Nach EuGH-Urteil: Widerruf zahlreicher Kreditverträge noch möglich

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Da die von zahlreichen Banken in Kreditverträgen verwendeten Klauseln zum Verzugszins oder zur Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind, wurde die Widerrufsfrist nie in Lauf gesetzt (EuGH vom 09.09.2021 – C-33/20, C-155/20, C-187/20), sodass sehr viele Verbraucherdarlehensverträge nach dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch Jahre nach Abschluss widerruflich sind.

„Das Urteil des EuGH hat es in sich und verleiht dem Widerruf von Darlehen frischen Rückenwind. Zahllose Verbraucherdarlehen zu denen beispielsweise auch Autokredite zählen, können noch widerrufen werden, weil die Bank fehlerhafte Klauseln verwendet hat. Durch den Widerruf können die Verbraucher von den aktuellen Niedrigzinsen profitieren oder in vielen Fällen auch aus dem Kaufvertrag für ihr Auto aussteigen. Das kann gerade in Zeiten des Dieselskandals und in Regionen mit Fahrverboten sehr interessant sein“, sagt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Stuttgart.

Vor dem EuGH ging es um Kreditverträge der VW-Bank, Skoda Bank und der BMW-Bank. Das Landgericht Ravensburg hatte dem EuGH strittige Fragen zum Widerruf vorgelegt und die Luxemburger Richter entschieden verbraucherfreundlich. Der Widerruf sei auch Jahre nach Abschluss des Vertrags noch möglich, wenn die Bank unzureichende Angaben gemacht hat – und das war gleich an mehreren Stellen der Fall.

So bemängelte der EuGH die Angaben zu den Verzugszinsen. Der Verzugszins müsse mit einem konkreten Prozentsatz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses angegeben werden. Ebenso müsse konkret beschrieben werden, wie sich der Verzugszins anpasst und es müsse die Berechnungsmethode für den Verbraucher verständlich dargestellt werden. „Die Banken haben vielfach nur allgemein angegeben, dass der Verzugszins beispielsweise 5 Prozent über dem Basiszinssatz liegt. Das ist nach der Rechtsprechung des EuGHs nicht ausreichend“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.

Außerdem stellte der EuGH klar, dass im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens die Bank dem Verbraucher klar und verständlich darlegen muss, wie sich die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet, und sich nicht in abstrakten Formulierungen verlieren. Rechtsanwalt Staudenmayer: „Für den Verbraucher muss klar sein, wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung bei der vorzeitigen Ablösung des Darlehens ausfällt.“

Der EuGH machte zudem deutlich, dass im Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren anzugeben sind. Ein bloßer Verweis auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung reiche nicht aus.

Banken erkannten bislang einen Widerruf häufig mit der Begründung nicht an, dass das Widerrufsrecht verwirkt sei oder rechtmissbräuchlich ausgeübt wurde. Hier machte der EuGH den Banken einen dicken Strich durch die Rechnung. Es liege weder eine Verwirkung des Widerrufsrechts vor noch könne die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Banken unzureichende Angaben in den Kreditverträgen gemacht haben.

„Der EuGH hat die Verbraucherrechte beim Widerruf ganz entscheidend gestärkt. Fehlerhafte oder unzureichende Angaben sind fast allen Banken unterlaufen. Ein sehr großer Teil dieser Kreditverträge dürfte noch widerrufbar sein. Ausgenommen sind lediglich Immobiliendarlehen mit grundpfandrechtlicher Absicherung“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.

Besonders interessant kann der Widerruf bei Autokrediten sein. Hier liegt zwischen Kaufvertrag und Kreditvertrag meistens ein sog. verbundenes Geschäft vor. Das bedeutet, dass nach einem erfolgreichen Widerruf beide Verträge rückabgewickelt werden. Der Verbraucher gibt dann das Auto an die Bank und erhält im Gegenzug seine geleisteten Raten inkl. Anzahlung zurück.

Mehr Informationen: https://www.ra-staudenmayer.de/widerruf-autofinanzierung


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