Arzthaftungsrecht - Schmerzensgeld nach Behandlungsfehler trotz abschlägigen Gutachtens des MDK

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Landgericht Hannover
Medizinrecht – Arzthaftungsrecht – Behandlungsfehler:
Behandlungsfehlerhaft durchgeführte Rektoskopie und in diesem Zuge Annahme eines Sigmakarzinoms anstelle eines tatsächlich vorliegenden Rektumkarzinoms mit komplikationsreichem Behandlungsverlauf, LG Hannover, Az.: 6 O 167/18

Ablauf:
Bei dem Kläger erfolgte zur Abklärung suspekter Auffälligkeiten im Stuhl u.a. eine Rektoskopie mittels starrem Rektoskop. Der beklagte Gastroenterologe diagnostizierte ein Karzinom im Signum (18 cm abanal). Tatsächlich bestand die bösartige Raumforderung lediglich 7 cm abanal. Somit lag ein Rektumkarzinom und nicht das vom beklagten Gastroenterologen diagnostizierte Sigmakarzinom vor, welches anderer operativer Vorgehensweise und insbesondere anderer präoperativer  Vorbereitung (Bestrahlung) bedarf. Der zutreffende Befund zeigte sich erst im Zuge der operativen Entfernung des Tumors in der ebenfalls beklagten viszeralchirurgischen Klinik, die in Vorbereitung des Eingriffs keine eigene Diagnostik zur Lage der Raumforderung unternommen hatte und den Eingriff ohne Einwilligung des Klägers intraoperativ von einer geplanten Entfernung eines Sigmakarzinoms umstellte und den im Rektum aufgefundenen Tumor entfernte. Der Heilungsverlauf gestaltete sich komplikationsreich.    

Verfahren:
Vor gerichtlicher Inanspruchnahme war der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) des Klägers mit der Begutachtung des Vorfalles betraut gewesen. Nach der Bewertung des MDK-Gutachters sei die Befundung durch den Gastroenterologen zwar unverständlich. Einen Behandlungsfehler erkannte der MDK-Gutachter aber nicht. Auch die Behandlung des Klägers in der operierenden Klinik bewertete der MDK-Gutachter als regelhaft. Ungeachtet dessen erhob der Kläger Klage gegen den Gastroenterologen und die operierende Klinik vor dem Landgericht Hannover. Der vom Landgericht beauftragte medizinische Sachverstände gelangte in seinem Gutachten zu einer vom MDK-Gutachten deutlich abweichenden Bewertung des Sachverhalts. Die Befundung durch den Gastroenterelogen sei - so der Gerichtsgutachter - grob behandlungsfehlerhaft, die Klinik hätte vor Durchführung der Operation weitergehende Befunde erheben müssen, was unterblieben war und ebenfalls behandlungsfehlerhaft sei. Die Parteien verständigten sich daher auf eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits durch gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Einmalbetrages an den Kläger in Höhe von 50.000 EUR zuzüglich vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten. 

Anmerkungen von RA Michael Timpf:
In Arzhaftungsangelegenheiten kommt der Begutachtung durch medizinische Sachverständige zentrale Bedeutung zu. Die im außergerichtlichen Stadium der Rechtsverfolgung vielfach eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sind dabei ein hilfreiche Unterstützung der Patientenseite. Da unterschiedliche Gutachter aber - wie der Fall vor dem LG Hannover belegt -  nicht selten auch zu ganz unterschiedlichen Bewertungen der Haftungsfrage gelangen, lohnt sich im jedem Einzelfall die erneute kritische Betrachtung auch abschlägiger Gutachten durch einen erfahrenen Patientenanwalt. 

Michael Timpf

Rechtsanwalt

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Stichworte: Medizinrecht, Arzthaftung, Behandlungsfehler, Schadensersatz, Schmerzensgeld, MDK, Gutachten, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung, fehlerhaftes Gutachten, Ärztepfusch, Kunstfehler, Prozess.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten Arzthaftungsrecht, Medizinrecht

Michael Timpf

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