Nachträgliche Feststellung der fehlenden Testierfähigkeit

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Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kann ein Testament nicht errichten, wer infolge einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ausnahmsweise kann durch einen Sachverständigen eine solche krankhafte Störung auch nach dem Tod festgestellt werden, wenn für den Sachverständigen ein ungewöhnlich reichhaltiges, authentisches Material für die Begutachtung zur Verfügung steht.

Sachverhalt (OLG München, 09.06.2021, 7 U 4638/15)

Der Vater der Klägerin war verstorben und setzte diese mit Testament zur Alleinerbin ein. Der Beklagte ist der einzige weitere Abkömmling des Erblassers und hält das Testament wegen § 2229 Abs. 4 BGB für unwirksam mit der Folge, dass die Geschwister jeweils zu 1/2 Erben wären.

Nachdem zunächst das Amtsgericht der Klägerin Recht gab, erteilte das Oberlandesgericht München dem eine Absage und erklärte das Testament für unwirksam. Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann eine Person, welche infolge einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von dieser abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zu diesem Ergebnis kommt das OLG aufgrund eines Sachverständigengutachtens. Nach diesem habe der Erblasser an einer chronischen paranoiden Schizophrenie gelitten.

Der Erblasser habe einige Bücher verfasst, welche eine Störung nahelegen. Eine Diagnosenstellung sei ausnahmsweise auch post mortem möglich, da für den Sachverständigen ein ungewöhnlich reichhaltiges, authentisches Material für die Begutachtung zur Verfügung stand. Deshalb sei es für diesen möglich gewesen, anhand der schriftlichen Unterlagen die Überzeugung zu bilden, dass der Erblasser nach § 2229 Abs. 4 BGB nicht testierfähig war. Ebenfalls habe eine DVD mit einem Fernsehinterview des Erblassers vorgelegen. 

Das OLG sei deshalb mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände und Indizien zu dem Ergebnis gekommen, dass die diagnostizierte Schizophrenie durch den Sachverständigen überzeugend festgestellt worden sei.

Auswirkungen auf die Praxis

Nach dem OLG komme es auch nicht darauf an, dass der Erblasser gute Gründe für die Enterbung gehabt hat (gestörtes Vater-Sohn-Verhältnis). Es komme allein darauf an, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht in der Lage war, die Reichweite seiner Erklärung zu erkennen. Bei der Errichtung des Testaments ist es deshalb in problematischen Fällen immer zu empfehlen, zu dem Testament eine gutachterliche Stellungnahme eines Arztes hinzuzufügen, die eine Testierfähigkeit bescheinigt.

Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler

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