OLG Frankfurt zur D&O-Versicherung

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D&O-Haftpflichtversicherer darf unter bestimmten Voraussetzungen als Nebenintervenient dem Haftungsverfahren beitreten.

Ca. seit Mitte der 1990er Jahre steigt sowohl die Anzahl an Vermögensschadenhaftlichtversicherungen für Organe und leitende Angestellte – umgangssprachlich D&O-Versicherung für directors and officers liabity insurance – als auch die Zahl der Verfahren, in denen Manager wegen (vermeintlicher) Schadenfälle in Anspruch genommen werden.

Die mit diesem Problemfeld verbundenen Fragen sind komplex und vielfach noch nicht geklärt. Im Hinblick auf das Haftungsverhältnis weicht schon die veröffentlichte und von Politikern plakativ geäußerte Einschätzung – „Die Managerhaftung muss verschärft werden!“ – von der Meinung der Fachöffentlichkeit ab, die vielmehr für eine Verbesserung der Situation des Managers plädiert, letztmals z.B. auf dem Deutschen Juristentag 2014.

Während aber zum Haftungsverhältnis eine Vielzahl von Entscheidungen vorliegen, sind veröffentliche Urteile zum Versicherungsvertrag und dessen Leistungspflichten sehr selten.

Umso erfreulicher ist, dass das OLG Frankfurt nunmehr die Möglichkeit hatte, zu den prozessualen Rechten des D&O-Versicherers Stellung zu nehmen. Vorliegend ging es um die Frage, ob der in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH „seinem“ D&O-Versicherer den Streit verkünden kann, wenn der Versicherer das Bestehen von Versicherungsschutz bestreitet.

Problemstellung

Zum Verständnis dieses Problems ist die Kenntnis der üblichen Parteiensituation im Haftpflichtprozess hilfreich. Wird ein Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen, so muss er diesen Versicherungsfall seinem Haftpflichtversicherer melden. Dieser hat im Rahmen seines Ermessens die Wahl, ob er den Anspruchsteller befriedigt oder den als unberechtigt eingestuften Anspruch zurückweist und Abwehrdeckung gewährt. Entscheidet er sich, den Anspruch abzuwehren, so organisiert er – im Rahmen des Versicherungsvertrags – die Rechtsverteidigung, beauftragt oder empfiehlt einen Rechtsanwalt, trägt dessen Kosten etc.

Wird nun in dem Haftpflichtverfahren – das zwischen Geschädigtem und Versicherungsnehmer geführt wird – der Versicherungsnehmer verurteilt, so ist auch im Verhältnis Versicherer zu Versicherungsnehmer der Sachverhalt bindend festgestellt, d.h. der Versicherer kann sich in einem etwaigen Deckungsverfahren, in dem der Versicherungsnehmer die Zahlung an den Geschädigten geltend macht, nicht darauf berufen, dass das Haftpflichturteil falsch sei. Somit ist sichergestellt, dass bei einer späteren Verweigerung des Versicherungsschutzes nur über versicherungsrechtliche Fragestellungen zu streiten ist.

Diese Systematik wird jedoch durchbrochen, wenn der Versicherer nach Prüfung seiner Einstandspflicht die Ansicht vertritt, dass der gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht vom Versicherungsvertrag umfasst ist. Dann wird er nämlich keine Abwehrdeckung gewähren und somit auch nicht mittelbar am Haftungsverfahren beteiligt. Führt der Versicherungsnehmer dann die Klage gegen den Dritten zuerst selbst und macht im Anschluss daran Versicherungsleistungen geltend, weil er teilweise zu Schadenersatz verurteilt wurde, kann der Versicherer sich darauf berufen, dass das Haftpflichtverfahren falsch entschieden wurde. Dann muss ggf. im Deckungsprozess erneut das Haftungsverhältnis geklärt werden und kann selbstverständlich von dem Gericht auch anders gewertet werden.

Um diesem Risiko zu begegnen, sieht die Zivilprozessordnung vor, dass jeder Verfahrensbeteiligte einem bislang am Verfahren nicht Beteiligten den Streit verkünden und ihn auffordern kann, dem Verfahren auf der eigenen Seite beizutreten. Unabhängig davon, ob der Streitverkündete beitritt, tritt mit der Streitverkündung eine Bindungswirkung der Entscheidung für das Verhältnis des Streitverkündeten zum Auffordernden ein.

