Recht einfach: Streupflicht auf dem Parkplatz (BGH, Urteil vom 2. Juli 2019)

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In dieser Rubrik will ich Ihnen in unregelmäßigen Abständen die Rechtsprechung in den von mir bearbeiteten Rechtsmaterien näherbringen. Es kann sich dabei um aktuelle Entscheidungen der Gerichte ebenso handeln wie um Grundsatzurteile oder sonst länger zurückliegende Verfahren.

Gerichtsentscheidungen sind oftmals kompliziert, vielfach für den Laien unverständlich. Ich fasse den Sachverhalt und die Entscheidung zusammen und erläutere die Bedeutung für den einzelnen.

Dabei wird die Entscheidung naturgemäß nur verkürzt dargestellt.

Diesmal will ich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 2. Juli 2019, Az.: VI ZR 184/18 vorstellen. Darin geht es um den Umfang der Streupflicht auf dem Parkplatz eines Lebensmittelmarktes.

Der Sachverhalt

Ausgangspunkt der Entscheidung ist ein Sturz aufgrund von Glatteis.

Die Beklagte (B1) dieses Verfahrens betreibt einen Lebensmittelmarkt und hält auch einen Parkplatz vor, der vorwiegend für Kunden des Marktes gedacht ist. Allerdings wird der Parkplatz auch von Anwohnern genutzt, die ihre Fahrzeuge dort auch über Nacht abstellen.

Im Jahr 2013 beauftragte B1 eine weitere, ebenfalls beklagte Person (B2) mit dem Winterdienst auf dem Parkplatz.

Die Klägerin gab an, am Morgen des Unfalltages hätten Minusgrade und allgemeine Glätte geherrscht. Gegen 8:15 Uhr habe sie ihren Pkw auf einer markierten Stellfläche nahe dem Eingang des Marktes abgestellt. Im Boden des Parkplatzes habe sich eine Vertiefung befunden, in der sich Wasser gesammelt habe, das über Nacht gefroren sei. Auf dieser gefrorenen Fläche – im Bereich der markierten Stellflächen zwischen den parkenden Fahrzeugen – sei sie ausgerutscht und mit dem Gesicht auf den Asphalt gestürzt.

Die gesamte Darstellung des Sachverhalts finden Sie in der Entscheidung unter Randnummern 1 bis 4.

Der Verfahrensgang

Die Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen, auch mit der Berufung vor dem Oberlandesgericht konnte die Klägerin nicht durchdringen. Daraufhin führte die Klägerin das Verfahren mit der Revision zum BGH weiter.

Der rechtliche Kontext

Die entscheidenden Fragen dieses Falles drehen sich um die sogenannten Verkehrssicherungspflichten. Solche Pflichten bestehen in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens, ihre Verletzung kann Schadensersatzansprüche auslösen.

Grundsätzlich wird als verkehrssicherungspflichtig angesehen,

  • wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält,
  • wer eine Sache beherrscht, die für Dritte gefährlich werden könnte,
  • wer gefährliche Sachen dem allgemeinen Verkehr aussetzt oder sie in Verkehr bringt.

Soweit das Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht festgestellt wird, ist außerdem zu klären, welche Maßnahmen der Pflichtige zu ergreifen hat, um ihr zu genügen.

Der BGH geht zwar zutreffend auch auf die Frage vertraglicher Schutzpflichten ein, dieser Aspekt soll hier jedoch ausgeklammert werden.

Die Entscheidung

Auch der BGH wies die Klage ab.

Voraussetzung für eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten im Falle von Glätte ist zunächst, dass allgemein Glätte gegeben ist oder erkennbare Anhaltspunkte für ernsthaft drohende Gefahren aufgrund vereinzelter Glätte bestehen (BGH, a. a. O., Rn. 10 m. w. N.).

Auch bei allgemeiner Glätte besteht allerdings keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht (BGH, a. a. O., Rn. 11). Vielmehr ist der Umfang im Einzelfall zu bestimmen, wobei das Erforderliche zur Sicherung des Verkehrs zu veranlassen ist, soweit es zumutbar ist (BGH, a. a. O., Rn. 12).

Im Bereich der markierten Stellflächen sind die Gefahren von Glätte nach der Ansicht des BGH als eher gering einzustufen, weil dieser Bereich nur kurz – für den Ein- und Ausstieg – betreten werden müsse und die Betroffenen zudem am Fahrzeug Halt finden können (BGH, a. a. O., Rn. 15).

Ausreichend sei es daher, wenn die Fahrflächen geräumt und gestreut würden (BGH, a. a. O., Rn 18).

Der BGH entscheidet letztlich nach Zumutbarkeitserwägungen, wobei die Eigenverantwortung des Kunden gegen die notwendige Tätigkeit von B2 steht, der letztlich eine dauerhafte Kontrolle vornehmen und gegebenenfalls per Hand zwischen den Fahrzeugen streuen müsste. Den hohen Aufwand, den B2 betreiben müsste, sieht der BGH als nicht mehr zumutbar an (BGH, a. a. O., Rn. 19).

Der BGH liefert hier eine recht detaillierte Entscheidung zu der Frage, wann Verkehrssicherungspflichten im Sinne von Räum- und Streupflichten bestehen und welche Faktoren Beachtung verdienen, wenn es um deren Bestimmung geht.

Dabei muss man die Zumutbarkeitserwägungen nicht teilen, mit guten Gründen könnte man auch eine andere Wertung vornehmen.

Zu beachten sind insoweit aber – worauf der BGH auch zutreffend hinweist – die Besonderheiten und Umstände des Einzelfalls. Da ein großflächiges Bestreuen etwa im Verlauf der Nacht aufgrund der konkreten Gegebenheiten nicht möglich war, kann dies auch nicht als zumutbar angesehen werden. 

Die Entscheidung bedeutet nicht, dass in jedem Fall nur derart eingeschränkte Pflichten bestehen, es gibt durchaus auch Entscheidungen, die zu dem gegenteiligen Ergebnis kommen. Hinsichtlich der Abwägung der unterschiedlichen Belange ist die Entscheidung bereits deswegen lehrreich, weil sie dem Rechtsanwender einen guten Überblick über einzubeziehende Aspekte gibt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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