Patientenverfügung oder Ehering? Das Vertretungsrecht von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge

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1. Einleitung

Kaum jemand möchte es wahrhaben, aber manchmal geht es leider schnell und ehe man sich versieht, ist man in einer gesundheitlichen Lage, in der man selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. Dann müssen Entscheidungen über medizinische Behandlungen getroffen werden. Doch wer ist dann befugt, über medizinische Eingriffe am handlungsunfähigen Patienten zu entscheiden?


Vorweggenommen werden soll an dieser Stelle bereits, dass die Entscheidungsbefugnis nicht bei dem jeweils behandelnden Arzt (aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet; sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter) liegt. Dieser kann lediglich über die medizinische Notwendigkeit des Eingriffs Aufschluss geben. Die Entscheidung, ob der Eingriff schließlich durchgeführt wird, trifft er nicht.


Der Gesetzgeber hat dieses Problem bereits früh erkannt und die Möglichkeit einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht geschaffen. Beides setzt aber voraus, dass sich der dann Handlungsunfähige mit der Thematik auseinandergesetzt hat und entweder eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht erstellt hat. Ist dies indes nicht der Fall muss ein Betreuer gefunden werden, welcher diese Entscheidungen dann für den Handlungsunfähigen trifft; dies kann entweder ein naher Angehöriger oder ein Berufsbetreuer sein. Der Betreuer wird aber stets vom Betreuungsgericht bestellt und kann erst ab Bestellung im Namen des Handlungsunfähigen auftreten.


Was ist also, wenn der Handlungsunfähige weder eine Patientenverfügung noch eine Vorsorgevollmacht erstellt hat oder andererseits keine Zeit für die Bestellung des Betreuers bleibt, weil die medizinische Behandlung keinen Aufschub duldet?


2. Das neue Notvertretungsrecht von Ehegatten

Seit Beginn des Jahres 2023 gibt es in diesem Zusammenhang eine deutliche (bürokratische) Erleichterung für Ehegatten. Der Gesetzgeber hat in § 1358 BGB festgeschrieben, dass Ehegatten sich im Bereich der Gesundheitssorge gegenseitig vertreten können, wenn einer von ihnen handlungsunfähig ist. Dies gilt dabei selbst und gerade dann, wenn keine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht existieren.


Durch die Einführung des § 1358 BGB ist damit eine Möglichkeit geschaffen worden, mit welcher sich Ehegatten schnell in Notsituationen vertreten können. Auch der Erhalt von medizinischen Informationen über den dann Handlungsunfähigen ist deutlich erleichtert worden.


2.1. Voraussetzung des Notvertretungsrechts

Kann nämlich ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit sich um seine medizinischen Angelegenheiten nicht mehr selbst kümmern, so kann der andere Ehegatte diesen vertreten.


Voraussetzung des Notvertretungsrechts der Ehegatten ist demnach, neben dem Bestehen der Ehe, dass ein Ehegatte nicht mehr in der Lage ist, selbst medizinische Entscheidungen zu treffen. Außerdem darf das Notvertretungsrecht nicht ausgeschlossen sein (siehe hierzu gleich weiter unten).


2.2. Umfang des Notvertretungsrechts

Liegt diese Voraussetzung – vorbehaltlich des Ausschlusses des Notvertretungsrechts – vor, kann der Ehegatte in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe des handlungsunfähigen Ehegatten einwilligen oder diese gerade untersagen. Zudem kann er ärztliche Aufklärungen entgegennehmen, sodass die behandelnden Ärzte gegenüber diesem Ehegatten insoweit von ihrer Schweigepflicht entbunden sind. Der vertretende Ehegatte darf auch die Krankenunterlagen des anderen Ehegatten einsehen und diese falls nötig an Dritte wie etwa die Krankenkasse weiterleiten.


Weiter kann er Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege für den anderen Ehegatten abschließen und diese durchzusetzen.


Er darf auch über freiheitsentziehende Maßnahmen in einem Krankenhaus oder Heim entscheiden.


Ebenfalls kann er auch Ansprüche, die dem vertretenen Ehegatten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, eigenständig geltend machen.


2.3. Ausübung des Notvertretungsrechts

Um das Notvertretungsrecht des Ehegatten ausüben zu können, benötigt der handelnde Ehegatte eine schriftliche Bestätigung des Arztes demgegenüber die Vertretung ausgeübt werden soll, aus der hervorgeht, dass die Voraussetzungen des Notvertretungsrechts (nämlich die Handlungsunfähigkeit des anderen Ehegatten) sowie der Zeitpunkt, ab welchem das Vertretungsrecht gilt, hervorgeht.


