OLG Celle schwächt Vorstände von Aktiengesellschaften

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Widerruf der Bestellung als Vorstand erfordert keine Pflichtverletzung

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass zwischen den geschäftsführenden Organen einer Kapitalgesellschaft (Vorständen, Geschäftsführern) und den Eigentümern der Gesellschaft Uneinigkeit entsteht. Fraglich ist dann, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter den unliebsamen Organwalter abberufen können.

Rechtlich zeigt sich in den gesetzlichen Regelungen der Unterschied zwischen der eher personenbezogenen GmbH und der eher börsenorientierten Aktiengesellschaft. Während in der GmbH die Gesellschafter den Geschäftsführer nach dem Gesetz jederzeit abberufen können – sofern die Satzung zum Schutz des Geschäftsführers keine weiteren Voraussetzungen aufsetzt – macht § 84 Abs. 3 AktG das Recht zur Abberufung von dem Vorliegen eines wichtigen Grundes abhängig. Hinzu kommt, dass die Aktionäre selbst nicht die Abberufung beschließen können, sondern dass diese Kompetenz in den Zuständigkeitsbereich des obligatorischen Aufsichtsrats fällt.

Allerdings sind auch die Hürden für die Abberufung des Vorstandsmitglieds in der Praxis nicht allzu hoch, wie man einem Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 24.3.2016 (Az. 9 U 154/15) entnehmen kann.

Der klagende Vorstand war 2013 vom Aufsichtsrat der beklagten AG für die Dauer von 5 Jahren zum Vorstand bestellt worden. Der Alleinaktionär der Beklagten fasste in einer Hauptversammlung 2015 den Beschluss, dass dem Kläger das Vertrauen entzogen wird. Der Aufsichtsrat beschloss im Anschluss daran, die Vorstandsbestellung des Klägers mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund zu widerrufen.

Der Kläger wandte sich nun gegen den Widerruf seiner Bestellung als Vorstand und machte geltend, dass der Vertrauensentzug auf unsachlichen Gründen beruht habe und daher wirkungslos sei.

Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, weil der Vertrauensentzug nicht offensichtlich auf unsachlichen Gründen beruht habe, legte der Kläger Berufung ein. Das Berufungsgericht wies in dem nun veröffentlichen Hinweisbeschluss darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und der Senat daher beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Senat wies darauf hin, dass der Aufsichtsrat die Berufung jederzeit nach § 84 Abs. 3 AktG widerrufen könne, wenn ein wichtiger Grund vorläge. Der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft sei ein solcher wichtiger Grund. Die einzige Einschränkung erfahre das Recht der Hauptversammlung, das Vertrauen zu entziehen, nur insoweit, als dass der Entzug nicht auf offensichtlich unsachlichen Gründen beruhe. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen von „offensichtlich unsachlichen Gründen“ sei das Vorstandsmitglied, hier also der Kläger.

Der Senat führte des Weiteren aus, dass keine Voraussetzung sei, dass dem Vorstand ein Pflichtverstoß vorgeworfen werden müsse oder dass die Aktiengesellschaft ein Verschulden des Vorstands nachweisen könne. Daher reiche für den Entzug aus, dass das Verhältnis zwischen dem Alleinaktionär und dem Vorstand zerrüttet sei. Dies sei vorliegend gegeben.

Die Entscheidung zeigt, dass auch Vorstände von Aktiengesellschaften im Rahmen ihrer organschaftlichen Stellung nicht wesentlich besser geschützt sind als GmbH-Geschäftsführer. Jedenfalls solange es sich um Organwalter handelt, die nicht an der Gesellschaft beteiligt sind – also der typische „Fremdgeschäftsführer“ – können sie von den Gesellschaftern relativ einfach als Organe aus ihrer Position entfernt werden.

Geschützt werden Vorstand und Geschäftsführer in beiden Fällen nur durch ihre jeweiligen Anstellungsverträge. Da es sich dabei um Dienstverträge mit bestimmter Laufzeit handelt, können diese nämlich nicht ohne wichtigen Grund vorzeitig gekündigt werden. Dies führt in der Praxis dazu, dass der Vorstand oder Geschäftsführer zwar seine organschaftliche Stellung verliert, dass der Anstellungsvertrag aber noch mindestens bis zur nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit läuft, es sei denn, der Gesellschaft steht das Recht zur fristlosen Kündigung zu.

Vorsicht ist für Vorstand und Geschäftsführer allerdings bei der Formulierung der Anstellungsvertrage geboten. In den letzten Jahren wird es nach meiner subjektiven Einschätzung üblich, dass die Gesellschaften das Bestehen des Anstellungsvertrags von der organschaftlichen Bestellung abhängig machen. Entweder wird der Widerruf der Bestellung als auflösende Bedingung vereinbart (dann endet der Anstellungsvertrag rechtsdogmatisch mit dem Wirksamwerden des Widerrufs) oder der Vertrag sieht die Abberufung als wichtigen Grund für die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags vor. Beide Gestaltungen sind von deutschen Gerichten bereits als wirksam erachtet worden.

Sieht daher die Satzung der Gesellschaft keine besonderen Voraussetzungen für die Abberufung vor und besteht nach dem Wortlaut des Anstellungsvertrags im Falle der Abberufung das Recht, den Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen, muss sich der Vorstand/Geschäftsführer im Klaren darüber sein, dass die Gesellschaft ihn relativ einfach „vor die Tür setzen kann“ und dass ihm nur im Ausnahmefall ein Gericht für die Beendigung seines Vertrags einen Ausgleich zuerkennen wird. Auch diesen wird er jedoch in der Regel erst vor Gericht erkämpfen müssen.

Vor diesem Hintergrund bietet es sich für jedes Organmitglied an, seinen Anstellungsvertrag vor Vertragsschluss ordnungsgemäß zu prüfen und zu versuchen, für sich bessere Regelungen in den Vertrag hineinzuverhandeln. Jedenfalls zu Beginn einer Zusammenarbeit – also zu einem Zeitpunkt, in dem auch die Gesellschaft den Vorstand/Geschäftsführer noch anstellen will – können so häufig vernünftige Regelungen für beide Seiten vereinbart werden.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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