Liquiditätshilfen, Corona-Bonds – und der Michel zahlt die Zeche

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Ich sage jetzt einmal etwas sehr, sehr Unpopuläres. Unpopulär deshalb, weil es als gut und nobel gilt, Menschen in wirtschaftlicher Not zu helfen. Wer sich dem verweigert, gilt als hartherzig und egoistisch.

Trotzdem:

1. Liquiditätshilfen

a) Liquiditätshilfen bekommen (nur) diejenigen Unternehmen, die coronabedingt in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Aber Corona dauert jetzt noch nicht einmal zwei Monate. Was muss man von einem Unternehmen halten, welches schon nach ein oder zwei Monaten keine Liquidität mehr hat? Zumal Zahlungen in der Regel erst zeitverzögert eingehen. Wer also im März nichts einnimmt, hat vermutlich im Februar oder davor keine Leistungen erbracht.

Wurde da in der Vergangenheit tatsächlich vernünftig und solide gewirtschaftet, oder hat ein solches Unternehmen nicht auch schon in den Monaten (und Jahren) vor Corona über oder doch zumindest hart an seiner Liquiditätsgrenze gewirtschaftet?

Oder liegt der momentane Liquiditätsengpass nicht vielmehr darin begründet, dass die (erheblichen) Gewinne der letzten Jahre schlicht an die Gesellschafter ausgeschüttet wurden?

Müssen wir wirklich Mitleid haben mit dem Konzertveranstalter, der in der Vergangenheit seinerseits keine Probleme damit hatte, uns Konzert- und Festivaltickets für teilweise weit über 100 € zu verkaufen? Oder mit dem Sportartikelhersteller, dessen In-Style-Produkte den Großteil eines Azubi-Gehalts verzehren?

Und was ist – ganz aktuell – von dem Autobauer zu halten, der für 2019 Dividenden in Milliardenhöhe an seine Aktionäre ausschüttet, unter anderem an arabische Ölscheichs, um dann 2020 offenbar wegen Liquiditätsproblemen Staatshilfen in Anspruch zu nehmen – zumindest in Form von Kurzarbeitergeld? Systemschmarotzer auf höchster Ebene, würde ich sagen.

b) Wer nicht in Liquiditätsschwierigkeiten ist, bekommt keine staatliche Hilfe. Das heißt also: Wer in der Vergangenheit im Hinblick auf sein Ausgabeverhalten vorausschauend und sparsam gehandelt hat, ist jetzt der Dumme?

Einige Mandanten haben in der gegenwärtigen Situation tatsächlich den Eindruck, der Dumme zu sein, wenn man nicht mitmacht bei dem Run auf die Staatshilfen. Es ist doch so leicht, in (vermeintliche) Liquiditätsschwierigkeiten zu kommen: Einfach für 2019 eine Gewinnausschüttung vornehmen, dann ist die Liquidität für 2020 schnell aufgebraucht. Oder einen befreundeten Kunden bitten, die Nichterteilung des (ohnehin nicht geplanten) neuen Auftrags auf Corona zu schieben.

c) Ich warne vor solchen Manipulationen. Solche Tricksereien sind unfair und illegal, auch wenn sie möglicherweise im Augenblick nicht gleich aufgedeckt werden. Unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten wäre es sehr zu begrüßen, wenn die jetzt ausgezahlten Soforthilfen zumindest im Nachhinein sorgfältig daraufhin überprüft würden, ob sie tatsächlich berechtigterweise in Anspruch genommen wurden.

d) Denn wir dürfen nicht vergessen: Das Geld für die Liquiditätshilfen muss ja irgendwo herkommen. Am Ende zahlen wir alle die Zeche. Entweder direkt durch irgendeine Art von Steuer, Beitrag oder Abgabe. Oder indirekt dadurch, dass der Staat neues Geld druckt und dadurch die Inflation in die Höhe treibt. Das geht dann zulasten der Sparer, und zwar aller Sparer. Gerade auch derjenigen, die sich in der Vergangenheit eingeschränkt haben, um gegen welche Art von Krise auch immer gewappnet zu sein.

2. Lohn ohne Arbeit

a) Wer coronabedingt nicht arbeiten kann oder muss, weil er in Quarantäne ist oder weil der Betrieb keine Aufträge mehr hat, bekommt in der Regel Entgeltfortzahlung oder Kurzarbeitergeld. Natürlich ist das eine anerkennenswerte soziale Leistung.

b) Aber was sollen eigentlich die Ärzte, Krankenpfleger und sonstigen Mitarbeiter im Gesundheitswesen sagen? Diese haben wegen Corona erhebliche Mehrarbeit zu leisten, gehen ein weit höheres Ansteckungsrisiko ein und erhalten am Ende auch nicht mehr Geld als diejenigen, die coronabedingt zu Hause bleiben dürfen.

Ist das wirklich gerecht?

3. Corona-Bonds

a) Mit Corona-Bonds würden die finanzstarken Länder finanzschwachen Ländern helfen, sich zu günstigeren Bedingungen auf dem Kapitalmarkt Kredite zu beschaffen. Corona-Bonds sind bzw. wären ein Zeichen europäischer Solidarität. Solidarität z. B. des finanzstarken Deutschlands mit seinen finanzschwächeren, coronageplagten europäischen Nachbarn. Kann man sich dem verweigern?

b) Ich denke ja. Denn warum ist Deutschland denn so finanzstark? Weil viele deutsche Arbeitnehmer für ein relativ geringes Gehalt sehr konkurrenzfähige Wirtschaftsgüter herstellen, die deutsche Unternehmen dann erfolgreich auf dem Weltmarkt verkaufen. Deshalb ist Deutschland Exportweltmeister. Soweit so gut.

Die Folge ist, dass man deutsche Güter in anderen Ländern relativ günstig erwerben kann. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es eine Untersuchung, wonach der Lebensstandard der Menschen in einigen finanzschwächeren europäischen Nachbarländern deutlich höher ist als hierzulande. In vielen unserer Nachbarländer leben mehr Menschen in eigenem Wohneigentum, ernähren sich besser und gesünder und müssen vor allem weit weniger arbeiten. Trotzdem gelten manche dieser Länder als arm und Deutschland als reich. Wir haben (bzw. hatten) Vollbeschäftigung und unsere Nachbarn eine hohe Arbeitslosigkeit.

c) Aber leben die Menschen in Deutschland deshalb besser als in den anderen europäischen Ländern? Vermutlich ist das teilweise so. Vor allem dann, wenn man es als Zeichen eines guten Lebens betrachtet, Arbeit und hohe Sparrücklagen zu haben. Vielleicht macht uns eine hohe Summe auf dem Sparkonto ja tatsächlich glücklicher als ein neuer 8K OLED-Flatscreen im Wohnzimmer oder ein neuer Panamera in der Garage? …

4. A Word of Caution

Vielleicht funktioniert das alles aber auch nur so lange, solange die Leute hierzulande das Gefühl haben, dass es sich letztendlich eben doch rächt, wenn man über seine Verhältnisse lebt, und lohnt, wenn man sparsam lebt. Krisen wie die jetzige Corona-Pandemie bergen die Gefahr, dass die Menschen diese Überzeugung verlieren; nämlich dann, wenn sie sehen, dass der andere mit seiner weniger leistungsorientierten und weniger sparsamen Lebensweise genauso gut oder vielleicht sogar besser über die Runden kommt als sie selbst.

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt



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