Die Unwirksamkeit einer Kurzarbeitsvereinbarung: Rückwirkender Anspruch auf den vollen Lohn.

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Voraussetzungen der Einführung der Kurzarbeit auf arbeitsvertraglicher Basis

I.

Die arbeitsvertragliche Regelung zur Einführung von vorübergehender Kurzarbeit unterliegt der (AGB-)Kontrolle der Arbeitsgerichte. 

Dies gilt insbesondere für die Vereinbarung einer angemessenen Ankündigungsfrist vor Einführung der Kurzarbeit, die maximale Dauer der Kurzarbeit und die Kriterien zur Bestimmung der von Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter.  

Selbst wenn sich der Arbeitnehmer mit der Einführung von Kurzarbeit einverstanden erklärt, kann die Klausel gem. § 307 BGB unwirksam sein. Mit der Einführung von Kurzarbeit wird die vertraglich geschuldete Arbeitszeit und die vom Arbeitgeber geschuldete Arbeitsvergütung herabgesetzt; dies beinhaltet eine Abweichung von § 611 BGB. Die einseitige Anordnung von Kurzarbeit weicht zudem von § 2 KSchG ab; danach können bei Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes vertragliche Vereinbarungen ohne Einverständnis beider Vertragsparteien nur durch eine - gerichtlich überprüfbare - Änderungskündigung geändert werden.

Eine – ob nun mündlich oder schriftlich - vereinbarte Kurzarbeitsklausel berechtigt den Arbeitgeber, die Arbeitszeit des Arbeitnehmers theoretisch ohne Begrenzung zu verringern. Die Kurzarbeitsklausel lässt es zu, den Arbeitnehmer praktisch von einem Tag auf den anderen unter völligem Wegfall seiner Vergütungsansprüche von der Arbeit freizustellen, ohne dass der Arbeitnehmer absehen kann, ob, in welchem Umfang und für welche Dauer innerhalb des Regelungszeitraums die Arbeitszeit herabgesetzt wird. 

Für eine wirksame Kurzarbeitsklausel bedarf es daher einer Beschreibung der für sie absehbaren Entscheidungskriterien, nach denen die von Kurzarbeit möglicherweise betroffenen betrieblichen Bereiche und Personenkreise bestimmt werden sollten.  

Wird die Möglichkeit, die Arbeit und das Gehalt zu reduzieren, unabhängig – wie dies gegenwärtig sehr häufig der Fall ist – vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach §§ 96 SGB III vereinbart, wäre der Arbeitgeber so in der Lage, die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses einseitig, ggf. unter Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen, jederzeit zu ändern. Dies kann man in einer Vielzahl der Fälle  daran ablesen, dass der Umfang des KuG von Monat zu Monat völlig unterschiedlich ist und in keinster Weise zukünftig prognostizierbar. Eine große Anzahl der Kurzarbeitsklauseln ist evident unwirksam, weil sie obigen Kriterien nicht genügen (Siehe hierzu: MaSiG / Bodem Kurzarbeit Rn 5 f.; LAG Bln-Bbg 19.01.2011 – 17 Sa 2153/10; Zieglmeier/Rittweger: Corona-Kurzarbeitergeld: Aktuelle Hindernisse und typische Kontrollfelder nach der Krise, NZA 2020, 685 f. ).

Soweit die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit nicht vorliegen, hat der Arbeitgeber den vollen Arbeitsentgeltanspruch zu erfüllen - auch rückwirkend. Denn er steht im Annahmeverzug nach § 615 BGB. 

(Daraus resultiert eine besondere Schnittstelle von Arbeits- und SozialrechtDie arbeitsrechtliche Wirksamkeit der Kurzarbeit ist über §  95 S. 1 Nr. SGB III (Arbeits- und Entgeltausfall) Voraussetzung des KuG (BSG v. 21.7.2009 – B 7 AL 3/08R) Denn falls Kurzarbeit arbeitsrechtlich nicht wirksam eingeführt ist, behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch in voller Höhe, der Zahlung von KuG bedürfte es mangels Entgeltausfalls nicht (Die Bundesagentur hat KuG zu Unrecht gewährt). 

II. Folgen einer unwirksamen Einführung der Kurzarbeit für den Arbeitgeber als Unternehmen  

Liegen trotz Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen durch (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder) Arbeitsvertrag für die Einführung von Kurzarbeit nicht vor, besteht für die betroffenen Arbeitnehmer einerseits nach § 615 BGB ein Anspruch auf (Nach)Zahlung des so genannten „Annahmeverzugslohns“ für die Zeiträume, in denen der Arbeitgeber seine  Arbeitsleistung aufgrund Kurzarbeit nicht annehmen wollte. 

Bei dieser Variante liegen auch die Voraussetzungen nach § 95 S. 1 Nr. 1 SGB III (Arbeitsausfall und Entgeltausfall) nicht vor, so dass eine Rückforderung des ausgezahlten KuG nach § 108 SGB III droht.

Selbst wenn dieser Entgeltanspruch von den Arbeitnehmern nicht geltend gemacht wird, entsteht für diesen – auch nicht gezahlten – Lohnanteil nach § 22 SGB IV (Entstehungsprinzip) der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28 e SGB IV), der vom Arbeitgeber bei einer sozialrechtlichen Betriebsprüfung gegebenenfalls unter Tragung auch des Arbeitnehmeranteils (§ 28 g S. 3 SGB IV) und von Säumniszuschlägen von 12 %/Jahr (§  24 SGB IV) nachzuzahlen ist.

Dies gilt sogar unabhängig davon, ob die Entgeltansprüche wegen Verfalls sowie wegen Verjährung noch durchsetzbar sind oder nicht. Die Beitragsverjährung beträgt vier Jahre, in Fällen (bedingt) vorsätzlichen Verhaltens 30 Jahre, §  25 SGB IV.  

Zudem wird auch in diesen Fällen Strafbarkeit nach §  266 a StGB bestehen. Bei leichtfertigem Verhalten droht ein Bußgeld nach § 8 Abs. 3 SchwarzArbG. Beide Normen sind Schutzgesetze und begründen eine zivilrechtliche Außenhaftung der Organe nach § 823 BGB.

Weil der Arbeitgeber wegen § 28 g S. 3 SGB IV den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in der Regel nicht mehr im Lohnabzugswege geltend machen kann, liegt hierin ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil aus Dienstverhältnis. Insoweit ist Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht auszuschließen.

Fazit:

Sollte die Krankenkasse, die Arbeitsagentur, oder der Zoll von den unwirksamen KUG-Klauseln erfahren, drohen dem dem Arbeitgeber Nachzahlungen über den Arbeitslohn hinaus in erheblicher Höhe (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Bußgelder) sowie mögliche Strafverfahren. Das bedeutet ein erhebliches Druckpotential des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei einer unwirksamen Kurzarbeitsklausel auf Rückforderungen seines um das KUG gekürzte Arbeitslohns.

Sollten Sie Fragen zur Wirksamkeit Ihrer KUG-Klausel und deren Folgen haben, können Sie mich gerne kontaktieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Péter Csingár



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