Rezension: Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht (Hrsg. Frank Maschmann u.a., C.H. Beck Verlag, 2020)

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Als Anwalt halte ich mich fachlich auf dem Laufenden und lese regelmäßig Neuerscheinungen in der Fachliteratur. 

Ist eine Rezension eines Fachbuches für Vertragsgestaltung für Arbeitnehmer nützlich? Lohnt es sich überhaupt ein Fachbuch zu beschaffen, oder dieses ggf. in einer Bibliothek zu studieren?

Viele Arbeitnehmer suchen erst einmal nach einer Lösung über ihre aktuellen Probleme im Internet. Die Quellen im Internet sind zum Teil verlässlich, zum größten Teil jedoch weniger vertrauenswürdig. Am Ende der "Eigenrecherche" bleibt beim Arbeitnehmer die Unsicherheit, ob das, was man gelesen hat, arbeitsrechtlich auch gilt. 

Ein aktuelles Fachbuch kann sichere und verlässliche Antworten liefern. Meiner Erfahrung nach wollen viele Arbeitnehmer erst einmal in "Eigenregie" prüfen - dies zum Teil überaus engagiert -, ob bestimmte Klausel in Ihren Arbeitsverträgen (zu den Themen Urlaubsanspruch, Vertragsstrafe, Kündigungsfrist, Kurzarbeit, Vergütung, Dienstwagen, Zuschläge, Mehrarbeit, Überstunden, Arbeitszeit etc.) nun wirklich wirksam sind oder eben nicht. Aus diesem Grund macht eine Rezension über ein Fachbuch, auf das ggf. auch ein engagierter Laie zurückgreifen kann, durchaus Sinn.

Die untenstehende Rezension habe ich der NZA (Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) und dem ArbR (Arbeitsrecht Aktuell) zur Veröffentlichung angeboten. Sie wurde nicht angenommen.

Die Rezension:

Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht

Dr. Péter Csingár, Rechtsanwalt

Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht.

Arbeits- und Anstellungsverträge. Hrsg. von Frank Maschmann, Rainer Sieg, Burkard Göpfert, 3. Auflage. München, C. H. Beck Verlag 2020. S. 1680., geb. Euro 159,-. ISBN: 978-3-406-74157-9.

Da der Rezensent mit der 2.Auflage des Buches in seiner alltäglichen Arbeitspraxis sehr gute Erfahrungen gemacht hat, war die Vorfreude auf die angekündigte Neuauflage entsprechend groß. Der bewährte Aufbau des Werkes wurde im Wesentlichen beibehalten, die neu gestalteten Inhaltverzeichnisse sorgen für eine bessere Übersicht. Nach einer Einführung in die Grundlagen der Vertragsgestaltung, gelangt der Leser nach der Lektüre dutzender Vertragsmuster zum Kernstück des Buchs, den Erläuterungen einzelner Themenbereiche von „A“ bis „Z“(von „Abtretungsverbot“ bis „Zurückbehaltungsrechte“) mit den dazugehörigen Vorschlägen zur Vertragsgestaltung.

Von dem Hintergrund der arbeitsrechtlichen Herausforderungen der Corona-Pandemie ist das Interesse an aktuellen und rechtssicheren vertragsgestalterischen Möglichkeiten besonders hoch. Es sind insgesamt 18 neue Kapitel hinzugekommen. Die gegenwärtig besonders aktuellen Themen „Homeoffice/Häusliche Telearbeit“ und „Kurzarbeit“ wurden jedoch bereits in der Vorauflage mit einem eigenen Kapitel berücksichtigt.

Aufgrund des Handlungsdrucks zur Einführung der Kurzarbeit aufgrund des „Lockdowns“ im Monat März 2020 ist es vielfach zu fehlerhaften Vertragsgestaltungen (wo es überhaupt explizite vertragsgestalterische Tätigkeit gab) gekommen mit der Folge, dass zahlreiche Homeoffice- und Kurzarbeiterklausel  rechtswidrig waren. Dass diese unwirksamen Regelungen (noch) keine auffälligen Klagewellen ausgelöst haben, mag daran liegen, dass die meisten Arbeitnehmer wohl selber das Homeoffice begrüßt haben. Bei der Kurzarbeit war die betroffene Belegschaft angesichts der unübersichtlichen Risiken der Pandemie erst einmal froh, so die Praxiserfahrungen des Rezensenten, dass sie ihre Arbeit behalten konnte. Das ändert sich jedoch zwischenzeitlich. Je länger das Infektionsgeschehen andauert, desto dringlicher ist es rechtssichere Regelungen zu Kurzarbeit und Homeoffice zu finden, denn die Arbeitnehmer stellen sich zunehmend die Frage: Muss ich von zu Hause arbeiten (und wenn ja unter welchen Bedingungen), und muss ich das monatlich ggf. schwankende Entgelt akzeptieren?

