OVG Rheinland-Pfalz: Keine Ausnahmegenehmigung für Niqab am Steuer – Verkehrssicherheit geht vor
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Niqab am Steuer – Rechtliche Einschätzung und aktuelle Urteile
Das Tragen eines Niqabs, der das Gesicht einer muslimischen Frau bis auf die Augenpartie verdeckt, wirft im Straßenverkehr komplexe rechtliche Fragen auf. Zwei Oberverwaltungsgerichte (OVG) in Deutschland haben sich kürzlich mit der Thematik befasst, kamen jedoch zu unterschiedlichen Entscheidungen. Ein Blick auf die Hintergründe und die rechtlichen Abwägungen bietet Klarheit.
1. Gesetzliche Grundlage: Straßenverkehrsordnung (§ 23 Abs. 4 StVO)
Nach § 23 Abs. 4 StVO ist es Autofahrern untersagt, ihr Gesicht während der Fahrt so zu verhüllen, dass eine Identifizierung nicht mehr möglich ist. Diese Regelung dient der Sicherheit im Straßenverkehr, da die uneingeschränkte Sicht des Fahrers sowie seine Identifizierbarkeit bei Verkehrsverstößen gewährleistet sein müssen.
2. Fallbeispiel: OVG Rheinland-Pfalz und die Sichtbehinderung
Eine Frau, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung einen Niqab trägt, beantragte eine Ausnahmegenehmigung von dieser Regelung, da ihre Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betroffen sei. Der Antrag wurde abgelehnt, und die Frau klagte vor Gericht – ohne Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass das Tragen eines Niqab die Sicht der Fahrerin behindere und somit eine potenzielle Gefährdung für den Straßenverkehr darstelle. Neben der Beeinträchtigung der Rundumsicht sah das Gericht auch die erschwerte Identifizierung der Fahrerin als problematisch an (Beschl. v. 13.08.2024, Az. 7 A 10660/23.OVG).
3. Vergleich mit OVG NRW: Unterschiedliche Begründungen
Während das OVG Rheinland-Pfalz die Entscheidung der Verkehrsbehörde bestätigte, entschied das OVG Nordrhein-Westfalen (NRW) in einem ähnlich gelagerten Fall anders. Hier monierte das Gericht, dass die Behörde Ermessensfehler gemacht habe. Insbesondere die Begründung, dass nonverbale Kommunikation durch den Niqab gestört werde, wurde vom Gericht als unzulässige Erwägung zurückgewiesen. Zudem hielt das OVG NRW die Verhängung einer sogenannten Fahrtenbuchauflage für ein milderes Mittel, das hätte geprüft werden müssen.
4. Fahrtenbuchauflage als Alternative?
Eine Fahrtenbuchauflage verpflichtet Fahrzeughalter, für jede Fahrt die Details der Fahrerin oder des Fahrers zu dokumentieren. Das OVG Rheinland-Pfalz lehnte dies jedoch als unzureichende Alternative ab. Das Gericht betonte, dass eine Fahrtenbuchauflage nicht die freie Sicht der Fahrerin gewährleisten könne und auch die automatisierte Verkehrsüberwachung nicht ersetzen würde.
5. Sicherheit im Straßenverkehr hat Vorrang
Das OVG Rheinland-Pfalz stellte klar, dass der Zweck von § 23 Abs. 4 StVO die Sicherheit im Straßenverkehr sei – sowohl durch die Verhinderung von Sichtbehinderungen als auch durch die Sicherstellung der Identifizierbarkeit von Fahrern bei Verstößen. Diese Schutzziele seien von herausragender Bedeutung und rechtfertigten einen Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin.
6. Alternative Verkehrsmittel
Abschließend verwies das Gericht darauf, dass der Klägerin zumutbare Alternativen zur Verfügung stünden, um ihre Mobilität zu gewährleisten, ohne gegen ihre religiösen Überzeugungen zu verstoßen. So könne sie den öffentlichen Nahverkehr nutzen oder auf ein Kraftrad umsteigen, für das zwar eine Helmpflicht, aber kein Verschleierungsverbot besteht.
Fazit: Religionsfreiheit vs. Verkehrssicherheit
Der Fall zeigt die schwierige Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Religionsfreiheit und den Anforderungen an die Sicherheit im Straßenverkehr. Während das OVG NRW noch Ermessensfehler bei der Behörde sah, bestätigte das OVG Rheinland-Pfalz die Entscheidung der Behörde und stellte die Verkehrssicherheit in den Vordergrund. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in ähnlichen Fällen weiterentwickelt.
(Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Rheinland-Pfalz vom 13. August 2024, Az. 7 A 10660/23.OVG)
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