Pflichtteil für Kinder im Erbfall: Klare Antworten zur Höhe und Berechnung

  • 6 Minuten Lesezeit

Im Jahr 2023 haben sich wesentliche Änderungen im Schweizer Erbrecht ergeben, die insbesondere den Pflichtteil von Kindern betreffen. 

Diese Änderungen haben sowohl für Erblasser als auch für Erben bedeutende Auswirkungen. 

In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die neuen Regelungen der Erbrechtsrevision in der Schweiz und deren Bedeutung. 

Für individuelle Fragen und detaillierte Rechtsberatung zum Erbrecht steht Ihnen die Kanzlei Herfurtner gerne zur Verfügung.

Neue Gesetzgebung im Erbrecht 2023

Eine der signifikantesten Anpassungen betrifft den Pflichtteil des Erbes, insbesondere für Kinder.

  1. Übersicht über die Änderungen im Erbrecht ab 2023: Die Gesetzesreform hat zu einer Neugestaltung des Pflichtteilsrechts in der Schweiz geführt. Diese Anpassungen zielen darauf ab, den Erblassern mehr Freiheiten bei der Vermögensverteilung zu ermöglichen und die Rechte der Erben neu zu definieren.
  2. Spezifische Änderungen in Bezug auf den Pflichtteil: Für Kinder des Erblassers wurde der Pflichtteil von zuvor 3/4 auf nunmehr 1/2 des gesetzlichen Erbteils reduziert. Diese Änderung gewährt Erblassern mehr Spielraum bei der Testamentgestaltung und der Verteilung ihres Vermögens. Der Pflichtteil der Eltern des Erblassers wurde komplett abgeschafft, was weitere Implikationen für die Nachlassplanung mit sich bringt.

Diese Erbrechtsrevision reflektiert einen Wandel in der Sichtweise auf Vermögensübertragungen und Erbansprüche und sind von zentraler Bedeutung für alle, die sich mit Erbangelegenheiten beschäftigen. 

Der Pflichtteil für Kinder

Genau wie in Deutschland ist auch im Schweizer Erbrecht der Pflichtteil ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass nahe Angehörige des Verstorbenen, insbesondere Kinder, auch im Falle einer Enterbung einen Mindestanteil am Nachlass erhalten. Diese Regelung dient dem Schutz der engsten Familienmitglieder.

Mit der Erbrechtsrevision 2023 gab es eine signifikante Änderung hinsichtlich des Pflichtteils für Kinder. Früher hatten Kinder Anspruch auf drei Viertel (3/4) ihres gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil. 

Dies bedeutet, dass sie, unabhängig von den Verfügungen im Testament des Erblassers, mindestens drei Viertel des Erbes, das sie nach der gesetzlichen Erbfolge erhalten würden, beanspruchen konnten.

Seit der Revision im Jahr 2023 wurde dieser Pflichtteil jedoch auf die Hälfte (1/2) des gesetzlichen Erbteils reduziert. 

Diese Änderung stellt einen bedeutsamen Schritt dar, der den Erblassern mehr Freiheiten bei der Testamentgestaltung und Vermögensverteilung gibt, während sie gleichzeitig einen angemessenen Schutz für die Kinder als Pflichtteilserben sicherstellt.

Zusammengefasst bedeutet das: Kinder eines Verstorbenen haben nun Anspruch auf die Hälfte dessen, was sie laut gesetzlicher Erbfolge erhalten würden, falls sie im Testament nicht oder in geringerem Umfang bedacht wurden. 

Diese Regelung schützt die Kinder vor vollständiger Enterbung, begrenzt aber gleichzeitig deren Anspruch auf einen Teil des Nachlasses, um den Erblassern mehr Gestaltungsspielraum zu ermöglichen.

In dieser bildlichen Darstellung sehen Sie den Unterschied im Pflichtteil für Kinder nach dem alten und neuen Erbrecht in der Schweiz.

  • Im linken Diagramm, gemäß dem alten Recht, hatten Kinder Anspruch auf 75% (3/4) des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil. Dieser Anteil ist in Rosa dargestellt, während der verfügbare Teil für das Testament in Blau gezeigt wird.

  • Im rechten Diagramm, nach der Gesetzesänderung 2023, ist der Pflichtteil auf 50% (1/2) des gesetzlichen Erbteils reduziert. Auch hier ist der Pflichtteil in Rosa und der verfügbare Teil für das Testament in Blau.

Berechnung des Pflichtteils

Bei der Berechnung des Pflichtteils eines Erbes sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, die den Gesamtbetrag beeinflussen können. 

Hier eine schrittweise Anleitung, um den Pflichtteil im Erbfall zu ermitteln:

  1. Ermittlung des gesetzlichen Erbteils: Zunächst muss der gesetzliche Erbteil bestimmt werden. Dieser hängt von der familiären Konstellation des Erblassers ab. Zum Beispiel, wenn der Erblasser Kinder hat, würde der gesetzliche Erbteil für jedes Kind unter normalen Umständen einen bestimmten Prozentsatz des Nachlasses ausmachen.
  2. Berechnung der Pflichtteilsquote: Seit 2023 beträgt die Pflichtteilsquote für Kinder nach Schweizer Recht 1/2 ihres gesetzlichen Erbteils. Das heißt, der Pflichtteil entspricht der Hälfte dessen, was sie gesetzlich erben würden.
  3. Bewertung des Nachlasses: Um den konkreten Wert des Pflichtteils zu ermitteln, muss der gesamte Nachlass bewertet werden. Dazu gehören Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, persönliche Gegenstände und andere Vermögenswerte.
  4. Abzug von Verbindlichkeiten: Vom Gesamtwert des Nachlasses sind gegebenenfalls die Verbindlichkeiten des Erblassers, wie zum Beispiel Schulden und Beerdigungskosten, abzuziehen.
  5. Berechnung des Pflichtteils: Nachdem der bereinigte Nachlasswert ermittelt wurde, wird dieser mit der Pflichtteilsquote multipliziert, um den konkreten Pflichtteil zu berechnen.

