Prämiensparen: (un-) wirksam kündigen und richtig und falsch rechnen

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Trotz unzähliger Gerichtsverfahren verärgerter Bankkunden, die nicht zuletzt auch vor dem BGH als oberstes Gericht der Bundesrepublik Deutschland landeten, sind in Bezug auf die Kündigung von Prämiensparverträgen im Einzelfall viele Fragen ungeklärt.

  1. Die Streitpunkte: Kündigung und Zinsnachzahlungsanspruch

Fakt ist: Ein Prämiensparvertrag, der ggf. aufgrund einer Vertragsänderung oder Vertragsumschreibung eine Laufzeitvereinbarung beinhaltet, kann nicht vor Ablauf dieser Vertragslaufzeit seitens den Sparkassen gekündigt werden. 

Dies wurde bereits von mehreren deutschen Gerichten und natürlich auch vom Bundesgerichtshof bestätigt. Derartige Kündigungen sind unwirksam.

Wie dies u.a. auch von der BaFin bestätigt wurde, wurden eine Vielzahl an Verträgen über Jahre bzw. Jahrzehnte hinweg falsch abgerechnet. So ist u.a. auch eine Zinsanpassungsklausel unwirksam, die den Verbraucher bezüglich dessen auf Aushänge im Kassenraum der Filialen verweist.

  1. Pflichtgemäßes Abrechnen eines Zinsnachzahlungsanspruchs:

Wie und auf welcher Grundlage letztendlich aber richtigerweise abgerechnet und ein Zinsnachzahlungsanspruch berechnet werden soll, bleibt letztendlich bis heute offen.

Das, was der BGH letztendlich urteilte, ist dass bei der Zinsberechnung ein langfristiger, von der Deutschen Bundesbank veröffentlichter Zinssatz anzuwenden ist.

Welcher Zinssatz dies sein kann legt der BGH aber nicht fest.

So haben die Banken einen Ermessenspielraum schon hinsichtlich des Referenzzinssatzes, der richterlich lediglich einer eingeschränkten Kontrolle unterliegen kann.

Soweit viele Anwaltskollegen mit Blick auf die Rechtsprechung des OLG Dresden eine Klärung erhoffen, ist zu beachten, dass aufgrund der Einzelfallrechtsprechung unseres Rechtssystems eine Ausstrahlungswirkung der erwarteten Entscheidung lediglich Gegenstand einer erwünschten Hoffnung sein konnte und eine aktuelle Entscheidung den ursprünglichen Optimismus der Bankkunden beträchtlich trübt (s.u.).   

Der Einzelfall ist vom Einzelrichter zu entscheiden und dieser übt sein eigenes richterliches Ermessen im konkreten Fall, wenn auch mit Blick auf die BGH-Rechtsprechung und die Rechtsprechung der Landgerichte und Oberlandesgerichte, aus. 

Damit ist die häufig im Internet zitierte Rechtsprechung lediglich von begrenzten Informationswert für den Einzelfall des Bankkunden. In seiner  Entscheidung zur Musterklage des OLG Dresden vom 22.04.2020 (Az.: 5 MK 1 /19) äußerte sich der Senat des BGH allenfalls wie folgt:

„Der Senat verkennt nicht, dass gleichlautende schriftliche Verträge und das Fehlen jeglicher Individualvereinbarungen und ein Besparen der Verträge mit monatlichen Raten unterstellt, der vom Hauptantrag bezeichnete Referenzzinssatz geeignet erscheint. (…) Bei dem von dem Kläger angeführten Zinssatz der Deutschen Bundesbank XW 4260 sind diese Anforderungen erfüllt.“ 

Allerdings es betroffenen Banken unbenommen ist, andere Zinsreihen der eigenen, geschuldeten Zinsnachberechnung zu Grunde zu legen, da auch insoweit durch die Rechtsprechung des BGH erst einmal keine Grenzen gesetzt sind.

