Prozessbetrug nicht vor dem Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung

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Zu der Frage, wann der Tatbestand des Prozessbetruges erfüllt ist, sind in dem Urteil des Bundesgerichtshofes 1 StR 265/16 vom 9. Mai 2017 klärende Feststellungen enthalten. Danach soll ein Prozessbetrug grundsätzlich nicht strafbar sein, bevor kein entsprechender Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt worden ist.

Wann bei einem Prozessbetrug, insbesondere in Verfahren mit mündlicher Verhandlung, das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gemäß § 22 StGB und damit das Versuchsstadium erreicht ist, sei in Rechtsprechung und Lehre noch nicht abschließend geklärt, BGH-Urteil 1 StR 265/16 vom 9. Mai 2017, Rdnr. 92.

Festzustellen sei, dass das Verhalten einer Täuschung durch den Inhalt von Schriftsätzen im Vorfeld einer mündlichen Verhandlung zur Erreichung einer Klageabweisung gegenüber dem Gericht noch nicht als unmittelbares Ansetzen zum Versuch gewertet werden könne.

Die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen werden in dem BGH-Urteil 1 StR 265/16 vom 9. Mai 2017 wie folgt zusammengefasst, die letzte Auffassung wohl als eigene vorziehend:

„Die vorhandene Rechtsprechung und Literatur befasst sich vor allem mit der umgekehrten Fallkonstellation einer Täuschung des Gerichts durch den Kläger im Wege der Einreichung einer Klageschrift oder anderer Schriftsätze, die unwahre Behauptungen enthalten. Dabei wird zum Teil bereits mit dem Einreichen eines Schriftsatzes mit unrichtigen Tatsachenbehauptungen ein Versuchsbeginn angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1974 – 1 StR 553/73, bei Dallinger MDR 1975, 194, 197; BayObLG, Urteil vom 23. Februar 1995 – 5 StRR 79/94, NJW 1996, 406, 408; zustimmend Tiedemann in LKStGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 279 und Satzger in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 336), zum Teil erst bei Kenntnisnahme des Richters von der unrichtigen Behauptung (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 22. De90 91 92 93 - 38 - zember 1981 – Ws 472/81, NStZ 1982, 247). 

Eine andere Ansicht nimmt Versuchsbeginn erst bei Abschluss der täuschenden Einwirkung auf den Richter an, was der Fall sei, wenn in der mündlichen Verhandlung gemäß § 128 Abs. 1, § 137 Abs. 3 Satz 1 ZPO auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen werde (vgl. MüKoStGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263 Rn. 823 mwN; Krell, JR 2012, 102, 108 f.). 

Wieder andere Autoren sehen beim Prozessbetrug den Versuchsbeginn erst mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung als gegeben an (vgl. Zaczyk in Festschrift für Krey, 2010, S. 485, 498; zustimmend Kindhäuser in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 376).“

Grundsätzlich könne der Tatbestand des versuchten Prozessbetruges ohne einen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht erfüllt werden. Dem Antrag im Termin zur mündlichen Verhandlung komme eine hohe Bedeutung zu. 

Soweit die Klärung in dem BGH-Urteil 1 StR 265/16 vom 9. Mai 2017.

Gleichwohl könne eine Täuschung der gegnerischen Partei möglich sein, wenn der Unterfall eines Dreiecksbetruges vorliege. Dieses könne dann angenommen werden, wenn die gegnerische Partei aufgrund eines falschen Vortrages zu einer schädigenden Vermögensverfügung veranlasst werde, BGH-Urteil 1 StR 265/16 vom 9. Mai 2017, Rdnr. 101.

Fazit: Die Ausführungen einer Partei sind grundsätzlich für den Richter gedacht und nicht für die Gegenpartei. Dennoch kann bei der Täuschung der Gegenpartei, etwa durch unvollständigen Vortrag, grundsätzlich ein Vermögensschaden nicht ausgeschlossen bleiben. Insoweit überwiegt das Verbot des der Selbstbelastungszwanges das Gebot des wahrheitsgemäßen und vollständigen Vortrages nicht in allen Fällen. 

Wird eine nachteilige Tatsache unter Verstoß gegen Beweiserhebungs- oder Beweisverwertungsnormen vorgetragen, soll ein derartiger an sich zutreffender Vortrag streitig gestellt werden dürfen. Es würde allerdings insoweit ausreichen, sich bei einem Beweiserhebungsverbot etwa gegen die DSGVO auf ein Beweisverwertungsverbot zu berufen, Dyck/Ittner "Das Sachvortragsverwertungsverbot", NJW 2021/1633.


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