Mobbing auf der Arbeit - Das können Sie tun!

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Mobbing am Arbeitsplatz betrifft in Deutschland jedes Jahr rund 1 bis 2 Millionen Arbeitnehmer. Die Liste der gesundheitlichen Auswirkungen bei den Betroffenen ist lang und reicht von Schlafstörungen bis zu posttraumatischen Belastungsstörungen, die man sonst eigentlich nur von Soldaten nach Kriegseinsätzen kennt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Mobbing am Arbeitsplatz bei 80 Prozent aller Betroffenen negative Auswirkungen auf Familie und Beruf hat.

Es gibt bei Mobbing am Arbeitsplatz eine ganze Reihe Handlungsoptionen für die Betroffenen. Welche davon Erfolg versprechen ist immer eine Frage des Einzelfalls. Es gibt keine zwei Mobbingfälle, die genau gleich sind. Das liegt daran, dass zum einen sehr viele Personen involviert sind und zum anderen keine zwei Personen immer gleich reagieren. Es gibt auch keine bestimmte Reihenfolge, in der die Handlungsoptionen angewendet werden sollten. Einzig den ersten Punkt sollten Sie immer direkt umsetzen, da ohne ihn viele der anderen Handlungsoptionen wegfallen oder erschwert werden.


1. Vorfälle notieren und Beweise sammeln!

2. Das Gespräch mit der mobbenden Person

3. Unterlassungsansprüche gegen die Mobber

4. Die Mobber anzeigen

5. Vorgesetzte einschalten

6. Kollegen als Unterstützer gewinnnen

7. Den Arbeitgeber einbeziehen

8. Den Betriebsrat hinzuziehen

9. Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung

10. Maßnahmen bei Cybermobbing

11. Nur für Sonderfälle: Die Verweigerung der Arbeitsleistung


1. Vorfälle notieren und Beweise sammeln!

Machen Sie es sich zur Gewohnheit, die Vorfälle direkt im Anschluss zu dokumentieren und nach Beweismitteln Ausschau zu halten. Bei jedem Vorfall sollten Sie folgende Punkte notieren:

1. Das Datum des Eintrags (dies sollte in der Regel der Tag des Vorfalls sein)

2. Ort und Zeit des Vorfalls

3. Der Name der mobbenden Person sowie dessen Funktion im Unternehmen (letzteres ist deshalb wichtig, weil das Verhalten bestimmter Personen dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann)

4. Die Beschreibung des Vorfalls

  • Mobbinghandlung
  • Situation im Vorfeld
  • Ihre Reaktion auf die Mobbinghandlung
  • die Auswirkungen des Vorfalls auf ihr Empfinden bzw. körperliches Wohlbefinden

5. Beweismittel

Dies können z. B. sein:

  • Zeugen
  • Ausgedruckte E-Mails
  • Screenshots bei Cybermobbing
  • Ausgedruckte Dienstpläne (wenn das Mobbing im permanenten Zuweisen nachteiliger Arbeitszeiten besteht)

Wichtig: Machen Sie alle Angaben immer so genau wie möglich und geben Sie alle Umstände des Vorfalls präzise wieder. 

Dieser Eintrag reicht nicht aus:

„Mein Vorgesetzter hat mich heute vormittag wieder wegen meiner angeblichen Unfähigkeit kritisiert.“

Richtig ist:

„Mein Vorgesetzter Herr Brennert hat mich heute um 10.53 Uhr in meinem Büro aufgesucht. Er warf einen kurzen Blick auf meinen Schreibtisch und sagte: „Sie bekommen Ihre Arbeit ja mal wieder überhaupt nicht auf die Reihe. Aber was soll man von Frauen Ihres Alters auch erwarten.“

Es werden viele Fälle auftreten, bei denen es keine Beweismittel geben wird. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Ihre Aufzeichnungen können trotzdem gut für die Gespräche mit dem Vorgesetzten und dem Arbeitgeber verwendet werden.

Wichtig: Was Sie niemals tun dürfen, ist Gespräche aufzuzeichnen, ohne dafür die Genehmigung aller beteiligten Personen zu haben!


