Neueres zum Recht des eigenen Kfz-Versicherers wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort

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Zu diesem Thema finden Sie bereits eine Veröffentlichung von mir weiter unten aus dem September 2016. Es gibt zwei neuere Entscheidungen hierzu, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, da sie zueinander sehr unterschiedlich sind und aufzeigen, dass die Rechtsprechung nicht einheitlich ist.

1. Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2017 – 20 S 101/16

Der klagende Versicherer verlangte Regresszahlung nach Ausgleich eines Verkehrshaftpflichtschadens. Die beklagte Fahrzeugführerin, die VN, fuhr nach einem Verkehrsunfall ohne anzuhalten weiter. Gegen sie erging ein Strafbefehl wegen Unfallflucht. Der klagende Versicherer regulierte den Schaden des Unfallgegners. Gegenüber der VN versagte der Versicherer den Versicherungsschutz wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung (Unfallflucht) und forderte die VN auf, den an den Unfallgegner geleisteten Schadensersatz zurückzuzahlen. Die VN verweigerte die Regresszahlung. Das zunächst angerufene Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das angerufene Landgericht Karlsruhe hat sodann in zweiter Instanz die Klage des Versicherers abgewiesen.

Es war zwar unstreitig, dass die Fahrzeugführerin gegen die ihr obliegende Aufklärungspflicht objektiv verstoßen hatte, indem sie sich unerlaubt vom Unfallort entfernte, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage jedoch abgewiesen, weil der Fahrzeugführerin der Nachweis gelungen war, dass der zwar objektive Verstoß gegen die Aufklärungspflicht weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung und den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. Dieser Nachweis war ihr auch nicht auf Grund arglistigen Verhaltens verwehrt. Denn der Versicherer konnte nicht nachweisen, dass die Fahrzeugführerin arglistig gehandelt hatte.

Arglist in diesem Sinne setzt nämlich neben einer vorsätzlichen objektiven Verletzung der Aufklärungspflicht auch voraus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem eigenen Versicherer einen Nachteil zuzufügen. Der Versicherungsnehmer muss einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dies bei einem Obliegenheitsverstoß durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort der Fall ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.

Das Landgericht Karlsruhe hat sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken angeschlossen, nach welcher allein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nicht ohne Weiteres ein arglistiges Verhalten darstellt. Die generelle Annahme von Arglist liege schon deshalb wenig nahe, so das Landgericht, weil es dem Unfallflüchtigen – soweit er sich überhaupt konkrete Gedanken macht – in aller Regel zumindest auch darum gehen wird, sich den Folgen des Unfalls zu entziehen. Damit entzieht er aber nicht nur sich selbst, sondern gleichzeitig den Haftpflichtversicherer der Unfallfolgen, handelt also gerade nicht gegen dessen Interessen. Es mag zwar sein, dass dieser Vorteil verloren geht oder sich gar in das Gegenteil verkehrt, wenn der Unfallflüchtige nachträglich ermittelt wird. Die Annahme eines hierauf gerichteten – zumindest bedingten – Vorsatzes des Unfallflüchtigen liege jedoch fern.

Soweit der Haftpflichtversicherer behauptet hat, ihm sei durch das aus seiner Sicht arglistige Verhalten der Fahrzeugführerin ein Nachteil entstanden, durfte und konnte diese den Gegenbeweis antreten. Die Klärung des Unfallablaufs wurde durch das Verhalten der Fahrzeugführerin nicht beeinträchtigt. Weil beide Fahrzeuge durch den Unfall nicht unmittelbar zum Stillstand gebracht wurden, bestand keine Unfallendstellung. Das Splitterfeld wurde durch die Unfallflucht nicht verändert.

2. Landgericht Dortmund, Urteil vom 17.08.2017 – 2 O 300/16

Hier hatte der Kaskoversicherer die Kaskoleistung dem VN verweigert, weil der Fahrzeugführer nach dem Unfall geflüchtet war. Die Klage des VN gegen den Kaskoversicherer hatte keinen Erfolg. Denn das Landgericht Dortmund führte in seinen Entscheidungsgründen u. a. aus, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer den Unfallort unerlaubt verlasse, dies regelmäßig (!) mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einhergehe, die den Kausalitätsgegenbeweis des Versicherungsnehmers unmöglich machen und damit zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen.

3. Auswertung

Die beiden hier zitierten Entscheidungen liegen auseinander. Das betrifft nicht nur das Ergebnis, sondern an sich die Herangehensweise der Prüfung. Das Landgericht Karlsruhe hat es meines Erachtens ordentlicher gemacht. Es ist nicht davon ausgegangen, dass unerlaubtes Entfernen vom Unfallort generell zu Feststellungsnachteilen des Versicherers führe. Es hat sich zunächst mit dem Vorsatz der Flüchtigen genau befasst und kam zu dem Ergebnis, dass, wer bewusst und gewollt unerlaubt den Unfallort verlässt, nicht automatisch die Feststellungen seines eigenen Versicherers erschweren will.

Und weil es die Frage der Arglist sehr genau beurteilt hat, diese letztlich ablehnte, war es der Unfallflüchtigen sodann auch möglich, den sog. Kausalitätsgegenbeweis zu erbringen, d. h. die Flüchtige durfte und konnte beweisen, dass ihre Flucht nicht zu Feststellungsnachteilen des Haftpflichtversicherers geführt hatte.

Das Landgericht Dortmund hingegen hat dem Flüchtigen von vornherein die Möglichkeit des Kausalitätsgegenbeweises abgeschnitten. Mögen die Befindlichkeiten des Gerichts angesichts des dort geschädigten Kfz, einem verleasten Pkw Ferrari, beeinflusst gewesen sein, so erscheint mir die Entscheidung im Juristischen nicht ganz einwandfrei, sondern im Verhältnis zur Karlsruher Entscheidung oberflächlich.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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