Fraglich ist nun, ob für einen Haftpflichtversicherer die Möglichkeit besteht, einem Haftpflichtverfahren auch als Streitverkündeter beizutreten und somit eine Stellung als Verfahrensbeteiligter erlangt.

Entscheidung des OLG Frankfurt 11 W 28/13 (Kart)

Zu dieser Frage konnte sich nunmehr das OLG Frankfurt mit Beschluss vom 12.5.2015 – 11 W 28/13 (Kart) (BeckRS 2015, 11212) Stellung nehmen.

In dem Verfahren macht die klagende GmbH gegenüber ihren ehemaligen Geschäftsführern als Beklagten Schadenersatzansprüche geltend. Die Beklagten waren in der Vergangenheit Gesellschafter der Klägerin und veräußerten im Jahre 2006 die Mehrheit der Gesellschaftsanteile an eine „Trust GmbH“, die die Geschäftsanteile treuhänderisch für eine GmbH halten sollte, die wiederum Tochtergesellschaft einer Holding war. Die Holding unterhält bei dem D&O Versicherer einen Versicherungsvertrag, von dem auch die Organe der Tochtergesellschaften erfasst werden.

Nachdem der Schadenfall dem Versicherer gemeldet wurde, prüfte dieser die eigene Einstandspflicht und lehnte Versicherungsschutz mit der Begründung ab, dass die Organe der Klägerin nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien.

Darüber hinaus vertraten auch die Beklagten die Ansicht, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile an die Trust GmbH unwirksam sei, woraus sie eine Unzulässigkeit der gegen sie gerichteten Klage herleiteten. Wäre dies zutreffend, würde kein Versicherungsanspruch bestehen.

Die Beklagten haben dem D&O Versicherer gegenüber den Streit verkündet, der dem Verfahren im Weiteren beigetreten ist. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass der Beitritt unzulässig sei, weil der Versicherer von seiner vertraglichen Prozessführungsbefugnis Gebrauch machen könne.

Nachdem das LG den Beitritt zugelassen hatte, legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein, auf die nun die oben genannte Entscheidung erging.

Das OLG formulierte dabei in seinem Leitsatz recht eindeutig:

„Eine im Versicherungsvertrag vorgesehene Prozessführungsbefugnis schließt ein rechtliches Interesse des D&O-Versicherers, nach einer entsprechenden Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten der (vermeintlich) versicherten Person beizutreten, jedenfalls dann nicht aus, wenn der Versicherer geltend macht, dass insoweit kein Versicherungsverhältnis bestehe.“

Dem könnte man bei erster Lektüre entnehmen, dass es auch nach Ansicht des OLG Frankfurt eines besonderen Grundes bedarf, damit die Nebenintervention des Versicherers im Haftungsverfahren zulässig ist. Im Rahmen der Urteilsbegründung führt der Senat jedoch aus, dass „die Auffassung der Klägerin, der prozessführungsbefugte Haftpflichtversicherer sei nur bei vermutetem kollusiven Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Unfallmanipulationen, als Nebenintervenient zuzulassen“ in der Rechtsprechung keine Stütze findet.

Fazit

Ob die Entscheidung in der Praxis große Auswirkungen haben wird, muss sich zeigen. Jedenfalls bislang waren die Fälle, in denen der Versicherer ein Interesse an dem Beitritt hatte, auf die Fälle beschränkt, in denen ein Betrug zu Lasten des Versicherers im Raum stand. Jedenfalls in Streitfällen mit „geringeren“ Streitwerten bleibt zu erwarten, dass die Versicherer weiterhin nicht dem Verfahren beitreten werden. Bei Verfahren mit potentiell großem Schadenpotential war es auch bislang in Fällen von fraglichem Versicherungsschutz durchaus üblich, unter Vorbehalt Abwehrdeckung zu gewähren und die Frage des Versicherungsschutzes nachträglich zu lösen.  

Für betroffene Rechtsanwälte dürfte damit allerdings vorgegeben sein, dass man dem ablehnenden Haftpflichtversicherer im Zweifel den Streit verkünden sollte.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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