coaching. Die Kundenvereinbarung enthielt einen Katalog mitsamt Leistungen die von der Beklagten erbracht werden sollen. Hier findet sich unter anderem die Formulierung "1:1 Coaching nach Bedarf. Die Klägerin trägt vor nichts davon gewusst zu haben, dass die Natur des Programms eher ein Gruppen Coaching darstellt. Allerdings wurde dies durch die Beklagte widerlegt, indem mehrere What's App Nachrichten sowie Facebook-Posts der Klägerin vorgelegt wurden, in denen klar ersichtlich ist, dass die Klägerin wohl wusste dass es sich hauptsächlich um Gruppen Coachings handeln würde und sie hiermit auch sehr zufrieden war. Zudem wurde im Vorfeld in der Facebook-Gruppe kommuniziert, wie die Coachings im Business ... abgehalten werden. Es war ersichtlich, dass es wöchentlich live Zoom-Calls geben wird und es einen Mitgliederbereich geben wird sowie einen ChatSupport. Die 1:1 Coachings würden nach Bedarf stattfinden, falls die Fragen in den wöchentlichen Calls oder im persönlichen WhatsApp Chat nicht gelöst werden können. Dies ist aus den von der Beklagten vorgelegten Screenshots des Facebook Chats ersichtlich. Die Klägerin hingegen kann keinerlei Beweise vorlegen, die das Gericht von Ihrer Unwissenheit bzgl. dieser Tatsache überzeugen könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Parteien über den Inhalt des Vertrags einig waren und es zu einem wirksamen Vertragsschluss gem. §§ 145,147 ff BGB gekommen ist. Ein versteckter Dissens liegt hier nicht vor.

2. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist auch nicht nichtig.

a) Der Coaching-Vertrag ist nicht aufgrund einer fehlenden Zulassung gem. §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 12 FernUSG nichtig. Der Anwendungsbereich gem. § 1 Abs.1 FernUSG ist bereits nicht eröffnet (siehe oben).

b) Es liegt auch keine Nichtigkeit des Vertrags gem. § 138 BGB vor.

aa) Der Vertrag ist nicht sittenwidrig gem. § 138 Abs.1 BGB.

Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt.

bb) Der objektive Tatbestand des § 138 BGB ist nicht erfüllt.

Bei dem Coaching-Vertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag der beiden Parteien.Es liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung vor.

Maßgeblich ist hierfür die "Grenze des Doppelten". Ein auffälliges Missverhältnis i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Wert der Gegenleistung liegt. Der Wert der Gegenleistung der Klägerin beträgt 20.000 €. Die Klägerin meint, dass die Leistungen der Beklagten um ein Vielfaches günstiger am Markt zu erhalten sind und zudem von qualifizierteren Einrichtungen mit entsprechender Zulassung angeboten werden und zudem die Möglichkeit besteht, einen qualifizierten und staatlich anerkannten Abschluss zu erhalten. Allerdings legt die Klägerin keinerlei solcher Angebote als Beweis vor. Die Klägerin trägt lediglich vor, dass sich ein Preis für ein derartiges Fernstudium auf 3.000 € beläuft. Wie oben allerdings bereits ausgeführt handelt es sich bei dem von der Beklagten angebotenen Coaching gerade nicht um ein Fernstudium weshalb die Preise hier auch nicht vergleichbar sind.

Vorliegend handelt es sich um ein 9-monatiges Coaching in dem Strategien zum Marketing, zum Content-Writing, zum Copy-Writing, zum Vertrieb des Angebots und zur Angebotserstellung aufgezeigt werden sollen. Es geht zudem um das Lösen von persönlichen Blockaden und Umsetzungsstrategien. Die Coachinginhalte sind darauf ausgerichtet, Menschen zu zeigen, wie ein eigenes Unternehmen Spaß machen kann und hohe Umsätze generieren kann. Es gibt einen durchgängigen Chat-Support auf What's App. Zudem bietet die Beklagte beinahe täglich, an manchmal sogar 2 mal täglich live Zoom Calls an bei denen die Teilnehmer am Ende Fragen stellen können. Bei Bedarf kann jederzeit um ein 1:1 Coaching gebeten werden. Dort wird jedes Mal persönlich auf die Situation und Fragen der Coachees eingegangen. Auch der persönliche WhatsApp Support mit über 700 persönlichen Nachrichten zwischen der Klägerin und der Beklagten zeigt, dass der Klägerin im vorliegenden Fall ein Hohes Maß an Unterstützung zugekommen ist. Zudem wurde in einem Urteil des OLG Köln vom 6. Dezember 2023 (OLG Köln, Urt. v. 6.12.2023 - 2 U 24/23), ein Programm von ähnlicher Dauer und sehr ähnlichem Inhalt zu dem Programm der Beklagten mit über 27.000 € Gebühr als rechtens erachtet. Das Gericht würdigte hier den Umstand, dass es sich nicht um ein Coaching handelt, dass einem Fernlehrgang an einer Hochschule nicht gleichgesetzt werden kann, sondern um einiges umfangreicher ist, als solch ein Fernlehrgang. Dies ist auch hier der Fall. Anders als bei einem Fernlehrgang wird individuell auf die Bedürfnisse der Coachees eingegangen sodass persönliche Probleme gelöst werden können. Der Preis von 20.000 € steht somit in keinem groben Missverhältnis zur Leistung der Beklagten.

c) Auch der subjektive Tatbestand des § 138 BGB ist nicht erfüllt.Es liegt kein der in § 138 Abs. 2 BGB genannten Merkmale vor.

aa) Es liegt keine Zwangslage vor.

