Rezept durch Arzthelferin verwechselt: 2.500 Euro

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Mit Vergleich vom 12.10.2017 hat sich eine Internistin verpflichtet, an meine Mandantin 2.500 Euro und die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (2,0-Geschäftsgebühr) zu zahlen.

Die 1957 geborene Angestellte litt seit 2014 unter einer Struma diffusa et nodosa, Grad I, mit euthyreoter Stoffwechsellage. Zur Struma-Behandlung empfahl die Ärztin die Gabe eines Kombinationspräparates aus Schilddrüsenhormon und Jodit, Thyronajod 50 mit Kontrolle in sechs Monaten.

Die Verordnung erhielt die Mandantin im Sprechzimmer der Ärztin Hand in Hand übergeben. Diese unterschriebene Blankoverordnung wurde anschließend von der Sprechstundenhilfe bedruckt und der Mandantin vollständig ausgefüllt übergeben. Aus der handschriftlichen Behandlungskartei ergab sich, dass die Ärztin das Medikament L-Thyrox 50 notiert hatte. Tatsächlich – was von der Sprechstundenhilfe und der Mandantin nicht bemerkt wurde – druckte die Sprechstundenhilfe auf die Verordnung das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin Hexal 175 µg. Dieses Medikament wurde der Mandantin vom Apotheker nach diesem übergebenen Rezept ausgehändigt. Erst später stellte sich heraus, dass von der Sprechstundenhilfe eine Verordnung mit einem falschen Schilddrüsenhormon, mit Namen einer anderen Patientin und einer wesentlich höheren Dosierung ausgehändigt worden war. Vom 19.09.2014 bis 25.11.2014 nahm die Mandantin täglich eine Tablette L-Thyroxin Hexal 175 µg. Nachdem sie sich zunächst unwohl, abgeschlagen, reizbar fühlte, konnte sie ab November 2014 morgens kaum aufstehen. Sie hatte nachts lange Wachphasen, Herzrasen, Schweißausbrüche, war psychisch nicht belastbar und litt unter Haarausfall. Erst als ein Endokrinologe riet, das Präparat abzusetzen, besserte sich ab Ende November 2014 ihr Befinden täglich.

Die Mandantin hatte der Ärztin vorgeworfen, ihr statt des richtigen Schilddrüsenhormons Thyronajod 50 grob fehlerhaft das Medikament L-Thyroxin Hexal 175 µg verordnet zu haben. Hierdurch habe sich für einen Zeitraum von fast drei Monaten ihr körperlicher Zustand massiv verschlechtert.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt: Wenn die Ärztin tatsächlich eine Verordnung über L-Thyroxin Hexal 175 µg ausgestellt hätte, wäre dies als grober Behandlungsfehler zu werten. Dies wäre ein Verhalten, das schlechterdings nicht nachvollziehbar sei. Es habe auf keinen Fall ein Beschwerdebild bestanden, das auch nur ansatzweise gerechtfertigt hätte, das Medikament in einer solch hohen Dosierung zu verordnen. Die Beschwerden (innere Unruhe, Schwindel, Haarausfall, Schlafstörungen, Herzrasen) seien plausibel. Diese könnten ohne weiteres in Zusammenhang gebracht werden mit einer leichten Überfunktion der Schilddrüse, was sich objektiv aus den Blutwerten ergeben habe.

Das Gericht hat folgenden Hinweis erteilt: Nach Plausibilitätserwägungen spräche einiges für einen Fehler der Ärztin. Sollte der Fehler tatsächlich dadurch aufgetreten sein, dass der Sprechstundenhilfe ein Blankoformular übergeben worden wäre, auf das diese das Medikament drucke, wäre dies ein grobes Organisationsverschulden. Es sei grundlegend wichtig, dass ein Arzt keine Blankorezepte ausstelle.

Er müsse sich nach vollständiger Ausfüllung des Rezeptes vergewissern, dass der richtige Patient das richtige Medikament erhalte. Der Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass eine Verordnung dieses Medikamentes in der höheren Dosierung als grober Behandlungsfehler zu werten wäre. Gehe man von einem groben Behandlungsfehler aus, müsse die Ärztin beweisen, dass die geschilderten Beschwerden nicht auf die Überdosierung des Schilddrüsenhormones zurückzuführen seien. Dieser Beweis sei nicht zu führen.

(Landgericht Dortmund, Vergleich vom 12.10.2017, AZ: 12 O 134/16)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht



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