Das Buch hält hier, was es im Vorwort verspricht: es berücksichtigt den aktuellen Stand von Gesetzgebung und Rspr. bis Ende März/April 2020.In der Neuauflage wurde das Kapitel „Kurzarbeit“ wesentlich erweitert. Zwar hat sich in der Rspr. in Bezug auf die Kurzarbeit nichts getan (wesentlich sind immer noch die im Buch zitierten Entscheidungen des LAG Bln-BbG aus den Jahren 2010 und 2011), die im Kapitel vorgeschlagene Klauselvorschläge sind durchdacht, rechtssicher und mit großem Gewinn zu gebrauchen. An den vorgeschlagenen Klauseln kann man auch sehr gut ablesen, wie viele (sehr viele) unwirksame Kurzarbeitvereinbarungen derzeit noch im Umlauf sind.

Neben den arbeitsvertraglichen Regelungsmöglichkeiten, werden auch Betriebsvereinbarungen und Muster der Arbeitsagenturen vorgestellt. Beide sind von enormer Bedeutung, an den Mustern der Arbeitsagentur kann der Praktiker ablesen, welche Maßstäbe die Arbeitsagentur bei der Prüfung der arbeitsrechtlichen Wirksamkeit einer Kurzarbeitsklausel anlegt. Für die taktische Vorgehensweise des Rechtsanwalts ein mitentscheidender Gesichtspunkt.

Das Kapitel „Homeoffice/Häusliche Telearbeit“ wurde in der Neuauflage ebenfalls erweitert. Erfreulich ist in diesem Kapitel die rechtliche Klarstellung (wie schon in der Vorauflage), dass der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers kein Homeoffice anordnen darf. Der Klauselvorschlag berücksichtigt sämtliche relevante und rechtlich neuralgische Punkte (Zutrittsrecht des Arbeitgebers in die Wohnung, Arbeitszeit, Arbeitsmittel u.a.), in den Erläuterungen wird auf die AGB-rechtlichen Unsicherheiten hingewiesen.

Die 18 neuen Kapitel (u.a. zu „Ruhestandvereinbarung“, „Sabbatical“, „Crowdwork“, „Zeit statt Geld“, „Einwilligung in die Datenvereinbarung“) bereichern die Neuauflage und widerspiegeln Schwerpunkte der gestalterischen Entwicklung seit der Altauflage. Hervorgehoben sei hier das Kapitel zum „Strafrechtsschutz“, welches eine spezielle Regelungsmaterie bearbeitet, sowie vor dem Hintergrund krankheitsbedingter Abwesenheiten der Arbeitnehmer und der personenbedingten Kündigung das äußerst wichtige „Betriebliche Eingliederungsmanagement“.

Nicht verschwiegen werden sollten die Fehler des Buches. Die Vertragsmuster zu den Arbeitsverträgen im zweiten Teil des Buches (B. Vertragsmuster) enthalten durchgehend besonders schwerwiegende Fehler in den Ausschlussklauseln. Sämtliche Arbeitsvertragsmuster mit einer Ausschlussklausel (der Rezensent hat 6 Stück gezählt) enthalten die Formulierung, dass die „Ansprüche bei der jeweils anderen Partei schriftlich geltend“ zu machen sind. Da seit dem 01.10.2016 gem. § 309 Nr. 13 lit, b) BGB Ausschlussklauseln keine strengere Form als die Textform enthalten dürfen, sind alle Ausschlussklauseln in den Arbeitsverträgen der Vertragsmuster unwirksam. Ein mehr als nur ärgerlicher Fehler bei dem (und dessen Mandanten), der die Muster in der Annahme übernimmt, diese seien rechtssicher. Um dies mit einem Beispiel aus dem Fußballjargon der Champions League zu beschreiben: Auf diesem Niveau darf das nicht passieren. Zumal die Erläuterungen und Klauselvorschläge zu den Ausschlussfristen (S. 560 f.) richtig sind und der aktuellen Rechtslage entsprechen.

Das Buch kann aus diesem Grunde leider nur eingeschränkt empfohlen werden.


Dr. Péter Csingár, Rechtsanwalt


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