2. Das Gespräch mit der mobbenden Person

Durch das Gespräch mit dem Mobber wird das Mobbing nur sehr selten beendet werden. Trotzdem sollten Sie sich überlegen, dieses Gespräch zu führen.

Der Grund ist, dass Sie sich damit oftmals die Tür zu den nächsten hierarchischen Ebenen öffnen. Wenn Sie dieses Gespräch nicht führen und später Ihren Vorgesetzten um Unterstützung bitten, wird dieser Sie immer fragen, ob Sie denn schon das Gespräch mit dem Kollegen gesucht haben. Viele Vorgesetzte wissen schlicht nicht, dass beim Mobbing ein Gespräch mit dem Mobber nichts bringt.

Wichtig: Teilen Sie dem Mobber im Gespräch niemals mit,

  • welche Handlungen von ihm sie besonders hart getroffen haben und
  • welche Schritte Sie als nächstes vorhaben.

Wenn der Mobber von Ihnen hört, womit er Sie am meisten getroffen hat, so wird er diese Information gegen Sie verwenden. Rutscht Ihnen im Gespräch ein Satz heraus wie "Wenn du damit nicht aufhörst, gehe ich zum Chef", so dürfen Sie darauf wetten, dass der Mobber kurz danach selbst beim Chef vorbeischaut und ihm ausführlich darlegt, dass Sie völlig inkompetent, überdreht und nicht kritikfähig sind.


3. Unterlassungsansprüche gegen die Mobber

Wenn Mobbinghandlungen die Schwelle zu Rechtsverletzungen überschreiten (z. B. durch Beleidigung oder Verleumdung), gibt es die Möglichkeit, direkt gegen die mobbende Person vorzugehen und diese zu zwingen, derartige Aussagen oder Handlungen in Zukunft zu unterlassen. Leider kann man über einen Unterlassungsanspruch nicht durchsetzen, dass generell alle möglichen Mobbinghandlungen zu unterlassen sind. Dies wäre rechtlich gesehen zu unbestimmt.

Bei der Entscheidung darüber, ob Unterlassungsansprüche gegen die Mobber durchgesetzt werden sollen, ist zu bedenken, ob ihr Verhalten von Vorgesetzten und Kollegen als angemessen oder als Überreaktion angesehen werden wird.


4. Die Mobber anzeigen

Es gibt im Strafgesetzbuch leider noch keinen eigenen Straftatbestand für Mobbing. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Straftatbeständen, die beim Mobbing in Frage kommen können:

  • Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung § 185 ff. StGB 
  • Sachbeschädigung, § 303 StGB 
  • Diebstahl, § 242 StGB 
  • Nötigung, § 240 StGB 
  • Bedrohung, § 241 StGB 
  • Körperverletzung, § 223 StGB 

Ob es Sinn macht, eine Tat anzuzeigen, hängt vor allem von der Beweislage ab. Wenn absehbar ist, dass die Straftaten nicht nachgewiesen werden können, weil Sie keine zuverlässigen Zeugen oder andere Beweismittel benennen können, sollten Sie davon absehen. Sonst können Sie sogar Gefahr laufen gekündigt zu werden.

Der Grund für die drohende Kündigung liegt darin, dass der betroffene Arbeitnehmer sein Vertrauensverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber erheblich stört, wenn er leichtfertig andere Angestellte des Unternehmens einer Straftat bezichtigt. Dabei gehen einige Gerichte davon aus, dass eine leichtfertige Bezichtigung schon dann vorliegt, wenn sich die von den Betroffenen genannten Zeugen später nicht mehr an den Vorfall erinnern können.

Bei der Entscheidung über eine Strafanzeige ist zudem die Reaktion der Mobber zu bedenken, wenn sie von dem Strafantrag erfahren sowie ihre Reaktion auf das Urteil des Gerichts.


5. Vorgesetzte einschalten

Bei fähigen Vorgesetzten, denen das Wohl ihrer Mitarbeiter am Herzen liegt und die wissen, was bei Mobbing zu tun ist, können Sie sich glücklich schätzen und einfach um Hilfe bitten. Derartige Vorgesetzte sind aber leider nicht die Regel. In einem Drittel aller Fälle gehören die Vorgesetzten selbst zum Kreis der Mobber. Zudem sind nur wenige im Umgang mit Mobbing geschult und wissen, was zu tun ist. Daher sind wenig hilfreiche Aussagen wie „Die Lage ist für uns alle gerade stressig genug, da werde ich mich nicht auch noch mit solchen Kleinigkeiten abgeben“ keine Seltenheit.

