Patientin stirbt nach OP in Vollnarkose - Überwachungspflichten im Aufwachraum und Hinterbliebenengeld

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Das EKG-Monitoring im Aufwachraum ist nach Eingriffen in Vollnarkose fachärztlicher Standard. Ein Anästhesiepfleger einer Klinik im Osnabrücker Land unterließ diese Überwachung jedoch pflichtwidrig und übersah deshalb bei einer Patientin eintretende Atem- und Kreislaufstörungen. Die Patientin erlitt daraufhin einen Hirnschaden, an dem sie vier Tage später verstarb. Die Klinik verpflichtete sich in einem Prozess vor dem Landgericht Osnabrück, den beiden Kindern der verstorbenen Frau die Beerdigungskosten zu erstatten.

Der Sachverhalt

Eine 58jährige Patientin, die sich einer komplizierten Knöchel-OP in Vollnarkose unterzogen hatte, wachte auf dem Weg in den Aufwachraum aus der Narkose auf, wurde dann im Aufwachraum aber wieder instabil und verlor das Bewusstsein. Der diensthabende Anästhesiepfleger unterließ es dennoch zunächst, sie im mittels EKG-Monitoring zu überwachen. Die Patientin erlitt einen Kreislaufzusammenbruch mit Sauerstoffmangel, der über mindestens 10 Minuten andauerte. Als der Pfleger die Notsituation endlich erkannte, konnte die von ihm alarmierte Ärztin die Patientin zwar noch stabilisieren, es trat wegen der fehlenden Sauerstoffversorgung jedoch ein Hirnödem auf. Die Patientin erlangte das Bewusstsein nicht zurück und verstarb vier Tage später an dem Hirnödem.

Der Prozess

Die beiden (volljährigen) Kinder der Patientin haben Klinik, Ärzte und Pfleger vor dem Landgericht Osnabrück auf Erstattung der Beerdigungskosten für ihre Mutter verklagt.

Nach jeder Operation mit Vollnarkose müssen Komplikationen wie Atem- und Kreislaufstörungen, Nachblutungen oder eine verlängerte Medikamentenwirkung unbedingt rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Deshalb wird die intraoperative Überwachung der Vitalparameter im Aufwachraum fortgeführt, es werden also Puls, Blutdruck, EKG, Sauerstoffsättigung im Blut und Temperatur werden kontinuierlich weiter überwacht.

In der Verhandlung gab der beklagte Pfleger an, es habe seitens der Klinikleitung eine Weisung gegeben, im Aufwachraum nur bei herzkranken Patienten ein EKG anzuschließen. Das sei hier nicht der Fall gewesen.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige, der in seinem schriftlichen Gutachten zuvor schon die unvollständige Dokumentation der Klinik gerügt hatte, stellte in aller Deutlichkeit klar: Eine solche Weisung widerspricht fundamental den Standards aller medizinischen Fachgesellschaften. Das müssten auch die Ärzte und Pfleger wissen, so der Gutachter.

Nach seinen weiteren Angaben sei es sehr wahrscheinlich, dass die Patientin noch leben würde, wenn man sich an die Standards gehalten, sie im Aufwachraum korrekt überwacht und bei Beginn der Komplikationen unmittelbar reagiert hätte.

Auf dringendes Anraten des Gericht schlossen die Parteien   sodann einen Vergleich, nach dem die Klinik den Kindern der Patientin etwa 94 % der eingeklagten Kosten zu erstatten hat.

Warum gab es kein Schmerzens- oder Hinterbliebenengeld?

Schmerzensgeld steht grundsätzlich nur einem von Behandlungsfehlern selbst betroffenen Menschen als Kompensation für sein persönliches Leiden zu. Ein solcher Anspruch ist vererbbar. Hier verlor die Patientin jedoch nach der Anästhesie direkt wieder das Bewusstsein und hatte bis zu ihrem Tod kein Leid zu ertragen. Deshalb konnte im Prozess vor dem Landgericht Osnabrück nur die Erstattung der Beerdigungskosten erstritten werden.

Angehörige waren - mit Ausnahme des sogenannten „Schockschadens“ – bis vor wenigen Jahren nicht berechtigt, für den Tod einer nahen Angehörigen einen Ausgleich zu verlangen.

Erst mit Wirkung zum 22.07.2017 hat der deutsche Gesetzgeber mit § 844 Abs.3 BGB eine neue Vorschrift eingeführt. Danach haben Hinterbliebene, die mit der getöteten Person in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen - in erster Linie also deren Ehegatten, Lebenspartner, Kinder oder Eltern - Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Als Richtschnur für die Höhe dieses Hinterbliebenengeldes ist in der Gesetzesbegründung ein Betrag von 10.000,00 € vorgesehen. Bislang gibt es noch relativ wenig Rechtsprechung zu dieser neuen Regelung. In einem Einzelfall hat eine Witwe vom LG Tübingen 12.000,00 € zugesprochen bekommen.

Der Überwachungsfehler im Prozess vor dem Landgericht Osnabrück ereignete sich kurz vor Einführung des § 844 Abs.3 BGB. Die Kinder der verstorbenen Frau konnten daher kein Hinterbliebenengeld verlangen.



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