Mahnverfahren, das große Unbekannte

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Sie haben einen Anspruch gegen eine Person und wollen diesen geltend machen? Viele Menschen schreckt der Gedanke an das Gericht erst einmal ab. Hohe Decken in den hallenden Gerichtssälen und ebenso hohe Kosten wirken mit Sicherheit abschreckend. Vermehrt stellt man sich die Frage, ob sich das für die verhältnismäßig kleine Forderung lohnt. Und was geschieht, wenn der andere nicht leisten kann oder will? War dann alles umsonst?

Dieser Text soll Ihnen die Alternative zum klassischen Gericht zeigen, das Mahnverfahren. Hier kann kostengünstig und – im gerichtlichen Maßstab – schnell eine Forderung durchgesetzt werden. Es kann jedoch trotzdem zum Gerichtsverfahren kommen und auch beim Mahnverfahren gibt es Besonderheiten zu beachten, sodass der Austausch mit einem Fachmann stets empfehlenswert ist.

Begrifflichkeit
Zunächst muss man sich klar machen, dass das Mahnverfahren nicht identisch mit einer herkömmlichen Mahnung ist. Letztere ist unliebsam und wird zumeist von Unternehmen oder Firmen versendet, wenn offene Rechnungen nicht bezahlt wurden. Mit dieser werden Sie, wenn Sie schuldhaft auf einen fälligen Anspruch nicht leisten, in Verzug gesetzt.
Das Mahnverfahren ist hingegen ein gerichtlicher Vorgang, mit dem ein Titel erwirkt werden kann.

Rechtlicher Hintergrund
In den §§ 688 ff. ZPO findet der geneigte Interessierte die rechtlichen Grundlagen zum Mahnverfahren. Die Zivilprozessordnung führt hier schrittweise durch den Prozess.

Was wenn Sie betroffen sind?
Die genannten Vorzüge des Mahnverfahrens können aber auch gegen Sie genutzt werden. In einem solchen Fall ist die Kenntnis der Vorgänge und des Ablaufs ebenfalls zentral. Bleiben Sie in einem solchen Fall nicht untätig, öffnen Sie die Briefe des Gerichts. Suchen Sie sich anwaltlichen Beistand oder korrespondieren sie mit dem Gericht. Widerspruch und Einspruch helfen Ihnen, um nicht mit einem rechtskräftigen Titel konfrontiert zu werden.

Im Zivilrecht besteht die Möglichkeit, dass in Abwesenheit zum eigenen Nachteil entschieden wird. Jedoch ergeht solch eine Entscheidung nie, ohne dass Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Nutzen Sie diese Chance also aus und wehren Sie sich gegen den Anspruch, wenn Sie Einwände haben.

Ablauf
Zulässig ist das Mahnverfahren bei allen fälligen Ansprüchen, die auf Geldzahlung gerichtet sind, § 688 Abs. 1 ZPO. Ausnahmen existieren gegenüber Verbrauchern und bei Auslandszustellungen nach Absatz 2. Das Mahnverfahren eignet sich also für alle Privatpersonen, die einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages aktuell und ohne eigene noch zu erbringende Gegenleistung fordern.

Zuständig ist grds. das Amtsgericht, bei dem der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 689 Abs. 2 ZPO. Für Privatpersonen heißt dies, das Amtsgerichts des Wohnsitzes. Jedoch können die Bundesländer die Zuständigkeit konzentrieren, § 689 Abs. 3 ZPO. So ist in Bayern beispielsweise ausschließlich das Amtsgericht Coburg für alle Mahnverfahren im Freistaat zuständig, § 5 ZuständigkeitsVO Justiz.

Der Mahnantrag ist mit etwas Recherche schnell gestellt, es muss nur ein Formular ausgefüllt werden, § 690 ZPO. Alles läuft über Fernkommunikation. Der Schuldner wird zunächst nicht angehört, § 702 Abs. 3 ZPO. Der Anspruch ist dabei nur zu "bezeichnen", was eine geringere Anforderung gegenüber einer "Begründung" darstellt. Es erfolgt also zunächst keine inhaltliche, materiell-rechtliche Prüfung des Anspruchs durch das Gericht. 

Daraufhin wird der Mahnbescheid erlassen und dem Schuldner zugestellt, §§ 692, 693 ZPO, wenn korrekt gestellt. Dies schafft die sog. Rechtshängigkeit. Ab dann hat der Schuldner zwei Wochen Zeit, um Widerspruch einzulegen, § 694 ZPO. Damit tritt er der Zahlungsaufforderung entgegen und es muss ein streitiges Verfahren durch den Gläubiger beantragt werden. An dieser Stelle kann man es sich als Antragsteller noch überlegen, man muss dann nicht ins streitige Verfahren überleiten.

Ergeht allerdings kein Widerspruch, kann man nach Fristablauf einen Vollstreckungsbescheid beantragen, § 699 ZPO. Dieser steht einem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gleich. Sie haben also einen Titel erwirkt, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Der Schuldner kann aber noch binnen zwei Wochen Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid einlegen, §§ 700, 338 ZPO.Mit dem Einspruch wird das Verfahren von Amts wegen an das zuständige Amtsgericht abgegeben und ein streitiges Verfahren geführt.

Erfolgt kein Einspruch, da sich viele Schuldner gar nicht melden, erwächst der Vollstreckungsbescheid in Rechtskraft, §§ 700, 705, 322 ZPO. Dann kann der Schuldner grundsätzlich nichts mehr gegen den Titel unternehmen und daraus kann die Zwangsvollstreckung betrieben werden.


Fazit
Mit dem Mahnverfahren können auch Privatpersonen schnell und unkompliziert einen Titel erhalten. Die Kosten werden dem unterliegenden Schuldner im Falle des erfolgreichen Verfahrens ebenfalls auferlegt. Es gilt aber, auf Formalien zu achten und gerade nach Widerspruch oder Einspruch sollte man sich spätestens kompetenten Rechtsrat einholen. Wird man selbst als Adressat in Anspruch genommen, leitet ein Widerspruch oft ins streitige Gerichtsverfahren.

Ein Titel aus dem Mahnverfahren kann ebenso vollstreckt werden wie aus der herkömmlichen Gerichtsverhandlung. Daher ist das Mahnverfahren nicht als Nebensächlichkeit oder als unbedeutend abzutun.

Der dargestellte Überblick greift den idealtypischen Verlauf auf und behandelt Fragen wie die Abweisung des Mahnantrags und den verspäteten Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht.



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