LG Köln (20 O 71/23), OLG Nürnberg (8 U 114/23) u. a.: ADAC muss Abgasfälle auch bei § 25 VRB decken

  • 5 Minuten Lesezeit

Nachdem das Oberlandesgericht Hamm im März 2023 - wohlgemerkt ohne, dass der dort beklagte ADAC diese Argumentation selbst vorgebrachte - entschied, dass der "Erwerb" eines vom Abgasskandal betroffenen PKW nicht unter den Rechtsschutz nach § 25 VRB zu subsumieren sei, änderte der ADAC urplötzlich auch seine außergerichtliche Deckungsregulierung.

Neben dem bekannten - und von den Gerichten regelmäßig kassierten - Einwand der fehlenden Erfolgsaussichten verwies man nun auch darauf, dass es an den Voraussetzungen des sachlichen Versicherungsschutzes fehle. Auch, wenn dieser Rechtsansatz der jahrelangen eigenen Regulierungspraxis des ADAC widersprach, stellte der Münchener Versicherer diese Ablehnungshaltung als "bedauerlicherweise alternativlos" und "in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung" dar. Ob sich der ADAC wenigstens selbst kritisch hinterfragte, ob man die eigenen Bedingungswerke in den vergangenen 8 Jahren vielleicht nicht verstanden hatte, ist bedauerlicherweise nicht bekannt.

Diese Thematik wurde dann auch schnell in den von uns knapp 150 geführten Klageverfahren gegen den ADAC aufgeworfen. (Leider) erwartungsgemäß schlossen sich zunächst einige Gerichte übersprunghandelnd den Ausführungen aus Hamm - regelmäßig lediglich durch mehrseitiges Zitieren der Entscheidungsgründe - "nach eigener Prüfung" an. 

Auf unseren dezidierten Sach- und Rechtsvortrag hin untersuchten dann aber auch andere Gerichte die Bedingungen nochmals genauer - und widersprachen dem OLG Hamm. 

Beispielhaft sei etwa auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Köln, Urteil vom 24. Januar, Az.: 20 O 71/23 verwiesen: 

"Zunächst besteht hier grundsätzlich Versicherungsschutz für den streitgegenständlichen Versicherungsfall – den Erwerb des Fahrzeugs. Nach Auffassung der Kammer setzt § 25 VRB 2006 nämlich nicht voraus, dass für die Gewährung des Versicherungsschutzes das Fahrzeug bereits auf den Kläger zugelassen gewesen sein muss, bevor es zum Versicherungsfall kam. Dies ergibt eine Auslegung von § 25 VRB 2006. 

Allgemeine Versicherungsbedingungen, zu denen die hier in Rede stehende Klausel gehört, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2016, IV ZR 44/15 mwN). 

Zwar spricht der Wortlaut der Klausel von „zugelassenen“ Fahrzeugen, die Kammer ist allerdings nicht der Ansicht, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer dem eine zeitliche Komponente entnehmen wird (so aber OLG Hamm, Urteil vom 08.03.2023, I-20 U 110/22), sondern dass es sich vielmehr um eine Frage der generellen Zuordnung handelt. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird verstehen, dass auf ihn zugelassene Fahrzeuge, deren Eigentümer, Halter, Fahrer oder Insasse er ist, unter den Versicherungsschutz fallen. Damit erfolgt eine Beschränkung des Versicherungsschutzes, denn nicht für jedes beliebige Fahrzeug besteht der Versicherungsschutz. Was der Versicherungsnehmer aus dieser Formulierung nicht folgern wird, ist eine zeitliche Beschränkung dergestalt, dass er bis zum Zeitpunkt der Zulassung keinen Versicherungsschutz genießt. Jedenfalls im Regelfall, in dem - wie hier - Erwerb und Zulassung einen einheitlichen Vorgang bilden, führte dies zu dem Ergebnis, dass ein Schadensfall am Tag vor der Zulassung nicht abgedeckt wäre. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird aber den Erwerb und die Zulassung als einheitlichen und daher auch einheitlich versicherten Vorgang betrachten. Für eine generelle und nicht eine zeitliche Zuordnung spricht auch der letzte Halbsatz von § 25 Abs. 1 Satz 1 VRB 2006, wonach auch die zulassungspflichtigen Krafträder und Wohnmobile mitversichert sind. Bei dieser Art von Fahrzeugen ist es durchaus üblich, diese nur mit einem Saisonkennzeichen zu versehen, sie also nur für eine begrenzte Zeit im Jahr zuzulassen. Daher können zwischen dem Erwerb und der Zulassung von Krafträdern und Wohnmobilen regelmäßig mehrere Monate bis über ein Jahr liegen. Aus Sicht des Versicherungsnehmers wäre es jedoch widersprüchlich, wenn diese Fahrzeuge bereits ab dem Erwerbsvorgang unter den Versicherungsschutz fallen würden, normale PKW, die in aller Regel unmittelbar nach dem Erwerb auch zugelassen werden, jedoch nicht.

