Parkplatzunfall bei Rückwärtsfahrt: 50 %- Haftung nach Anscheinsbeweis gemäß § 9 StVO

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Vorliegend ereignete sich ein Unfall auf dem Parkplatz. Dabei hatten zwei Fahrzeugführerinnen ihre Fahrzeuge zurückgesetzt und waren dabei zusammengestoßen. Eine der beiden Fahrzeugführerinnen, die Klägerin, hatte bei ihrer Vernehmung angegeben, zum Unfallzeitpunkt bereits gestanden zu haben, um sodann geradeaus weiterzufahren. Sie wusste allerdings nicht mehr, ob sie noch den Gang einlegen konnte. Das AG hatte diese Aussage zum Anlass genommen, eine alleinige Haftung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 9 V StVO anzunehmen.

Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen die gebotene Sorgfalt beim Rückwärtsfahren nach § 9 V StVO vermutet, solange ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zu der Rückwärtsfahrt besteht, der bei einem kurzfristigen Stillstand des Fahrzeugs noch nicht unterbrochen ist. Sonst wäre die Haftung dem Zufall überlassen, je nachdem welchem Fahrzeugführer es gelingt, sein Fahrzeug gerade noch kurz vor der Kollision zum Stillstand zu bringen.

Die Beklagte legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Das LG Kleve hatte nun über die Haftungsquote für diesen typischen Parkplatzunfall zu entscheiden. Das LG Kleve hat die Entscheidung des AG aufgehoben. Dies wird damit begründet, dass es dahinstehen könne, ob das klägerische Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt bereits gestanden habe.

Wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Rückwärtsfahrt würde selbst in diesem Fall weiterhin der Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß gegen § 9 V StVO sprechen. Etwas anderes würde gelten, wenn die Klägerin beweisen könnte, dass sie bereits eine längere Zeit gestanden hat. Der Vorgang des Gangeinlegens zur Weiterfahrt, der üblicherweise eine geringe Zeitspanne in Anspruch nimmt, widerlegt den Anscheinsbeweis auf Grund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Rückwärtsfahrt nicht.

Weil beide Fahrzeugführerinnen gleichermaßen gegen den § 9 V StVO verstoßen haben, sieht das LG Kleve eine Haftungsquote von jeweils 50 % geboten.

(LG Kleve 5. Zivilkammer, Urteil vom 11.11.2009, 5 S 88/09)

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass das oben geschilderte Urteil nicht verallgemeinerungsfähig ist. Vielmehr bedarf es einer genauen Prüfung des Einzelfalls, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Der Autor Sven Skana ist Fachanwalt für Verkehrsrecht, Spezialist für Verkehrs-Unfallrecht sowie Spezialist für Führerscheinangelegenheiten im Betäubungsmittelrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Roscher, Johlige & Partner in Berlin-Charlottenburg, Kurfürstendamm 28, 10 719 Berlin, Tel.: 030/886 81 505.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet Verkehrsrecht

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