Prostatakarzinom - Behandlung mit Protonentherapie zu Lasten der GKV

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Das Sozialgericht Duisburg hat die Techniker Krankenkasse mit Beschluss vom 15.3.2024 verpflichtet, die Kosten für eine ambulante Protonentherapie zu übernehmen (S 41 KR 115/24 ER).

Sachverhalt

Bei dem Antragsteller sind extra-regionäre Lymphknotenmetastasen eines Prostatakarzinoms diagnostiziert worden. Im März 2020 ist bei dem Antragsteller eine Prostatektomie durchgeführt worden; nachfolgend hat man ihn mit einer adjuvanten Radiotherapie sowie einer begleitende Hormontherapie bis Dezember 2021 behandelt. Im August 2023 wurde ein erneuter Anstieg des PSA-Werts festgestellt; daraufhin beschloss die interdisziplinäre Tumorkonferenz, dass keine Radiatio mittels Photonen bei fünf Lympknotenmetastasen durchgeführt werden solle, sondern eine Protonentherapie inForm der Partikelbestrahlung. Auch verwies die Tumorkonferenz auf die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die bis Dezember 2021 durchgeführte Androgendeprivationstherapie (ADT). Am 19.09.2023 beantragte der Antragsteller die Kostenübernahme für eine Protonentherapie. Im Antragsschreiben ist ausgeführt, dass die Indikation zur Durchführung einer Protonentherapie bestehe und diese einer konventionellen Strahlentherapie vorzuziehen sei. Die Kosten für die Therapie würden mit ca. 29.000,00 EUR zuzüglich der notwendigen Anästhesieleistungen bemessen.

Die TK hat den Antrag abgelehnt. Der Antragsteller hat Widerspruch eingelegt.

Die behandelnde Ärztin nahm zu dem MD-Gutachten  Stellung und führte unter anderem aus, dass der Antragsteller im eine applizierte Hormonentzugstherapie (ADT) durchgeführt und diese schlecht toleriert habe und aus diesem Grund eine ADT und eine ARTA zu vermeiden sei. Eine neuerliche Radiotherapie mit Photonen des nun anstehenden paraaortalen abdominalen Zielvolumens werde hinsichtlich der zu erwartenden Normalgewebstoxizitäten abgelehnt. Dieses Zielvolumen sei allerdings auf Grund der aktiven dreidimensionalen Strahlsteuerung sehr effektiv und schonend mit der begehrten Partikelbestrahlung mit Protonen therapierbar.

Den Widerspruch hat die TK zurückgewiesen. Der Antrag hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt

Entscheidungsgründe

Es besteht nach summarischer Prüfung ein Anordnungsanspruch aus § 27 Abs. 1 SGB V, denn die Therapie mit 25 ambulanten Bestrahlungen mit Protonen (Partikelbestrahlung) ist notwendig, um die Verschlimmerung der Krankheit des Antragstellers zu verhüten und seine Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. 

Zwar ist ein Anspruch des Antragstellers auf die Versorgung mit der begehrten Protonentherapie als ambulante vertragsärztliche Leistung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGBV ausgeschlossen, da neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkasse nur erbracht werden dürften und gehören auch nur dann zu den von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören, wenn der G-BA Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinischer Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit abgegeben hat. Eine solche Empfehlung liegt unstreitig nicht vor.

Der Anspruch des Antragstellers folgt allerdings aus § 2 Abs. 1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemeinanerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Gerichts vor. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leidet. Es ist dem an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Antragsteller nicht zuzumuten, eine bereits mit erheblichen Nebenwirkungen verbundene ADT/ARTA erneut durchzuführen. Auch geht das Gericht davon aus, dass bei der begehrten Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die behandelnden Ärzte des Antragstellers begründen dies mit entsprechenden Veröffentlichungen. Soweit sich der MD der Einschätzung des behandelnden Arztes nicht anschließt, führen die Einwände, zumindest im vorliegenden Eilverfahren, nicht dazu, zumindest eine ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung zu verneinen. Dem Gericht fehlt die medizinische Sachkompetenz zu einer Beurteilung der Studienlage; die weitergehende Prüfung der bestehenden Studienlage durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. 

Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Eilbedürftigkeit der Therapie sowie der Tatsache, dass für die Therapie Kosten von ca. 29.000,00 EUR zuzüglich Anästhesieleistungen anfallen und dem Antragsteller eine Vorfinanzierung dieser Summe nicht möglich ist.

Fazit

Bei fehlenden Therapieoptionen hat der Versicherte Anspruch auf Versorgung mit der Protonentherapie, wenn die behandelnden Ärzte unter Verweis auf medizinische Studien eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestätigen.

Ablehnende Bescheide sind mit dem Widerspruch anzugreifen. Parallel ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu stellen, über den das Gericht binnen zwei bis sechs Wochen entscheidet. Der Ausgang des Widerspruchsverfahrens ist nicht abzuwarten. Denn dem Versicherten läuft die Zeit davon. Er braucht die medizinische Versorgung so schnell wie möglich, und nicht in drei, sechs oder 18 Monaten nach erfolgreichem Widerspruch oder der Klage stattgebendem Urteil.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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