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Nutzungsausfallentschädigung in der Unfallschadensregulierung

  • 6 Minuten Lesezeit
Nutzungsausfallentschädigung in der Unfallschadensregulierung

Experten-Autor dieses Themas

Kommt es zu einem Verkehrsunfall, entstehen bei den Betroffenen zunächst viele Fragezeichen. Neben der Haftungsquote ist oft unklar, welche konkreten Positionen ersatzfähig sind. Dieser Beitrag soll speziell in Bezug auf die Position Nutzungsausfallschäden für Aufklärung sorgen. 

Nutzungsausfallschaden – was ist das überhaupt? 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs einen Vermögenswert dar. Der unfallbedingte Wegfall der Gebrauchsmöglichkeit ist deshalb als Vermögensschaden gemäß § 251 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu ersetzen. Der Anspruch wurde durch die Rechtsprechung entwickelt und ist nicht konkret im Gesetz manifestiert. 

Voraussetzungen für eine Nutzungsausfallentschädigung 

Nutzungsausfallentschädigung kann nur bei tatsächlichem Ausfall des Fahrzeugs beansprucht werden. Es ist keine fiktive Abrechnung möglich. Deshalb ist der Nutzungsausfall immer konkret nachzuweisen. Ersetzt wird der Wegfall der Gebrauchsmöglichkeit dann, wenn ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist. Dies ist anzunehmen, wenn der Geschädigte Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit hat. Im Zweifel hat der Geschädigte vor Gericht darzulegen und zu beweisen, dass beide Voraussetzungen bestanden haben. 

Nutzungswille 

Will der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich nicht nutzen, hat er keinen Nutzungswillen und dementsprechend keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Der Nutzungswille ist jedoch grundsätzlich indiziert, da das Fahrzeug üblicherweise zum Unfallzeitpunkt genutzt wurde. Deshalb muss der Schädiger beweisen, dass der Geschädigte keinen Nutzungswillen hat.  

Die Entbehrung muss für den Geschädigten „fühlbar“ sein, weil er das Fahrzeug mangels eines weiteren Kfz für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. Hat er beispielsweise einen Zweitwagen, den er nutzen könnte, muss er diesen im Rahmen der ihm obliegenden Schadensminderungspflicht nutzen. Vergleichbar ist, wenn der Geschädigte im Zeitraum der Unfallinstandsetzung im Urlaub ist und das Fahrzeug ohnehin nicht hätte nutzen können. 

Nutzungsmöglichkeit 

Die Nutzungsmöglichkeit ist nicht gegeben, wenn der Geschädigte das Fahrzeug beispielsweise aufgrund einer Verletzung ohnehin nicht hätte nutzen können. Dies spielt regelmäßig nur dann eine Rolle, wenn der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung bekannt ist, dass der Geschädigte im Zuge des Unfalls schwer verletzt wurde. Der Geschädigte ist aber grundsätzlich zur Wahrheit verpflichtet, sodass er beispielsweise auch mitteilen müsste, wenn er aufgrund eines Auslandsaufenthalts keinen Zugriff auf das Fahrzeug gehabt hätte. 

Bezifferung des Nutzungsausfallschadens 

Die Höhe des Nutzungsausfallschadens ergibt sich zum einen aus der Dauer des Nutzungsausfallzeitraums und zum anderen aus der Tagespauschale für das jeweilige Fahrzeug. Die Tagespauschalen werden üblicherweise aus dem Tabellenwerk „Sanden/Danner/Küppersbusch“ oder der Fraunhofer Liste entnommen. Die Werte in letztgenannter Liste sind geringer als jene im Tabellenwerk „Sanden/Danner/Küppersbusch“. Geschädigte bevorzugen deshalb die Werte aus „Sanden/Danner/Küppersbusch“, die Versicherer hingegen die Werte aus der Fraunhofer Liste.  

Im Zweifelsfall muss ein Gericht entscheiden, welche Werte zugrunde zu legen sind. Die Gerichte sind gemäß § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) befugt, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung über die konkrete Höhe zu entscheiden. Die Gerichte im Freistaat Sachsen nehmen meist das arithmetische Mittel aus beiden Listen an. Es ist sinnvoll, den Schadensgutachter bereits bei der Erstellung des Schadensgutachtens darum zu bitten, die Tagespauschale im Gutachten anzugeben. 

Ausgangspunkt für die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung ist die Eingruppierung des Fahrzeugs in die jeweilige Fahrzeugklasse. Im Tabellenwerk „Sanden/Danner/Küppersbusch“ werden die Fahrzeuge anhand der wertbildenden Merkmale in Gruppen zugeordnet. Nach der Einordnung in die Gruppe spielt das Fahrzeugalter noch eine wertbildende Rolle. Je nach Alter des Fahrzeugs rutscht es in eine niedrigere Gruppe, was eine geringere Tagespauschale bedingt. 

Nutzungsausfalldauer 

Um die konkrete Nutzungsausfalldauer zu bestimmen, muss zwischen Reparaturschaden und Totalschaden differenziert werden. 

Reparaturschaden 

Für die Dauer der Reparatur einschließlich der Ersatzteilbeschaffung besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Der Zeitraum ist durch einen Reparaturablaufplan der Werkstatt nachzuweisen. Lässt man das Fahrzeug nicht reparieren, sondern rechnet den Reparaturschaden fiktiv ab, ist die Reparaturdauer laut Schadensgutachten maßgeblich. Jedoch ist auch dann nachzuweisen, dass das Fahrzeug tatsächlich instand gesetzt wurde. Verzögert sich die Reparatur, beispielsweise weil Ersatzteile nicht zeitnah verfügbar sind, geht das zulasten des Schädigers. Er trägt das sogenannte Prognoserisiko. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, ob der Geschädigte seine Schadensminderungspflicht erfüllt hat, er also alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Reparatur voranzutreiben. Sollte der Geschädigte finanziell nicht in der Lage sein, die Reparatur vorzufinanzieren, muss er dies der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung mitteilen. 

