Messgerät Poliscan Speed ist derzeit als ungeeichtes Messgerät zu betrachten

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Das bei Bußgeldbehörden beliebe Geschwindigkeitsmessgerät „Poliscan Speed“ der Fa. Vitronic, das seit Jahren sowohl von Verkehrsjuristen als auch Sachverständigen kritisch diskutiert wird, hat weitere Mängel offenbart und muss derzeit als ungeeichtes Messgerät erachtet werden.

Jedes Geschwindigkeitsmessgerät muss eine Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) erhalten. Auf Basis dieser Bauartzulassung erfolgt sodann eine Eichung nebst regelmäßig wiederkehrenden Eichungen nach dem MessEG durch die zuständigen Eichbehörden (in NRW der Landesbetreib mess- und Eichwesen NRW, LBME NRW).

Die Bauartzulassung beinhaltet für das Messgerät „Poliscan Speed“ einen Messbereich von „50-200 m“ vor dem Gerät. Das bedeutet, bei der Messwertbildung darf das Gerät nur Messungen innerhalb dieses Bereichs berücksichtigen. Tatsächlich jedoch hat sich in diversen Verfahren bei Auswertung der Messdaten gezeigt, dass bei der Messwertbildung auch sogenannte „Rohmessdaten“ einfließen, die außerhalb dieses Messbereichs gewonnen wurden. Diese Tatsache wurde durch die PTB am 12.01.2017 sogar bestätigt.

Das bedeutet, das Messgerät ermittelt den Messwert auch aus Messdaten, die außerhalb des zugelassenen Bereichs gewonnen wurden. Um es deutlich herauszustellen: Hierbei geht es um den Kern der Geschwindigkeitsmessung, nämlich die Messwertbildung! Die Nennbetriebsbedingungen der PTB-Zulassung werden bei der Messwertbildung nicht eingehalten! Oder noch deutlicher: Die Funktionsweise des Messgerätes verstößt gegen die erteilte Bauartzulassung, welche Grundlage für die Eichung ist.

Beispielhaft seien nur die folgenden gerichtlichen Verfahren benannt, in welchen sich gezeigt hat, dass Messwerte außerhalb des zugelassenen Messbereichs berücksichtigt wurden:

AG Mannheim, Beschluss vom 29.11.2016 – 21 OWi 509 Js 35740/15;

AG Hoyerswerda, Beschluss vom 15.12.2016 – 8 OWi 630 Js 5977/16;

AG Weinheim, Urteil vom 01.09.2016 – W 1 OWi 521 Js 6893/16;

AG Weinheim, Urteil vom 01.09.2016 – W 1 OWi 521 Js 6893/16;

AG Jena, Beschluss vom 17.01.2017 – 260 Js 29690/16.

Das AG Jena wörtlich: „Damit steht fest, dass das verwendete Messgerät in einem Bereich Messpunkte nimmt und in die Geschwindigkeitsermittlung einrechnet, die außerhalb des von der PTB zugelassenen Messbereichs liegen. Dieser Messbereich ist jedoch von der PTB im Rahmen des Zulassungsverfahrens eindeutig definiert worden. Diese eindeutige Definition des Messbereiches ist daher Teil der Bauartzulassung. Und diese Bauartzulassung ist Grundlage für eine vorzunehmende Eichung des Gerätes. Wenn das Gerät aber Messpunkte nimmt und in die Geschwindigkeitsmessung einrechnet, die außerhalb dieses eindeutig definierten Messbereichs liegen, entspricht es nicht mehr der Bauartzulassung. Daher ist auch eine Eichung des MessGerätes, welche gerade eine gültige Bauartzulassung voraussetzt, hinfällig“. 

Das AG Jena hat in der Konsequenz 20 % „Toleranz“ abgezogen und dann nach § 47 Abs. 2 OwiG eingestellt, da es dann keine Ahnung mehr für erforderlich erachtete. Dies ist allerdings noch abenteuerlicher als die ganze Messthematik des Gerätes Poliscan Speed, aber immerhin originell und im Ergebnis sicherlich angemessen.

Betroffene sollten Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Poliscan Speed daher derzeit auf keinen Fall akzeptieren und sich hierzu bei einem insoweit versierten Anwalt für Verkehrsrecht beraten lassen und gegebenenfalls Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einlegen. Das Gerät kann derzeit nicht mehr als geeichtes Messgerät bezeichnet werden.


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