LKW-Maut durch EuGH teilweise gekippt - Rückforderung überhöhter Gebühren

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vereinbarkeit der LKW-Maut mit unionsrechtlichen Vorgaben vorgelegt. Insoweit wurde überprüft, ob die Berücksichtigung der Kosten für die Verkehrspolizei bei der Berechnung der  Mautgebühren gegen die Richtlinie 1999/62/EG in der Fassung der Richtlinie 2006/38/EG (Wegekosten-Richtlinie) verstößt.

Mit dem Urteil vom 28.10.2020, Az.: C-321/19, hat der EuGH festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten berücksichtigen dürfen. Hierzu gehören Baukosten, die Kosten für Betrieb, Instandhaltung und den Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Die Kosten der Verkehrspolizei fallen nach den Ausführungen des Gerichts nicht unter den Begriff der Kosten für den Betrieb im Sinne des Art. 7 Abs. 9 der Wegekosten-Richtlinie und dürfen bei der Berechnung der Mautgebühren demnach keine Berücksichtigung finden.

Das Urteil führt im Ergebnis dazu, dass die Mautgebühren, die sich für den Kalkulationszeitraum von 2007 bis 2012 aus § 14 Abs. 3 Bundesfernstraßenmautgesetz ergeben und auf dem Gutachten „Aktualisierung der Wegekostenrechnung für die Bundesfernstraßen in Deutschland“ vom 30. November 2007 beruhen, zu hoch sind und nicht in dieser Form erhoben hätten werden dürfen.

Die endgültige Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster steht zwar noch aus, der EuGH entschied aber, dass die Wirkung des Urteils zeitlich unbeschränkt sei. Mithin lässt sich die Argumentation auf die Wegekostengutachten 2013 bis 2017 und 2018 bis 2022 übertragen.

Probleme können sich allerdings in der Durchsetzung der Rückerstattungsansprüche ergeben. Diese unterliegen grundsätzlich der regelmäßigen 3-jährigen Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners Kenntnis erhält oder ohne grobe Fahrlässigkeit erhalten müsste. Ausreichend für den Beginn der Verjährung ist hierbei grundsätzlich die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen. Es ist in der Regel aber nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH 23.09.2008 - XI ZR 262/07). Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 07.12.2010 - XI ZR 348/09 kann jedoch die Rechtsunkenntnis des Gläubigers ausnahmsweise den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Dies kann im vorliegenden Fall mit guten Argumenten vertreten werden, wenn ein Oberverwaltungsgericht diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorlegt. Nach dieser Einschätzung würde die Verjährungsfrist wohl frühestens Ende 2019 mit dem Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 28.03.2019 beginnen, soweit ein Kennenmüssen etwaiger Ansprüche anzunehmen ist. Danach würden Rückerstattungsansprüche auf Basis der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31.12.2022 verjähren.

Der Fall der grob fahrlässigen Unkenntnis von Tatsachen liegt vor, wenn der Schuldner die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt hat, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und dasjenige unbeachtet ließ, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dies ist wohl spätestens mit dem Urteil des EuGH vom 28.10.2020 zu konstatieren. Danach würde die Verjährungsfrist Ende 2020 beginnen. Das Ende der Verjährung würde dann Ende 2023 eintreten.

Soweit es sich vorliegend bei den Rückerstattungsansprüchen um Schadensersatzansprüche handelt, wird man ergänzend die Verjährungsvorschriften der Sondervorschrift § 199 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen haben. Nach dessen Nr. 2 verjähren Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis. Bezogen auf den Kalkulationszeitraum von 2007 – 2010 tritt danach Verjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2037 ein. Von größerer Relevanz für den vorbezeichneten Kalkulationszeitraum 2007 – 2010 ist jedoch § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB mit einer 10-jährigen Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von ihrer Entstehung an. Schadensersatzansprüche sind entstanden, sobald der Schaden eingetreten ist. Vorliegend ist damit sehr wahrscheinlich auf die Bezahlung der überhöhten Mautgebühren an die Speditionen durch deren Kunden abzustellen. Soweit die überhöhten Mautgebühren bzw. die darauf geschuldete Leistungsvergütung für 2009 von den Kunden an die Speditionen 2010 geleistet worden sind, verjähren damit verbundene Schadensersatzansprüche zum Ablauf des 31.12.2020. Bei Zahlungen an die Speditionen im Jahr 2010 tritt für etwaige Schadensersatzansprüche nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB Verjährung mit Ablauf des 31.12.2021 ein.     

Im Zusammenhang mit der Verjährung sind viele Fragen für jeden Einzelfall zu klären. Eine pauschale Aussage kann dazu aktuell nicht getroffen werden.

Wir beraten Sie gerne über die Möglichkeit einer Rückforderung und erarbeiten mit Ihnen eine individuelle und erfolgreiche Verfahrensstrategie.

 

Team Görtz Legal

Stuttgart / Heilbronn

Wirtschaftsvertragsrecht, Produkthaftung, Produktsicherheit

www.goertz-legal.de


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dominik Görtz

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten