Mutterschutzlohn: keine Benachteiligung bei saisonal schwankenden Einkünften

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Geht es um Mutterschutzlohn und darum, wie hoch der Mutterschutzlohn nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) ausfällt, sind die letzten drei Monate vor Beginn einer Schwangerschaft für die Berechnung relevant. Bei Frauen mit festem monatlichem Einkommen bzw. geringem Anteil variabler Vergütung ist das kein Problem. Anders sieht es aus, wenn der variable Anteil an der Vergütung hoch ist und zudem saisonal (stark) schwankt.

Aktuelles Urteil zum Mutterschutzlohn

So erscheint ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu diesem Thema längst überfällig. Das Urteil stellte nun klar: Saisonale Schwankungen des Lohnes im Verlaufe eines Kalenderjahres dürfen nicht zu einer Benachteiligung einzelner Arbeitnehmerinnen führen (BAG, Urteil v. 08.04.22, Az.: 5 AZR 305/22).

Was ist Mutterschutzlohn?

Mutterschutzlohn beziehen schwangere Arbeitnehmerinnen, die aber wegen einer erhöhten Gefahr für Leben und Gesundheit einem Beschäftigungsverbot unterliegen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem betrieblichen und einem ärztlichen Beschäftigungsverbot. Voraussetzung für einen Anspruch auf Mutterschutzlohn aufgrund eines ärztlichen Beschäftigungsverbotes ist ein ärztliches Attest über das Beschäftigungsverbot, das insbesondere Folgendes enthalten sollte:

  • den Zeitraum des Beschäftigungsverbots,
  • den Umfang des Beschäftigungsverbots sowie

Informationen darüber, welche Tätigkeiten weiterhin möglich sind bzw. welche konkreten Tätigkeiten der Frau zu einer Gefährdung führen können, welche Tätigkeiten die Arbeitnehmerin nicht mehr ausführen darf und ob ggf. leichtere Arbeiten oder verkürzte Arbeitszeiten zulässig sind. Auf Grundlage des Attests wird entschieden, ob die Schwangere dann einem vollständigen Beschäftigungsverbot unterliegt oder nur bestimmte Aufgaben nicht übernehmen kann – ob sie also komplett freigestellt werden muss oder ggf. anderweitige Aufgaben übernehmen kann.  

Kann eine Schwangere in Folge der Schwangerschaft nicht arbeiten, erhält sie bis zum Beginn des Mutterschutzes Mutterschutzlohn als Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Mit Beginn des gesetzlichen Mutterschutzes erhält die Frau dann Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse.

Wie hoch ist der Mutterschutzlohn?

Der Mutterschutzlohn entspricht dem durchschnittlichen Brutto-Lohn der Frau vor Beginn der Schwangerschaft. Wird der Lohn monatlich ausbezahlt, ist der Durchschnitt der drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft relevant, § 18 MuSchG.

Genauere Vorgaben für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts finden sich außerdem in § 21 MuSchG. Hier ist u. a. geregelt, dass

  • z. B. einmalige Zahlungen (z. B. Prämien) bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden und
  • dass u. a. Kürzungen des Entgelts beispielsweise wegen Kurzarbeit unberücksichtigt bleiben.

Nicht ausdrücklich geregelt ist allerdings, wie bei der Berechnung des Mutterschutzgeldes mit einem über das Jahr stark schwankenden Entgelt umzugehen ist. Insofern verwundert es nicht, dass ein Rechtsstreit über einen Fall, in dem die Schwangere saisonal stark schwankende Einkünfte hatte, „durch die Instanzen ging“. Denn für diese Situation existierte bis dato schlichtweg keine Regelung.

Rechtsstreit wegen saisonal schwankender Einkünfte vor dem BAG

Vor Gericht stritt eine Flugbegleiterin mit ihrem Arbeitgeber über die Höhe des Mutterschutzlohnes. Die Frau erhielt vom Arbeitgeber ein fixes Basisgehalt, zusätzlich Entgelt für zusätzliche Flugstunden und Provisionen für Bordverkäufe.

Dieses variable Einkommen schwankte jedoch stark: Zwischen Mai und Dezember 2018 betrugen die zusätzlichen Einkünfte zwischen knapp 400 und bis zu 900 Euro im Monat. Anders zwischen Januar und April 2019. Hier kamen maximal Bordverkaufsprovisionen von etwas über 50 Euro im Monat zustande. Nur war die Frau im Mai 2019 schwanger geworden, für die Zeit der Schwangerschaft kam es zum Schutz des Kindes und der werdenden Mutter zu einem arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverbot.

Der Arbeitgeber zahlte Mutterschutzlohn und legte bei der Berechnung die drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft zugrunde – also drei der sehr umsatzschwachen Monate im Jahr 2019. Damit war die Frau nicht einverstanden. Sie sah sich durch den zufälligen Zeitpunkt der Schwangerschaft gegenüber anderen benachteiligt. Sie klagte deswegen auf höheren Mutterschutzlohn und einen höheren Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Es müsse bei so starken Schwankungen in der Vergütung ein längerer Zeitraum als drei Monate berücksichtigt werden.

BAG-Urteil: Zeitraum von zwölf Monaten bei starken Schwankungen relevant

Und sie bekam Recht. Das Gericht dazu: Wenn der dreimonatige Bezugszeitraum in Fällen „außergewöhnlich schwankenden Arbeitsverdienstes“ das Einkommen nicht zutreffend abbilde, sei die maßgebliche Periode für die Berechnung des Mutterschutzlohnes ausnahmsweise auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum anzupassen. Dieser Grundsatz gelte außerdem für den Arbeitgeber-Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Die Auswirkungen des Urteils

Das BAG hat hier ein Grundsatzurteil gefällt, das Arbeitgeber bzw. HR-Abteilungen unbedingt im Blick behalten sollten. Arbeitgeber sollten bei der Berechnung des Mutterschutzlohnes immer prüfen, wie stark das Einkommen in den letzten zwölf Monaten vor Beginn der Schwangerschaft saisonal schwankte. Bei stark schwankenden Einkommen wegen saisonal unterschiedlicher variabler Lohnbestandteile sollte der Mutterschutzlohn direkt anhand des Durchschnitts aus zwölf Monaten berechnet werden, um unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

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Ihr Christian Seidel

Christian Seidel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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Foto(s): Adobe Stock

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