Sofern Sie nicht sicher wissen, ob der Vorgesetzte Ihnen hilfreich zur Seite stehen wird, sollten Sie sehr vorsichtig an das Gespräch herangehen.


6. Kollegen als Unterstützer gewinnen

Ihnen wohlgesinnte Kollegen sind bei Mobbing extrem hilfreich:

  • Sie haben jemanden zum Aussprechen, der mit der Situation am Arbeitsplatz vertraut ist,
  • Sie bekommen über diese Kollegen Informationen, von denen die mobbenden Personen Sie ausschließen wollen,
  • Sie können Sie bei Gesprächen mit Vorgesetzten und dem Arbeitgeber unterstützen,
  • Sie können als Zeugen für die Vorfälle dienen.

Es kann schwierig sein, Kollegen zu finden, die einen unterstützen. Dies ist für die Betroffenen außerordentlich frustrierend, da jede Absage das Gefühl vermittelt, einen einsamen Kampf gegen das Mobbing zu führen. Lassen Sie sich davon aber nicht entmutigen!


7. Den Arbeitgeber einbeziehen

Ihr Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht für die in seinem Unternehmen tätigen Arbeitnehmern verpflichtet, Sie vor Mobbing zu schützen. Allerdings haben Sie keinen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber darf selbst entscheiden, auf welche Weise er gegen das Mobbing vorgehen will. Maßnahmen des Arbeitgebers können sein:

  • Rüge bzw. Ermahnung
  • Abmahnung
  • Versetzung
  • Kündigung.

Wie Sie sehen, hat Ihr Arbeitgeber eine ganze Reihe von Mobbing-Abwehrmaßnahmen zur Verfügung, mit denen er Ihnen helfen kann. Ergreift Ihr Arbeitgeber gar keine oder nur völlig untaugliche Maßnahmen, so besteht die Möglichkeit, ihn gerichtlich zu einem wirkungsvollen Handeln gegen die Mobber zu zwingen.

Auch beim Hinzuziehen des Arbeitgebers gilt es wieder einige Fallstricke zu beachten: Arbeitgeber neigen in der frühen Phase des Mobbings dazu, das Problem als Kleinigkeit abzutun oder das Mobbing komplett zu leugnen. Sofern das Mobbing schon eine Zeit lang andauert und es mehrere Personen gibt, die sich auf die Seite des Mobbers geschlagen haben, kann es aus Sicht des Arbeitgebers einfacher sein, den eh schon angeschlagenen Betroffenen zur Kündigung zu bewegen, als sich mit der Vielzahl der Mobber auseinanderzusetzen.


8. Den Betriebsrat hinzuziehen

Der Betriebsrat kann Ihnen auf zwei Arten helfen: Er kann im konkreten Mobbingfall auf den Arbeitgeber einwirken und er kann allgemein auf den Abschluss einer Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarung hinarbeiten.


a) Möglichkeiten des Betriebsrats im konkreten Mobbingfall

Der Betriebsrat hat genauso wie der Arbeitgeber die Pflicht, die Betroffenen vor Mobbing zu schützen. Da der Betriebsrat aber natürlich nicht immer alles von selbst mitbekommt, können sich die Betroffenen im Wege einer sogenannten „Beschwerde“ nach § 84 BetrVG an den Betriebsrat wenden.

Um den betroffenen Arbeitnehmern zu helfen, kann der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber darauf hinwirken, geeignete Maßnahmen gegen das Mobbing zu ergreifen. Sofern der Arbeitgeber untätig bleibt oder der Betriebsrat die Maßnahme des Arbeitgebers für unzureichend hält, so kann er den Fall vor die Einigungsstelle bringen.