Im Gegenzug muss (und darf) der Arzt diese schriftliche Bestätigung erst dann an den vertretenden Ehegatten aushändigen, wenn dieser dem Arzt gegenüber schriftlich versichert, dass das Notvertretungsrecht erstmals ausgeübt wird und kein Ausschlussgrund gegen die Notvertretung spricht.


Diese schriftliche Bestätigung des Arztes ersetzt dann gewissermaßen die Vollmacht des Ehegatten. Diese Bestätigung berechtigt den Ehegatten nämlich zur Vornahme von Vertretungshandlungen in den Bereichen des Notvertretungsrechts. Daher ist diese schriftliche Bestätigung bei allen Handlungen im Rahmen der Gesundheitssorge von dem Ehegatten vorzulegen.


2.4. Ende des Notvertretungsrecht

Das Gesetz normiert, dass ein Notvertretungsrecht des Ehegatten dann nicht mehr besteht, wenn entweder dessen Voraussetzungen weggefallen sind oder bereits ein Zeitraum von sechs Monaten vergangen ist.


Wenn also der Ehegatte wieder in der Lage ist, selbst für sich zu handelen und seine Angelegenheiten wieder zu regeln, endet das Notvertretungsrecht.


Zudem besteht es längstens für die Dauer von sechs Monaten, sodass es auch ohne den Wegfall der Voraussetzungen nach sechs Monaten endet. Dieser Zeitraum kann nicht verlängert werden. Spätestens nach sechs Monaten kann ein Ehegatte daher ohne Vorliegen einer Vorsorgevollmacht den anderen, handlungsunfähigen Ehegatten nicht mehr vertreten.


2.5. Ausschluss der Notvertretung

Eine Notvertretung kommt immer dann nicht Betracht, wenn sie ausgeschlossen ist. Dann darf und kann ein Ehegatte den anderen nicht mehr vertreten, sodass er sämtliche oben genannten Rechte der Notvertretung verliert bzw. gar nicht erst erhält.


Ein solcher Ausschluss ist zum einen dann gegeben, wenn die Ehegatten bereits getrennt leben oder zum anderen, wenn ein Ehegatte die Notvertretung durch den anderen explizit abgelehnt hat. Denn in beiden Fällen hat der jeweilige Ehegatte zum Ausdruck gebracht, dass er eine Vertretung durch den anderen nicht wünscht. Entweder durch die Beendigung der Ehegemeinschaft oder durch ausdrückliche Erklärung.


Zudem kann ein Ehegatte den anderen immer dann nicht nach dem Notvertretungsrecht vertreten, wenn eine Vorsorgevollmacht existiert, die eine andere Person als Vertreter benennt. Auch in diesem Fall hat der jeweilige Ehegatte zum Ausdruck gebracht, dass er eine Vertretung durch diese bestimmte Person und damit gerade nicht durch den Ehegatten wünscht. Gleiches gilt auch für den Fall, dass bereits ein Betreuer für den jeweiligen Ehegatten bestellt worden ist, da die Notwendigkeit des Notvertretungsrechts dann gerade nicht besteht.


3. Fazit

Durch die Einführung des Notvertretungsrechts von Ehegatten in § 1358 BGB ist es Ehegatten ermöglicht worden, auch in Notsituationen medizinische Eingriffe und damit einhergehende Ansprüche schnell und (relativ) unbürokratisch zu ermöglichen bzw. durchzusetzen.


Zu beachten ist dabei aber, dass dieses Notvertretungsrecht nur für die Dauer von maximal sechs Monaten gilt und zu dem nur im Bereich der Gesundheitssorge greift.


Sofern daher eine Vertretung in anderen Bereichen (z.B. Banken gegenüber) oder über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus gewünscht ist, führt nach wie vor kein Weg an einer Vorsorgevollmacht vorbei.


Aber für die Dauer von sechs Monaten und in Gesundheitsfragen benötigen Ehegatten nunmehr nicht zwingend eine Vorsorgevollmacht, um sich in Notsituationen zu vertreten. Insoweit kann der Ehering (genauer natürlich die Eheschließung) eine Vorsorgevollmacht zumindest teilweise ersetzen.


Zu prüfen kann daher sein, ob ein solches Notvertretungsrecht gewünscht ist, sodass dann anderenfalls ein Widerruf erfolgen muss.


Eine Übertragung dieses Notvertretungsrechts auf nichteheliche Lebensgemeinschaften wird jedoch auszuschließen sein. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt dies nur für Ehegatten, wobei seit der Anerkennung der Ehe für alle dieser Weg allen offensteht.


Dieser Artikel erhebt bereits aufgrund seiner Kürze keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er kann zudem keinesfalls jeden erdenklichen Einzelfall abdecken. In Zweifelsfällen kann dieser Artikel daher keinesfalls das Aufsuchen eines Rechtsanwalts, um eine umfassende Rechtsberatung im Einzelfall zu erhalten, ersetzen.

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