Quiet Quitting – Was ist das eigentlich?

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Quiet Quittung – die stille Kündigung?

Kündigung vermeiden: Arbeitsvertragliche Pflichten kennen

Was es mit Quiet Quitting auf sich hat, welche arbeitsvertraglichen Pflichten Arbeitnehmer einhalten müssen, um eine Kündigung des Arbeitgebers zu vermeiden, welches Verhalten dabei rechtmäßig ist – und was genau eine Kündigung des Arbeitgebers rechtfertigen könnte, beleuchten für Sie unsere Experten im Arbeitsrecht.

Quiet Quittung – die stille Kündigung?

Übersetzen kann man den Begriff „Quiet Quitting“ im Deutschen mit „stillem Kündigen“. Ausgelöst durch ein TikTok-Video steht der aus Amerika stammende Trend momentan symbolisch für viele gesellschaftliche Veränderungen unserer Zeit. Eine einheitliche Begriffsdefinition gibt es nicht. Aber im Grunde steht „Quiet Quitting“ dafür, „Dienst (nur) nach Vorschrift“ zu leisten.

In der englischen Umgangssprache könnte man vom „bare minimum“ sprechen. Arbeitnehmer tun also nur noch das absolut Nötigste dessen, was zur Leistungserbringung erforderlich ist. Der Begriff „Quiet Quitting“ an sich impliziert jedoch fälschlicherweise eine Kündigung und damit zusammenhängendes vorschriftswidriges Verhalten – das stimmt so nicht ganz.

Kann Leistung nach Vorschrift ein Kündigungsgrund sein? – Nein

Arbeitnehmer schulden im deutschen Arbeitsrecht grundsätzlich nur die Erbringung einer „durchschnittlichen Leistung“ während der Arbeitszeit. Überstunden sind daher nur ausnahmsweise geschuldet, wenn diese im Arbeitsvertrag vereinbart wurden – und das ist nur unter strengen rechtlichen Voraussetzungen möglich, weshalb die meisten Überstunden-Klauseln in deutschen Arbeitsverträgen unwirksam sind.

Besondere Beachtung muss dabei auch das Arbeitszeitschutzgesetz finden.

Pflichten aus dem Arbeitsvertrag – wann droht die Kündigung?

Kennen Arbeitnehmer ihre genauen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, lässt sich eine außerordentliche Kündigung regelmäßig vermeiden. Sind Überstunden wirksam vereinbart, werden diese auch geschuldet. Ausnahmsweise können sie auch dann geschuldet werden, wenn sie zwar nicht vereinbart, aber zur Einhaltung einer wichtigen Frist oder Vertretung eines Kollegen erforderlich sind – vorausgesetzt es erfolgt ein späterer Ausgleich.

ABER: Der Arbeitgeber ist stets zur Abmahnung verpflichtet, bevor eine außerordentliche Kündigung erfolgen kann.

Eine ordentliche Kündigung ist dagegen grundsätzlich immer möglich. Dort besteht auch ein Risiko beim „Quiet Quitting“: Arbeitnehmer sollten nicht den Eindruck erwecken, dass ihre Stelle nicht hinreichend benötigt wird. Vor allem in großen Betrieben ist die ordentliche Kündigung jedoch in Angesicht des Kündigungsschutzgesetzes an einige Voraussetzungen gebunden.

Work-Life-Balance im Fokus der Arbeitnehmer

Anders als der Begriff „Quiet Quitting“ erahnen lässt, geht es den Mitarbeitenden nicht darum, eine Kündigung zu provozieren und gegen vertragliche Pflichten zu verstoßen. Es geht vielmehr darum, sich nicht für seinen Job aufzureiben, nicht mehr die Extra-Meile zu gehen oder sich herausragende Mühe zu geben.

Die Gesellschaft ist im Wandel und entfernt sich vom „Leben, um zu arbeiten“ und verlagert ihre Prioritäten hin zur eigenen Individualität, zur Freizeit und zum Familienleben. Sowohl die 4-Tage-Woche als auch Homeoffice gewannen im Jahr 2022 immer mehr an Popularität. Letzteres auch durch die Zunahme an Homeoffice-Regelungen. Das Recht auf Teilzeit ist dagegen längst gesetzlich verankert.

Trend: Weniger Überstunden – mehr Homeoffice

Das „Quiet Quitting“ kommt als Alternative in eine Zeit, in der in Deutschland Überstunden immer noch für jeden achten Arbeitnehmer zum Alltag gehören. Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren es in Deutschland im Jahr 2021 knapp 4,5 Millionen Menschen, die regelmäßig Überstunden machten. Aber: Von den 15 - 24-Jährigen sind es nur 1,5%, die mehr als 48 Stunden wöchentlich arbeiten.

Gleichzeitig unterliegt der deutsche Arbeitsmarkt derzeit einem signifikanten Wandel: Dank Fachkräftemangel und der zunehmend alternden deutschen Gesellschaft sind junge und gut qualifizierte Arbeitnehmer das erste Mal seit langer Zeit in der vorteilhaften Position, sich ihren Beruf und die dazugehörigen Konditionen aussuchen zu können.

Wofür steht das „Quiet“ in Quiet Quitting?

Das „Quiet“ in „Quiet Quitting“ steht für die noch zu langsame Umstellung in den Köpfen vieler Arbeitgeber. Die gewandelte Mentalität der Mitarbeiter wird zwangsläufig dazu führen, dass die Verweigerung von Mehrarbeit ohne entsprechende Entlohnung in der Zukunft die Regel wird. Viele Chefs scheinen das noch nicht verstanden zu haben. Das „Quiet Quitting“ schafft insofern Fakten, ohne ein vielleicht notwendiges Gespräch herbeizuführen.

Arbeitgebern sollte daran gelegen sein, dass Angestellte ihre Arbeit gerne machen und sich von ihrem Arbeitgeber hinreichend wertgeschätzt und unterstützt fühlen – nicht aber sich in einer Trotz-Haltung zurückziehen und lediglich das notwendige Minimum leisten. Das Phänomen „Quiet Quitting“ setzt daher die Arbeitgeber in Zugzwang.

Hoffentlich verstehen Arbeitgeber das als Chance, um Pflichten im Arbeitsvertrag rechtsgültig und fair auszugestalten, Überstunden einzudämmen und Homeoffice als Gewinn zu betrachten. Damit können auch in Krisenzeiten und bei Fachkräftemangel neue Arbeitnehmer gewonnen werden.


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Foto(s): ©Adobe Stock/Miljan Živković

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