Dass die Beklagte dies bislang ebenfalls so gesehen hat, verdeutlichen die durch den Kläger als Anlage K 10 eingereichten Ablehnungsschreiben in anderen Fällen. Dort bestätigt die Beklagte mehrfach das Bestehen des Versicherungsschutzes, sofern die Zulassung alsbald auf den Erwerb folgte.

Aber auch eine systematische Auslegung spricht für die hiesige Lesart der Vorschrift. So wird in § 25 Abs. 5 b VRB als umfasster Schutz auch Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht erfasst. Auch hier wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht schlussfolgern, dass hiervon nur etwaige Streitigkeiten aufgrund von mangelhaften Reparaturen nach dem Zeitpunkt der Zulassung gemeint sein sollen. 

Er wird vielmehr der Auflistung entnehmen, dass er umfassend auch hinsichtlich des Erwerbsvorgangs versichert ist."

Mit ebenfalls überzeugenden Argumenten stellten sich in den vergangenen Monaten dem OLG Hamm u. a. entgegen:

  • AG Grimma, Urteil vom 20. Dezember 2023, Az.: 1 C 85/23  
  • AG Auerbach, Urteil vom 5. Januar 2024, Az.: 2 C 50/23  
  • LG Stuttgart, Urteil vom 10. November 2023, Az.: 3 O 42/23

Insbesondere die beiden Amtsgerichte stechen mit einem tiefgehenden Verständnis über die Auslegung von Versicherungsbedingungen heraus, was - ob der Fülle von zu erledigenden Angelegenheiten - auf dieser Instanzenebene nicht immer zu erwarten, daher umso erfreulicher, ist. 

Das OLG Nürnberg meldete in einem Hinweisbeschluss vom 25. Januar 2024 (Az.: 8 U 114/23) erhebliche Zweifel an dem Auslegungsverständnis des ADAC bzw. des OLG Hamm an:

 "Im vorliegenden Streitfall ist - nach derzeitigem Erkenntnisstand des Senats - allein (noch) entscheidungserheblich, ob der Einwand der Beklagten, ein Versicherungsfall im Sinne des vereinbarten § 25 VRB liege deshalb nicht vor, weil jener Versicherungsschutz erst mit Zulassung des Fahrzeugs auf den Versicherungsnehmer einsetze und deshalb der mehrere Tage davor liegende schuldrechtliche Erwerbsvorgang nicht innerhalb des versicherten Zeitraums liege, durchgreifend ist. Diese Rechtsfrage scheint unter Berücksichtigung des neueren Vorbringens der Klagepartei hierzu (vgl. Schriftsätze vom 18.01.2024 und vom 07.11.2023) komplex und jedenfalls nicht ohne weiteres im Sinne der Berufungsführerin (der Beklagten) entscheidbar zu sein."

Vertreten Sie Mandanten im Abgasskandal und haben Sie Schwierigkeiten mit der Regulierung der Deckung durch den ADAC? Wir helfen gerne beratend und vertretend weiter!



Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. jur. Tim Horacek

Beiträge zum Thema