Da der Bundesgerichtshof aufgrund der Gesetzeslage sich nicht auf einen bestimmten Zinssatz festgelegt hat, haben Verbraucher, um Ihren Anspruch auf Zinsfortzahlung bzw. Zinsnachzahlung  durchzusetzen folgende rechtliche Hürden in Fällen der vorliegenden Art zu überwinden:

  1. Unwirksamkeit der Kündigung:  Nur wenn die Kündigung rechtsunwirksam ist, besteht ein Rechtsanspruch auf Fortführung des Vertragsverhältnisses und (richtiger) Berechnung der Zinsen für die Zukunft sowei Zahlung der Prämien. 
  2. Zinsnachzahlungsanspruch: Geeignetheit des Referenzzinssatzes:
  3. Zinsnachzahlungsanspruch: die Höhe der Nachberechnung.

All dies ist vom Bankkunden, der sich mit seiner Bank streitet darzulegen und zu beweisen.

Zu  1.) Unwirksamkeit der Kündigung

Diese wird von der herrschenden Rechtsprechung im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes immer dann gewesen sein, falls eine feste Laufzeitvereinbarung konkret vereinbart wurde. Also sich wortwörtlich in den Vertragsurkunden die Laufzeit in Monaten oder Jahren, als solche bezeichnet sich wiederfindet.

Wurde lediglich (nachträglich) mit einer Prämienzinsstaffel geworben die zwar aufzeigt, dass es nach dem 5ten, 10ten, 15ten oder 20ten Sparjahr (etc.) weitergehen kann, wenn das Prämienziel erreicht ist (also die maximal höchste Sparprämie von der Bank zu zahlen ist) bedeutet dies (im Zweifel) , dass keine konkrete Laufzeitvereinbarung vereinbart wurde. 

Dies, da aus Sicht der Bank ja alleine mit der Übersicht über die Prämienentwicklung kein konkret rechtsverbindliches Angebot geäußert wurde, welches der Verbraucher hatte annehmen können. 

Diese Argumentation der Rechtsprechung, kann man in Fällen in denen die Prämienstaffel zeitlich nach oben offen ist, nachvollziehen. Wenn dort steht, dass nach dem 20ten 25ten oder 30ten Sparjahr die Prämienzahlung weiter geht… aber unklar ist wie lange… über das zuletzt angegebene Vertragsjahr hinaus. Fehlt es an der sog. "Bestimmtheit" eines rechtlichen Angebots. 

Wenn also aufgrund der Unterlagen unklar ist wie lange eine Laufzeit tatsächlich vereinbart wurde liegt nach Ansicht vieler Richter eben ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Vertragsverhältnis vor. Dieses kann dann auch nach Erreichen des Prämienziels nach der herrschenden Rechtsprechung eben wirksam gekündigt werden.

Zu 2.) und zu 3.)  Zinszahlungsanspruch: Geeignetheit des Referenzzinssatzes und Höhe des Anspruchs auf Zinsnachzahlung

Viele Verbraucher wenden sich, was begrüßenswert ist an die Verbraucherzentralen, welche im Regelfall entgegen einer geringen Bezahlung ein Gutachten erstellen. Diese Gutachten haben im Regelfall ein erfreuliches Ergebnis. Bis zu 3.000,00 € im Durchschnitt lässt sich im Internet recherchieren. Aufgrund der Praxiserfahrung unserer Kanzlei liegen die Ergebnisse (was nicht wundert) bei ca. 400,00 – 5.000,00 € in Abhängigkeit zur Dauer des Sparvertrages und der Höhe der Sparrate. Ebenso im Internet kann recherchiert werden, dass ein Vergleich über 50% dieser Forderung ein "gutes Ergebnis" ist. Dem schließe ich mich an. 

  1. Referenzzinssätze: 

Wenn man nun so eine schöne Forderung hat und diese geltend macht treten erwartungsgemäß die Banken dem entgegen rügen den Referenzzinssatz als falsch. Dabei gibt es eine ganze Anzahl von Referenzzinsätzen die einer Zinsabrechnung zu Grunde gelegt und angeführt werden können. Welcher der Richtige ist bestimmt im Klageverfahren dann im Zweifel ein Gutachter, den das Gericht bestellt.

