Mithaftung bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn

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Das OLG Koblenz hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein PKW-Fahrer auf der Autobahn die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h um 70 km/h überschritt und mit 200 km/h unterwegs war und es sodann zu einem Unfall, wesentlich verursacht durch einen unzulässigen Spurwechsel eines anderen PKW kam.

Der Fahrer eines anderen PKW hat unvermittelt und unzulässig von der Einfädelspur direkt auf die Überholspur gewechselt. .

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige legte im Rechtsstreit dar, dass der Unfall von dem PKW-Fahrer, der zuvor die Überholspur befuhr, bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h bereits durch eine mittelstarke Bremsung hätte vermieden werden können. Damit lag kein für ihn unabwendbares Ereignis vor, denn ein unabwendbares Ereignis liegt nach der Rechtsprechung des OLG und auch der Rechtsprechung des BGH nur vor, wenn der Unfall für den „Ideal-Fahrer" unvermeidbar war und sich der beteiligte PKW-Fahrer in concreto wie ein „Ideal-Fahrer" verhalten hat. Ein Ideal-Fahrer fährt stets die Richtgeschwindigkeit (vgl. BGHZ 117, 337; OLG Nürnberg in VersR 2011, 135, OLG Hamm, Urteil vom 25.11.2010 - 6 U 71710; OLG Koblenz Urteil vom 08.01.2007, 12 UF 181/05).

Im Rahmen der somit gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge hat das OLG Koblenz sodann folgerichtig einerseits das erhebliche Verschulden des PKW-Fahrers welcher den Spurwechsel begangen hatte und andererseits die von dem Pkw-Fahrer auf der Überholspur  ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen. Anders als das Landgericht zuvor kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Haftung aus der Betriebsgefahr nicht vollständig hinter dem Verschulden des „Spurwechslers" zurücktritt. Vielmehr war im vorliegenden Fall von einer deutlich erhöhten Betriebsgefahr auszugehen. Dies resultiert daraus, dass die Richtgeschwindigkeit um rund 60 % überschritten und dadurch ein erhebliches Gefahrenpotential geschaffen wurde. Die Richtgeschwindigkeit ist nämlich gerade dafür empfohlen worden, um Gefahren herabzusetzen, die auf den Betrieb eines Kraftfahrzeugs mit hoher Geschwindigkeit erfahrungsgemäß herrühren. Wer hingegen, zumal wie vorliegend bei Dunkelheit, die Richtgeschwindigkeit in massiver Art und Weise ignoriert, führt zugunsten seines eigenen schnellen Fortkommens den gegebenen Unfallvermeidungsspielraum nahezu gegen Null zurück. Eine Geschwindigkeit im Bereich von 200 km/h ermöglicht es nach Ansicht des OLG dabei in der Regel nicht mehr, Unwägbarkeiten in der Entwicklung einer regelmäßig durch das Handeln mehrerer Verkehrsteilnehmer geprägten Verkehrssituation rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Diese Gefahr hat sich im konkret entschiedenen Fall in geradezu klassischer Weise verwirklicht. 

Das OLG nahm im Ergebnis von einer Mithaftung in Höhe von 40 % an. Das OLG hat sich hierbei an einer Vielzahl von Entscheidungen orientiert, die in vergleichbaren Fällen zu vergleichbaren Haftungsverteilungen gelangt sind (siehe hierzu Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, S. 148 ff.).

(vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 14.10.2013 - 12 U 313/13) 



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