Eine Zwangslage wäre gegeben, wenn bei der Klägerin ein zwingender Bedarf nach der Leistung der Beklagten bestanden hätte. Dies war vorliegend nicht der Fall. Es gibt einige Coaching-Anbieter die ähnliche Programme wie das der Beklagten anbieten, sodass die Klägerin sicherlich die Wahl zwischen mehreren Anbietern hatte und man folglich im vorliegenden Fall von keiner Zwangslage ausgehen kann.

bb) Es liegt kein mangelndes Urteilsvermögen der Klägerin vor. Dies wäre der Fall, wenn die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre die beiderseitigen Leistungen zu bewerten und Vor- und Nachteile des Geschäfts sachgerecht gegeneinander abzuwägen. Entscheidend ist, ob der Betroffene im konkreten Fall zu einer geeigneten Beurteilung in der Lage ist. Dies war der Fall, die Klägerin war dazu im Stande abzuwägen ob sie die Leistung der Beklagten in Anspruch nehmen möchte.

bb) Zudem liegt auch keine erhebliche Willensschwäche auf Seiten der Klägerin vor.

Eine solche wäre gegeben, wenn der Betroffene zwar den Inhalt und die Folgen des Geschäfts durchschaut, sich aber wegen einer verminderten psychischen Widerstandsfähigkeit nicht sachgerecht zu verhalten mag. Mangelndes Urteilsvermögen und Willensschwäche ergänzen sich hierbei ähnlich wie Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Die Klägerin ist alleinerziehend und trägt vor, dass sie im Januar 2022 am Ende ihrer Kräfte war, da ihre Tochter eine Krankheitsdiagnose erhalten hatte und der Druck wuchs, Geld zu verdienen.

Dies habe sie dazu animiert den Vertrag abzuschließen. Die Klägerin trägt auch vor einen Kredit in Höhe von 10.000 € extra für das Coaching aufgenommen zu haben. Diese Tatsache spräche eigentliche sehr für eine erhebliche Willensschwäche. Sich zu verschulden um ein Coaching Programm gerichtet auf Persönlichkeitsentwicklung bezahlen zu können, lässt durchaus darauf schließen, dass sich die Klägerin in einem Zustand des mangelnden Urteilsvermögens befunden hat. Allerdings legt die Klägerin keinerlei Beweise für die Existenz eines solchen Kredits vor. Vielmehr berichtete die Klägerin im Juni 2022 als sie sich bei der Beklagten vorstellte, von einem Hauptjob, in dem sie angestellt sei und von zusätzlichen Einnahmen freiberuflicher Art in Höhe von ca. 30.000 €, die sie erweitern wolle. Von finanziellen Problemen war nicht die Rede in keinem Gespräch die Rede. Auch für die von der Klägerin behauptete Privatinsolvenz liegen keine Beweise vor.

cc) Es ist keine Ausbeutung im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB gegeben.

Eine Ausbeutung wäre gegeben, wenn die Beklagte sich die Zwangslage, bzw. das fehlende Urteilsvermögen der Klägerin bewusst zu Nutze gemacht hätte und dabei Kenntnis von dem Missverhältnis der beiden Leistungen hat. Vorliegend ist keine verwerfliche Gesinnung der Beklagten erkennbar. Die Klägerin wurde beim Vertragsschluss nicht überrumpelt und musste auch keine sonderlich schnelle Entscheidung treffen. Es gab ein kostenloser Webinar, durch das potentiell interessierte Kunden das Coaching Programm testen und die Coaches kennenlernen konnten. Zudem wurde sich vor Vertragsschluss auch nochmal über Facebook ausgetauscht. Eine Ausbeutung ist auch nicht im Bezug darauferkennbar, dass die Beklagte der Klägerin mit "falscher Reklame" Hoffnungen gemacht hat. Ausdrucksweisen wie "easy-peasy" werden offensichtlich zu Werbezwecken genannt. Hierauf darf sich eine normal verständige Person nicht verlassen. Dabei ist je nach Einzelfall eine Einschätzung aus der Perspektive eines aufmerksamen, informierten, verständigen Durchschnittsverbrauchers vorzunehmen. Ein solcher ist mit der Tatsache vertraut, dass reklamehafte Anpreisungen in der Natur der Werbung liegen. Er würde die Werbung daher kritisch betrachten und nichtssagende Anpreisungen, Floskeln und Übertreibungen nicht wörtlich nehmen.

Zudem scheitert eine Ausbeutung auch bereits daran, dass die Klägerin sich in den ersten 7 Monaten des Coaching Programms als eine äußerst zufriedene Kundin gezeigt hat. Sie danke der Geschäftsführerin der Beklagten mehrmals für das tolle Coaching und berichtete in der What's App Gruppe von beruflichen Erfolgen sowie einer Verdopplung ihrer freiberuflichen Einnahmen. Diese Erfolge führte die Klägerin in mehreren Nachrichten auf das Coaching der Klägerin zurück. Lediglich in den letzten 2 Monaten des Coaching Programms zog sich die Klägerin zurück und nahm an den Gruppen Zoom Calls nicht mehr teil.

3)

Die Beklagte kann den Coaching-Vertrag auch nicht gem. § 142 anfechten, da kein Anfechtungsgrund vorliegt. Insbesondere liegt kein Eigenschaftsirrtum i.S.d. §119 Abs.2 BGB vor, da sich die Parteien in der Vereinbarung ausdrücklich auf 1:1 Coaching nach Bedarf geeinigt haben. Auch über einem persönlichen Coaching mit der Geschäftsführerin konnte die Klägerin nicht irren, da dies in der Vereinbarung nicht erwähnt wurde.

II) Da die Klage vollumfänglich abgewiesen wird stehen der Klägerin auch der geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen nicht zu. Gleiches gilt für die Nebenforderungen, welche das Schicksal der Hauptforderung teilen. Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren.


Foto(s): LL

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