Beispiel: Angenommen, der bereinigte Nachlasswert beträgt 100.000 Euro und ein Kind soll seinen Pflichtteil erhalten. Der Pflichtteil würde in diesem Fall 50.000 Euro betragen (100.000 Euro x 1/2).

Sonderfälle und Ausnahmen

Das Erbrecht sieht für bestimmte Situationen Sonderregelungen vor, die sich auf die Pflichtteilsansprüche auswirken können. 

Diese Spezialfälle bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, da sie die Standardberechnungen des Pflichtteils beeinflussen können.

  1. Scheidungsverfahren: Ein besonders relevanter Fall ist der Tod eines Erblassers während eines laufenden Scheidungsverfahrens. Nach der Gesetzesreform 2023 entfällt der Pflichtteil des überlebenden Noch-Ehegatten, wenn das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder fortgesetzt wurde oder wenn die Ehegatten bereits seit mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers getrennt lebten. Dies gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.
  2. Erbverträge: Erbverträge sind Vereinbarungen, die bestimmte Verfügungen über den Nachlass treffen. Unter bestimmten Umständen können solche Verträge die Pflichtteilsansprüche beeinflussen. Insbesondere kommt ein Schenkungsverbot in Betracht, wenn im Erbvertrag keine Schenkung vorbehalten wurde. Zulässige Schenkungen sind je nach Fallgestaltung geeignet, die Pflichtteilsansprüche zu schmälern.

Praktische Beispiele und Rechner

Um das Verständnis für die Berechnung des Pflichtteils zu vertiefen, ist es hilfreich, konkrete Anwendungsbeispiele zu betrachten. 

  1. Anwendungsbeispiel 1 - Standardfall: Nehmen wir an, der Gesamtwert des Nachlasses eines verstorbenen Erblassers beträgt 200.000 Euro. Er hinterlässt zwei Kinder, aber kein Testament. Nach dem neuen Erbrecht beträgt der Pflichtteil für jedes Kind 50% des ihnen zustehenden gesetzlichen Erbteils. Da beide Kinder gleichberechtigte Erben sind, erhalten sie jeweils die Hälfte des Nachlasses, also 100.000 Euro. Der Pflichtteil für jedes Kind beträgt daher 50.000 Euro (50% von 100.000 Euro).
  2. Anwendungsbeispiel 2 - Scheidungsfall: Ein Erblasser befindet sich im Scheidungsverfahren, als er verstirbt. Der Gesamtwert seines Nachlasses beträgt 300.000 Euro. Nach der Revision des Schweizer Erbrechts 2023 entfällt der Pflichtteil für den überlebenden Ehepartner, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die Kinder des Erblassers würden in diesem Fall ihren normalen Pflichtteil erhalten, während der Ehepartner in diesem speziellen Fall keinen Anspruch mehr auf den Pflichtteil hat.

Rechtliche Beratung und Anpassungen

Das Erbrecht ist ein komplexes und sensibles Rechtsgebiet, das bei Unklarheiten oft zu Erbstreitigkeiten führen kann. 

Die Bedeutung einer qualifizierten rechtlichen Beratung in Erbsachen kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden.

  1. Bedeutung der rechtlichen Beratung bei Erbstreitigkeiten: Professionelle Rechtsberatung ist entscheidend, um Erbstreitigkeiten zu vermeiden oder beizulegen. Ein Anwalt kann helfen, die Rechte der Erben zu wahren, die rechtlichen Ansprüche korrekt zu interpretieren und komplexe Sachverhalte, wie Pflichtteilsansprüche, klar zu regeln.
  2. Empfehlungen zur Überprüfung und Anpassung bestehender Testamente: Angesichts der jüngsten Änderungen im Erbrecht ist es ratsam, bestehende Testamente und Erbverträge zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann dabei unterstützen, sicherzustellen, dass Ihre testamentarischen Verfügungen aktuell sind und Ihren Wünschen entsprechen.

Fazit und Ausblick

  • Zusammenfassung der wichtigsten Punkte: Die Revision im Schweizer Erbrecht 2023, insbesondere in Bezug auf den Pflichtteil, sind von großer Bedeutung für Erblasser und Erben. Eine professionelle Beratung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Aspekte des Erbrechts korrekt berücksichtigt werden.

  • Ausblick auf mögliche zukünftige Entwicklungen im Erbrecht: Das Erbrecht ist einem ständigen Wandel unterworfen. Zukünftige Entwicklungen könnten weitere Anpassungen und Herausforderungen mit sich bringen, weshalb es wichtig ist, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Die Kanzlei Herfurtner bietet Ihnen kompetente Rechtsberatung an, um Ihre individuellen Fragen und Anliegen im Bereich des deutschen Erbrechts zu klären. 

Wir beraten Sie dazu bundesweit sowie im deutschsprachigen Ausland und unterstützen Sie bei der Überprüfung und Anpassung Ihrer Testamente sowie bei allen Fragen rund um Erbschaften und Pflichtteilsansprüche. Kontaktieren Sie uns für eine professionelle und umfassende Beratung.

Foto(s): https://kanzlei-herfurtner.de/


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