Pflichtteil umgehen oder mindern

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Alle Strategien zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen

Das Pflichtteilsrecht schränkt die Testierfreiheit im Erbrecht faktisch ein. So können Sie pflichtteilsberechtigte Angehörige (also vor allem Ihre Kinder und Ihren Ehegatten) zwar durch Testament von der Erbfolge ausschließen. An Ihrem Nachlass bleiben Sie jedoch in der Form von Pflichtteilsansprüchen beteiligt. Diese stellen eine Geldforderung gegen Ihren Erben dar – und zwar immerhin in Höhe der gesetzlichen Erbquote des enterbten Angehörigen.

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Warum soll der Pflichtteil weg?

Dass so eine „unvollständige“ Enterbung unerwünscht ist, kann folgende Gründe haben:

  1. Verhältnis zum Enterbten: Die Beziehung zwischen Ihnen und dem enterbten Angehörigen ist so stark belastet und dauerhaft zerrüttet, dass Ihnen die Vorstellung, dass dieses Familienmitglied überhaupt an Ihrem Vermögen partizipieren wird, höchst unangenehm ist.
  2. Versorgungssicherheit des Erben: Gegebenenfalls ist der gesamte Nachlass notwendig, um Ihren Erben wirtschaftlich abzusichern. Er könnte die im Raum stehenden Pflichtteilsansprüche nur unter großen Schwierigkeiten bedienen.
  3. Schutz des Familienvermögens vor Liquidierung: Gerade, wenn Ihr Nachlass überwiegend aus illiquiden Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht, kann die Geltendmachung des Pflichtteils dafür sorgen, dass diese Vermögenswerte „zerschlagen“ werden müssen.

Obwohl der Gesetzgeber Ihren Angehörigen mit dem Pflichtteil quasi eine Mindestbeteiligung an Ihrem Vermögen garantiert hat, gibt es einige Strategien, wie dieser Pflichtteil ausgeschlossen oder ganz oder teilweise umgangen bzw. reduziert werden kann.

Entziehung des Pflichtteils

Im besten Falle können sie das Pflichtteilsproblem direkt im Rahmen der testamentarischen Enterbung miterledigen. Das Erbrecht kennt nämlich die Möglichkeit der Pflichtteilsentziehung durch eine entsprechende Anordnung in einer letztwilligen Verfügung. 

Da ist jedoch nur dann möglich, wenn Ihr Angehöriger bestimmte schwere Straftaten bzw. Pflichtverletzungen begangen hat, sie die Entziehung korrekt anordnen und dem Übeltäter sein Fehlverhalten auch nicht verziehen haben. In der Praxis sind diese Voraussetzungen nur selten gegeben, sodass die Pflichtteilsentziehung keine große Rolle spielt. Prüfen sollten Sie die Möglichkeit aber stets.

Pflichtteilsverzicht

Ein sicherer und auch praktisch gangbarer Weg ist der Pflichtteilsverzeicht. Bringen Sie Ihren Angehörigen dazu, vor einem Notar mit Ihnen einen Verzichtsvertrag zu schließen. Je nach Konstellation werden Sie hierfür eine Abfindung zahlen müssen.  Dafür ist das Thema Pflichtteil dann aber auch ein für alle Mal erledigt - zumindest wenn er Pflichtteilsverzicht nicht anfechtbar ist, weil der Berechtigte Ihnen strukturell krass unterlegen war, sie dies ausgenutzt und ihn dabei womöglich noch getäuscht haben.

Schenkung zu Lebzeiten

Ein "Klassiker" der Pflichtteilsminderung mit vielen Stolpersteinen ist das Verschenken von Vermögen zu Lebzeiten. Übertragen Sie Vermögenswerte unentgeltlich an andere Personen, also zum Beispiel den Erben, gehören diese Wert nicht mehr zum Nachlass - oder etwa doch? Nun, aus Pflichtteilssicht ist es so, dass der geschenkte Wert erst mal voll weiter zur Pflichtteilsberchnung hinzugezogen wird - man spricht von "Pflichtteilsergänzungsansprüchen". Mit jedem Jahr, das nach der Schenkung bis zum Erbfall vergeht, fallen 10 Prozent des Wertes für den Pflichtteil heraus, so dass Sie nach 10 Jahren am Ziel sind.

Achtung: Wenn Sie ein Kind enterben und Vermögen Ihrem Ehegatten schenken, beginnt die 10-Jahres-Frist erst mal gar nicht. Und das gleiche Problem haben Sie, wenn Sie zwar formal zum Beispiel eine Immobilie weggeben, sich aber durch ein umfassendes Nießbrauchsrecht weiter das wirtschaftliche Eigentum sichern.

Verkauf gegen Leibrente

Eine gute Alternative zur Schenkung kann der Verkauf gegen eine lebenslange Leibrente sein. So müssen Sie Vermögenswerte nicht ohne Gegenleistung weggeben und sichern sich persönlich wirtschaftlich ab. Und Ihrem enterbten Angehörigen bleibt nichts, weil die monatlichen Zahlungen mit dem Erbfall ja enden und damit nicht in den Nachlass fallen.

Minderung der Pflichtteilsquote durch Heirat oder Adoption

Richtig an der Pflichtteilsschraube drehen können sie durch Eingriffe in die gesetzliche Erbfolge. Sind Sie ledig und haben Ihr Kind enterbt, können sie durch eine Heirat den Pflichtteil des Kindes halbieren. Und auch mit einer Adoption gewinnen sie einen weiteren Erben hinzu, der die Pflichtteilsquoten der anderen Familienmitglieder schmälert. 

Flucht ins Ausland

Eine aufwändige und nur in Ausnahmefällen zu empfehlende Strategie zur Pflichtteilsminderung ist der Wegzug bzw. die Vermögensverlagerung in ein anders Land, das kein (so strenges) Pflichtteilsrecht kennt. Gemäß der EU-Erbrechtsverordnung richtet sich das anwendbare Erb- und Pflichtteilsrecht nämlicht nicht nach Ihrer Staatsangehörigkeit, sondern nach Ihrem letzten gewöhnlichen Aufenthalt bei Ihrem Versterben.


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