Online-Scheidung: eine virtuelle Mogelpackung

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Verlockend: nur zwei bis drei Mausklicks und die alte Ehe ist gelöscht. Schnell und unkompliziert. Modern: kein Papierkrieg. Anonym und ohne indiskrete Nachfragen. Und natürlich: preisgünstig.

Was steckt dahinter? Wer sich im Internet zu rechtlichen Fragen bei Trennung und Scheidung informieren will, gelangt schnell auch auf Seiten von Anwaltskanzleien, die unter dem Schlagwort der „Online-Scheidung" werben. Aber wie das mit guter Werbung so ist: sie verspricht viel, aber sie muss nicht alles halten.

Was ist anders?

Die Kontaktaufnahme?

Der „Online-Anwalt" hält auf seiner Homepage einen Formularbogen bereit. Dort kann man seine Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse eintragen oder anklicken. Per Mausklick wird der Formularbogen verschickt. Die weitere Korrespondenz kann ausschließlich per mail geführt werden.

Die Korrespondenz per Mail ist aber auch in jeder modernen Anwaltskanzlei üblich. Wer seinen Anwalt im Laufe des Verfahrens nicht treffen will oder kann, muss das nicht. Der Anwalt vor Ort drängt sich hierzu nicht auf, bietet aber jederzeit neben Telefon, Fax und Mail das persönliche Gespräch, das Gespräch im Beisein einer eigenen Vertrauensperson, das Gespräch mit dem Ex-Partner. Das persönliche Gespräch mag der „Online - Anwalt" wohl auch auf Nachfrage nicht verwehren. Vielleicht mag er aber auch über so viel Nähe überrascht sein, denn da er bundesweit agieren will, dürfte er kaum vor Ort, sondern viele Hundert Kilometer entfernt irgendwo sitzen, vielleicht in Hamburg, Düsseldorf oder München. Aber wer den „Online-Anwalt" will, denkt ja zumindest anfänglich ohnehin nicht daran, sich einen persönlichen Eindruck verschaffen zu wollen oder Nachfragen zu haben.

Das Verfahren vor Gericht?

Das Gericht unterscheidet nicht: der Scheidungsantrag, aber auch jedes andere Schreiben vom oder an das Amtsgericht, das in Ehescheidungsverfahren zuständig wird, wird in Papierform erstellt und mit der alten Post zugestellt. Auch ein „Online-Anwalt" wird an dieser Handhabung nichts ändern. Bei einverständlichen Ehescheidungen wird zumindest ein Termin vor Gericht erforderlich. Dabei haben die Parteien persönlich zu erscheinen und zumindest ein Anwalt. Auch an dieser Handhabung ändert sich nichts, wenn ein „Online-Anwalt" beauftragt ist, sein bloß virtuelles Erscheinen ist nicht ausreichend.

Auch die Bearbeitungszeiten und damit die Verfahrensdauer können durch den „Online-Anwalt" nicht verkürzt werden. Manch ein Scheidungswilliger ist ungeduldig und will die Ehescheidung, die ja nicht selten auch eine gewisse emotionale Belastung bedeutet, nur schnell hinter sich bringen. Auch wenn sich alle Beteiligten noch so sehr bemühen, die Verfahrensdauer abzukürzen, vergehen auch bei einer unstreitigen Scheidung durchaus ein paar Wochen bis zum Scheidungstermin: der „Online - Anwalt" kann sich durch virtuelle Kniffe nicht an der Schlange vorbei nach vorne drängeln.

Die Kosten des Verfahrens?

Bei allen Anwälten und so auch beim „Online-Anwalt" sind es dieselben. Denn Gebührenvereinbarungen zwischen Mandant und Rechtsanwalt dürfen in diesem gerichtlichen  Verfahren, so will es der Gesetzgeber die gesetzlich vorgeschriebenen Anwaltsgebühren nicht unterschreiten. Es wird also selbst durch eine Vielzahl von persönlichen Gesprächen nicht teurer.

Die Qualität der anwaltlichen Beratung?

Schwer zu sagen, ob die Beratung und Vertretung durch den „Online-Anwalt" stets schlechter ist. Häufig ist der erste Impuls bei einer Trennung: nur schnell geschieden werden und keinen Streit. In dieser Phase klingt das Wort vom „Online - Anwalt" besonders verlockend. Der soll die Scheidung online beantragen und ansonsten offline bleiben. Die Eheleute wollen sich dann allein über alles andere einigen. Denn mit der Scheidung sind nicht selten auch weitere Fragen verbunden. Regelungen zum Wohl der Kinder, Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Testament, gemeinsame Verträge müssen überdacht werden. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Eheleute das alleine hinbekommen. Gefährlich wird es aber, wenn dies nicht gelingt. Und noch schlimmer, wenn man meint, man habe eine gute Regelung getroffen, die aber bei näherer Betrachtung nichts wert ist.

Jeder Anwalt muss den Scheidungswilligen über die grundlegend mit der Scheidung verbundenen rechtlichen Fragestellungen aufklären. Teurer wird die Beratung dadurch nicht. Der Betroffene kann und muss hiernach selber entscheiden, welche rechtlichen Schritte er gehen will. Wenn der Betroffene für sich aber einen Fragebogen auszufüllen hat, findet aber eine professionelle und individuelle Hilfestellung nicht statt. Viele nützliche Antworten, aber auch viel Quatsch findet sich im Internet zu rechtlichen Fragestellungen. Noch kommt wohl keiner auf die Idee, anhand bunter Anleitungen des „Online-Chirurgen" bei Bauchschmerzen den Blinddarm am Küchentisch selber zu entfernen. Nun ist eine solche Operation auch wichtiger als die Scheidung, weil sie Leben erhalten kann. Aber die Scheidung dürfte emotional und auch wirtschaftlich immerhin wichtiger sein als die Buchung einer Ferienwohnung oder die Express-Bestellung eines Bestsellers im Buchhandel.

Fazit: Die „Online-Scheidung" unterscheidet sich beim näheren Hinsehen nicht von der „Offline-Scheidung". Es gibt sie nur als Slogan in der virtuellen Welt des Internets, aber nicht in unserer realen Welt.

Sie hält nichts, was sie verspricht. Sie ist nicht schneller, nicht preiswerter, nicht unkomplizierter, sondern kann zum teuren Missverständnis werden.

Anwaltskanzlei Gerold, Rechtsanwälte vor Ort in Ronnenberg/Empelde und natürlich auch online unter www.kanzlei-gerold.de


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