Bei der Hinzuziehung des Betriebsrates ist zu bedenken, dass die Betriebsratsmitglieder keiner Schweigepflicht unterliegen und es sein kann, dass diese Informationen an die Mobber weitergeben. Zudem sollte vorher abgewogen werden, ob es zweckmäßiger ist, selbst an den Arbeitgeber heranzutreten oder den Betriebsrat dies übernehmen zu lassen.


b) Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarungen

Um allgemein Mobbing entgegenzuwirken kann der Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Mobbing abschließen. Eine solche Betriebsvereinbarung hat den großen Vorteil, dass

  • den Führungskräften eine klare Vorgabe gemacht wird, wie sie auf Mobbing zu reagieren haben und
  • allen Mitarbeitern des Unternehmens klar gemacht wird, dass Mobbing nicht toleriert wird.


9. Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung

Wenn Sie durch das Mobbing einen Schaden erleiden, hat Ihnen der Arbeitgeber diesen in der Regel zu ersetzen. Am häufigsten geht es dabei in der Praxis um die Differenz zwischen Gehalt und Krankengeld.

Daneben können Sie in vielen Fällen auch noch eine Entschädigung dafür bekommen, dass Sie unter der Mobbingsituation zu leiden hatten. Ob es eine solche Entschädigung gibt und in welcher Höhe diese ausfällt, hängt vor allem davon ab, wie schwer die Beeinträchtigungen waren und wie lange das Mobbing angedauert hat.

Beispiele:

  • LAG Berlin-Brandenburg: Erschwerung oder Verhinderung der nach der Aufgabenbeschreibung notwendigen Kommunikation mit anderen Mitarbeitern des Unternehmens + kein Namensschild an der Tür des Büros: 7.000 €.
  • LAG Rheinland-Pfalz: Über 2 Jahre hinweg keinerlei Übertragung von Aufgaben, trotzdem Anwesenheitspflicht während der ganzen Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden am Arbeitsplatz: 25.000 €.
  • LAG Köln: Über ca. 2 Jahre Entzug eines wesentlichen Teils des Aufgabengebietes ohne Übertragung von Ersatzaufgaben, obwohl für die Tätigkeit weiterhin Bedarf bestand: 3.000 €.
  • LAG Berlin: Zuweisung eines 4 m² großen Büros, diskriminierende Äußerungen und mehrfache Abmahnungen: 8.000 €.


10. Maßnahmen bei Cybermobbing

Mobbing hat durch Social Media eine neue Dimension erreicht. Vor allem dadurch, dass es die Möglichkeit gibt, sich hinter Fake-Profilen zu verstecken. Dies macht es schwieriger, gegen den Mobber vorzugehen.

Glücklicherweise gibt es seit 2018 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken. Seitdem kann man bei Straftaten wie „Beleidigung“, „Üble Nachrede“ und „Verleumdung“ (also gerade den typischen Straftaten bei Mobbing) vom Anbieter des sozialen Netzwerks Auskunft darüber verlangen, wer die Rechtsverletzung begangen hat.  

Bei Cybermobbing reicht es für den Betroffenen in der Regel nicht aus, dass der Mobber nur weitere Mobbinghandlungen unterlässt. Die bisherigen Aussagen würden dann ja trotzdem weiter in den sozialen Netzwerken stehen. Daher hat der Betroffene neben dem Unterlassungsanspruch auch einen Anspruch auf Löschung - und zwar nicht nur gegen den Mobber, sondern auch gegen den Seiteninhaber sowie in einigen Fällen gegen die Betreiber der großen Suchmaschinen.


11. Nur für Sonderfälle: Die Verweigerung der Arbeitsleistung

Es ist grundsätzlich im Gesetz vorgesehen, dass Sie die Arbeit verweigern können, wenn Ihr Arbeitgeber Sie nicht ausreichend vor rechtswidrigen Übergriffen schützt. Die Sache hat nur einen großen Haken: Ihr Arbeitgeber kann Sie wegen des Fernbleibens von der Arbeit kündigen, sofern er Ihr Fernbleiben als ungerechtfertigt ansieht. Dann hängt ihr Arbeitsplatz beim darauffolgenden Kündigungsschutzprozess am seidenen Faden.


Ich berate bundesweit Arbeitnehmer, die von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen sind. Sie erreichen mich über das unten stehende Kontaktformular oder telefonisch: 02238 461 929. Eine ausführliche Beratung biete ich an zum Festpreis von 160 €.

Foto(s): www.123rf.com/profile_andreypopov

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