Eine unerwartet "eiskalte Dusche" bekommen derzeit Bankkunden die Gutachten mit dem Referenzinssatz  die Zinsreihe für Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe mit 10 Jahre gleitendem Durchschnitt (ehem. Bezeichnung WX4260) und einen relativen Zinsabstand zugrunde legen.  Hier entschied das sonst so gerne zitierte  OlG Dresden, Urteil vom 13.04.2022 in Sachen:  F.S. ./. Ostsächsische Sparkasse (Az.: 5 U 1973/20) das der Zinssatz nicht maßgeblich sein könne, weil mit einem Zinsdruchschnitt gerechnet worden sei, den die Gutachter der Verbraucherzentrale selbst errechnet hätten und damit eben kein veröffentlichter Referenzissatz  verwandt wurde (da eben abgeändert) . Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

 vgl.: die Homepage der Sächsischen Staatskanzlei:

https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1042793

Man kann sich hier dann meines Erachtens nur noch darüber streiten, ob eine Berechnungsmethode die von einem veröffentlichten Referenzinssatz - abgeleitet nicht doch noch geeinet ist. Oder man holt sich als betroffener Anlege ein weiteres Gutachten.

  1. Berechnungsmethodik: 

Die in Anspruch genommene Bank wird aufgrund der Rechtslage und aufgrund dieser Rechtsprechungsentwicklung erst Recht, die von Ihnen geltend gemachte Forderung bestreiten und die konkrete Berechnungsmethodik der Verbraucherschutzvereins versuchen als fehlerhaft rügen. Streitet man sich gründlich kann es schlussendlich dann noch um die Frage der Vorlage von Sparbüchern und den Nachweis lückenloser Zahlung der Sparraten handeln. Man kann sich vortrefflich um Auskunftspflichten der Bank (Abrechnung, Aufbewahrungspflichten) und die Möglichkeit einer auch abstrakten Zinsberechnung streiten, wenn Unterlagen fehlen.

  1. Sinnvolles Vorgehen:

Selbstverständlich sollten Sie als Verbraucher Ihre rechtlichen Chancen wahren und folgende Reihenfolge beim Vorgehen gegen die Bank beachten:

  1. Widersprechen Sie der Kündigung

Muster für Widerspruchsschreiben finden Sie unzählig im Internet veröffentlicht.

  1. Beauftragen Sie einen Verbraucherschutzverein

mit der Erstellung eines Gutachtens Ihres Nachzahlungsanspruchs und konfrontieren Sie damit die Bank. Stellen Sie soweit möglich sicher, dass dort nicht der durch das OLG Dresen als unzulässig beurteilte Referenzinsatz mit "relativen Zinsabstand" dem Anspruch auf Zinsnachberechnung zu Grunde gelegt wird.

  1. Beauftragen Sie einen Anwalt,

aber stellen Sie zuvor sicher, dass Sie eine Rechtsschutzversicherung besitzen und ggf. nicht eine Selbstbeteiligung geschuldet ist die höher als der Zinsnachzahlungsanspruch selbst ist.

Spätestens dann sollten Sie außergerichtlich oder gerichtlich einen Vergleich schließen, bzw. wenn Sie es „genau wissen wollen“ ein Urteil unter Einholung eines gerichtlichen Gutachtens erstreiten. (Dieses kostet alleine erfahrungsgemäß ca 2.500-5.500 Euro).

Manche Rechtschutzversicherungen kündigen den Rechtschutzversicherungsvertrag, falls Ihre Klage nur zu 10, 20 oder 30 % obsiegt. Dies, weil die kompletten Kosten Ihres Anwaltes und die überwiegenden Kosten des Gutachtens aber auch des gegnerischen Anwalt „bei Ihnen hängenbleiben“. Während des Verfahrens bleiben dann zwar im Fall einer Deckungszusage die Kosten gedeckt. Danach aber müssen Sie sich ggf. nach einer neuen Rechtschutzversicherung umsehen. 

Foto(s): Martin Haas

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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