Pflichtteil bei Haus, Wohnung und anderen Immobilien

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Pflichtteilsansprüche, Bewertungsprobleme und Schenkungen

Beim Streit um das Erbe spielen Immobilien eine überragende Rolle. Das gilt vor allem in den Konstellationen, in denen ein naher Angehöriger enterbt wurde und Haus, eine Wohnung, eine Gewerbeimmobilie oder auch eine landwirtschaftliche Fläche zum Nachlass gehört oder früher einmal zum Vermögen des Erblassers gehört hat.

In diesen Fällen werden regelmäßig von der enterbten Person Pflichtteilsansprüche und gegebenenfalls auch Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht. Dann wird vor allem über den Wert der Immobilien und über lebzeitige Schenkungen gestritten.

Im nachfolgenden Beitrag erhalten Sie die Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um den Pflichtteil bei Immobilienvermögen.

  1. Was ist der Pflichtteil und gibt es einen „Pflichtteil an einer Immobilie“?
  2. Wie erfährt der Pflichtteilsberechtigte von Grundvermögen im Nachlass und dessen Wert?
  3. Wie wird die Immobilie für die Pflichtteilsberechnung bewertet?
  4. Welche Probleme entstehen für den Erben der Immobilie?
  5. Was ist, wenn Häuser, Wohnungen etc. zu Lebzeiten verschenkt wurden?
  6. Reduzierung des Pflichtteils für Erblasser mit Immobilienvermögen

1. Was ist der Pflichtteil und gibt es einen „Pflichtteil an einer Immobilie“?

Der Pflichtteil ist eine Mindestbeteiligung am Nachlass für nahe Angehörige (Abkömmlinge, Ehegatten und gegebenenfalls auch Eltern), die durch ein Testament teilweise oder vollständig enterbt sind. Die Pflichtteilsquote beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote und der Pflichtteilsanspruch ist auf eine Geldzahlung gerichtet.

Die Ansprüche beziehen sich stets auf eine Quote am Gesamtnachlass, nicht aber auf einzelne Vermögenswerte. Es gibt also keinen Pflichtteil an einem Wohnhaus oder an einem sonstigen Grundstück.

2. Wie erfährt der Pflichtteilsberechtigte von Grundvermögen im Nachlass und dessen Wert?

Der Pflichtteilsberechtigte muss die Ansprüche selbst gegenüber dem Erben geltend machen und entsprechend auch beziffern. Damit er das überhaupt kann, hat er gegenüber dem bzw. den Erben Auskunftsansprüche. Die sind auf die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gerichtet, in dem unter anderem auch Grundstücke aufzuführen sind, die zum Zeitpunkt des Erbfalls im Eigentum des Erblassers standen.

Darüber hinaus hat der Pflichtteilsberechtigte auch Ansprüche auf Wertermittlung durch den Erben. Bei Immobilien wird regelmäßig ein Sachverständiger herangezogen werden müssen, der ein Wertgutachten erstellt. Bezahlen muss das Gutachten der Erbe aus dem Nachlass.

3. Wie wird die Immobilie für die Pflichtteilsberechnung bewertet?

Ausschlaggebend für die Pflichtteilsberechnung ist der tatsächliche Verkehrswert der Immobilie – also nicht etwa der Einheitswert oder ein Versicherungswert. Für die Wertermittlung gibt es verschiedene Verfahren, wie etwa das Ertragswertverfahren oder auch das Sachwertverfahren. Die passende Bewertungsmethode hängt vor allem von der Art und Nutzung des Grundbesitzes ab.

Verbindlichkeiten des Erblassers aus der Finanzierung der Immobilie mindern zwar nicht deren Wert, fließen aber als Abzugsposten bei den Nachlassverbindlichkeiten in das Nachlassverzeichnis ein und mindern so den Pflichtteil.

4. Welche Probleme entstehen für den Erben der Immobilie?

Da der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich sofort, also bereits mit dem Versterben des Erblassers, entsteht und fällig ist, kann er den Erben in große Not bringen. Das ist der Fall, wenn weder im Nachlass noch im eigenen Vermögen des Erben ausreichend liquides Vermögen vorhanden ist, um die Pflichtteilsansprüche zu befriedigen.

Nur in Ausnahmefällen, in denen „die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre“ kommt eine Stundung in Betracht. Ein entsprechender Stundungsantrag ist dann beim zuständigen Nachlassgericht zu stellen.

5. Was ist, wenn Häuser, Wohnungen etc. zu Lebzeiten verschenkt wurden?

Besondere Probleme entstehen, wenn über Immobilien gestritten wird, die zu Lebzeiten vom Erblasser unentgeltlich auf andere Personen übertragen wurden. Solche Häuser, Wohnungen etc. gehören dann eigentlich beim Erbfall nicht mehr zum Nachlass.

Allerdings hat der Gesetzgeber zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten für diese Fälle sogenannte Pflichtteilsergänzungsanprüche angeordnet. Die verschenkte Immobilie wird nach der Schenkung zunächst voll dem pflichtteilsrelevanten Nachlass zugerechnet. Und erst mit jedem Jahr, das nach der Schenkung bis zum Erbfall vergeht, schmelzen 10 Prozent der Schenkung für den Pflichtteil ab. Somit spielt das verschenkte Grundstück erst 10 Jahre nach der Schenkung beim Pflichtteil keine Rolle mehr.

Keine Abschmelzung der Pflichtteilsergänzung findet jedoch statt, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung das wirtschaftliche Eigentum zum Beispiel durch eine umfassendes Nießbrauchsrecht vorbehält. Und auch bei Schenkungen an Ehegatten, bleiben Schenkungen dauerhaft für den Pflichtteil relevant - zumindest so lange die Ehe hält.

Die Frage, ob ein verschenktes Haus oder sonstiges bebautes oder unbebautes Grundstück, das zu Lebzeiten verschenkt wurde, zum Zeitpunkt der Schenkung oder zum Zeitpunkt des Erbfalls zu bewerten ist, hat der Gesetzgeber mit dem sogenannten Niederstwertprinzip beantwortet. Es ist also stets der niedrigere dieser beiden Werte heranzuziehen.

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6. Reduzierung des Pflichtteils für Erblasser mit Immobilienvermögen

Neben der lebzeitigen Schenkung gibt es noch andere Gestaltungsmöglichkeiten, die mögliche Pflichtteilsansprüche mindern und so den Erben schützen können. Beliebt bei Wohnhäusern ist zum Beispiel ein Verkauf gegen eine lebenslange Leibrente. Tritt der Erbfall ein, ist dann weder die Immobilie noch die (verbrauchte) Leibrente im Nachlass vorhanden.

Zu den sonstigen Pflichtteilsreduzierungs-Strategien gehören der Pflichtteilsverzicht durch Vertrag, die Pflichtteilsentziehung durch Testament oder auch ein Eingriff in die Pflichtteilsquote durch Heirat, Adoption oder Güterstandswechsel.

Bei großen Immobilienvermögen kann man auch über gesellschaftsrechtliche Lösungen im Zusammenhang mit Abfindungsbeschränkungen bei Personengesellschaft nachdenken. Im rein vermögensverwaltenden Bereich solcher Gesellschaften wird dies aber nur schwer möglich sein.

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Foto(s): ROSE & PARTNER

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