Totalschaden 

Im Falle eines Totalschadens ist die Nutzungsausfalldauer deckungsgleich mit dem sogenannten Wiederbeschaffungszeitraum. Dieser setzt sich zusammen aus Schadensermittlungszeitraum, Überlegungszeitraum und Wiederbeschaffungszeitraum. 

Schadensermittlungszeitraum 

Dieser beginnt mit dem Unfall und endet mit Erhalt des Gutachtens. Gibt der Geschädigte das Gutachten nicht zeitnah in Auftrag, geht das zu seinen Lasten. Eine dadurch eingetretene Verzögerung wird nicht in den Nutzungsausfallzeitraum einberechnet. 

Überlegungszeitraum 

Ab Erhalt des Gutachtens werden dem Geschädigten drei bis zehn Tage zugestanden, um eine Entscheidung zu treffen, wie er mit der Regulierung verfahren möchte. In der Rechtsprechung wird dies bei einfach gelagerten Sachverhalten jedoch regelmäßig abgelehnt. Nur in sogenannten 130 % -Fällen wird der Überlegungszeitraum zugestanden, da dem Geschädigten verschiedene Möglichkeiten der Schadensabrechnung eröffnet sind (Abrechnung als Reparaturschaden oder Totalschaden). 

Wiederbeschaffungszeitraum 

Die Wiederbeschaffungsdauer wird im Schadensgutachten vom Sachverständigen geschätzt. Meist wird sie mit 14 Tagen bemessen, wobei das der aktuellen Lage am Fahrzeugmarkt nicht entsprechen dürfte. Sollte die Ersatzfahrzeugbeschaffung länger dauern, als vom Gutachter angesetzt, muss der Geschädigte darlegen und beweisen, warum nicht schneller Ersatz beschafft werden konnte. Der Geschädigte muss nachweisen, dass er bemüht war, zeitnah ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen, aber kein adäquates Fahrzeug zur Verfügung stand. Sollte die zeitnahe Ersatzanschaffung daran scheitern, dass der Geschädigte zur Vorleistung nicht imstande ist, muss er dies zeitnah der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung mitteilen. 

Problem: Dauer des Nutzungsausfalls bei bereits bestelltem Neuwagen 

Hin und wieder kommt es vor, dass der Geschädigte bereits vor dem Unfall einen Neuwagen bestellt hat. Üblicherweise sollte das Unfallfahrzeug bis zum Lieferzeitpunkt weiter genutzt werden. Ist dies unfallbedingt nicht möglich, kann der Geschädigte grundsätzlich pauschal Nutzungsausfall bis zur Lieferung des Neuwagens beanspruchen. Eventuell muss jedoch geprüft werden, ob der Ankauf eines Interimsfahrzeugs bis zur Lieferung des Neuwagens nicht kostengünstiger wäre. 

Erfolgt die Bestellung des Neuwagens jedoch erst nach dem Unfall, kann eine daraus resultierende Verzögerung bzw. Verlängerung der Nutzungsausfallzeit nicht zulasten des Schädigers gehen. Das gilt auch dann, wenn der Neuwagenkauf ohnehin geplant war und anlässlich des Unfalls vorgezogen wurde. 

Sonderfälle: Gewerblich genutzte Fahrzeuge, Wohnmobil, Motorrad 

Hinsichtlich gewerblich genutzter Fahrzeuge muss unterschieden werden, ob das Fahrzeug selbst zur Gewinnerzielung dient (Taxi, Lkw etc.) oder nur Transportmittel ist (bspw. Dienstwagen). Im letzteren Fall ist unter den gleichen Voraussetzungen Nutzungsausfallentschädigung zu gewähren wie bei privat genutzten Fahrzeugen. Bei gewerblich genutzten Fahrzeugen wird regelmäßig der entgangene Gewinn zu ersetzen sein. 

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dient ein Wohnmobil reinen Freizeitzwecken, sodass die Voraussetzungen für eine Nutzungsausfallentschädigung nicht erfüllt sein können. Im Einzelfall kann sicherlich etwas anderes gelten. Hierzu bedarf es dann aber eines entsprechenden Vortrags gegenüber dem Ersatzpflichtigen bzw. dem Gericht. War konkret Urlaub mit dem Wohnmobil geplant und ist dies unfallbedingt nicht möglich, können beispielsweise Hotelkosten ersatzfähig sein. 

Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze gelten auch für Motorräder. Nutzt der Geschädigte das Motorrad tatsächlich zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung und hat kein weiteres Fahrzeug, kann Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bestehen. Regelmäßig dürfte ein Motorrad jedoch ebenfalls als Freizeitfahrzeug einzuordnen sein. 

Oftmals ist es ratsam, kein Ersatzfahrzeug anzumieten, da die Versicherer meist nie die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten vollständig übernehmen. Die Nutzungsausfallentschädigung wird hingegen von den Geschädigten als Bonus empfunden, da keine konkreten Kosten entstanden sind. Um mögliche Fallstricke zu vermeiden, sollte alsbald nach einem Verkehrsunfall ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden. 

Foto(s): ©Adobe Stock/snowing12

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