Rohrwärme, Einrohrheizung, VDI 2077 und § 7 HeizKV

  • 5 Minuten Lesezeit

In Gebäuden, deren Wohnungen überwiegend mit der über die freiliegenden und ungedämmten Rohrleitungen abgegebenen Wärme versorgt werden, genügt der Mehrheit der Mieter oftmals bereits diese Wärmezufuhr und die Heizkörper werden selten oder gar nicht zugeschaltet. Bei der Umlage der Heizkosten sind dementsprechend dann zwei Effekte zu beobachten. Zum einen steigt aufgrund der geringeren Anzahl an gemessenen Einheiten der Kostenanteil, der auf eine Einheit entfällt, zum anderen findet sich der verbrauchsabhängig umzulegende Kostenteil, der gemäß § 7 Absatz 1 HeizKV in der Regel zwischen 50 % und 70 % liegt, nur bei denjenigen Mietern wieder, die ihre Heizkörper auch zugeschaltet hatten. Die zumeist kleinere Gruppe dieser Mieter trägt diesen Kostenanteil fast vollständig, währenddessen die größere Gruppe derjenigen Mieter, die ihre Heizkörper nie oder nur selten zuschalteten, nur einen marginalen Anteil daran hat und stattdessen hauptsächlich an den flächenbezogenen Grundkosten partizipiert. Je höher der Anteil dieser Rohrwärme im Verhältnis zur gesamten Heizwärme ist, desto schärfer treten die Folgen dieser Problematik zutage. 

Bei Erlass der HeizKV im Jahr 1984 hielt man diese Kostenverschiebungen aufgrund der Rohrwärmeabgabe indes für vernachlässigbar (vgl. Mügge/Schmid/ Tritschler, Die Korrektur unerfasster Rohrwärmeabgabe bei der Heizkostenabrechnung, HLH, 2008, Bd. 59 Nr. 11 Seite 64). Erst mit der Anwendung der HeizKV auf die DDR-Plattenbauten und den dann oftmals virulenten Kostenverschiebungen wurde die Problematik näher untersucht (Zöllner/Geisenheimer, Bedeutung der Rohrwärmeabgabe für die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung, HLH Bd. 53 (2002) Nr. 6 Seite 24). Tatsächlich sind die ehemaligen DDR-Plattenbauten mit ihren – oftmals frei und ungedämmt vor den Wänden verlaufenden – Heizungsrohren, die der Grundwärmeversorgung dienen sollten, geradezu prädestiniert für die mitunter problematische Heizkostenverteilung bei einem hohen Rohrwärmeanteil. Gleichwohl kann dieser Effekt auch in Altbauten auftreten, wenn dort die Heizungsstränge im Zuge der Umstellung von Ofen- auf Zentralheizung frei und ungedämmt installiert wurden. Neben den technischen Bedingungen der Heizungsanlage fördern eine hohe Leerstandsquote, der Umlageschlüssel „30 % Grundkosten und 70 % verbrauchsabhängige Kosten“, Dämmmaßnahmen an der Außenhülle und insbesondere die Anbringung von elektronischen Heizkostenverteilern diesen Effekt. Potenziell benachteiligte Mieter sind in der Regel diejenigen Mieter mit einem höheren Wärmebedürfnis oder aber diejenigen Mieter, deren Wohnungen sich in einer exponierten Lage im Erd- oder Dachgeschoss oder am Ende des Heizungsstrangs befinden.

Die Rechtsprechung ging im Fall eines hohen Anteils an unerfasster Rohrwärme bisher davon aus, dass die Umlage der Heizkosten nach Verbrauch dann unzulässig ist und die Heizkosten nach der Fläche umzulegen sind (LG Gera WuM 2007, 511; LG Meiningen, WuM 2003, 453; LG Mühlhausen, Urteil vom 29. Januar 2009, Az. 1 S 182/08, zitiert nach Juris; LG Dresden, Urteil vom 6. Februar 2009 zum Aktenzeichen 4 S 91/08, zitiert nach Juris).

Der Verordnungsgeber hat sich dieser Problematik nunmehr angenommen und in § 7 Absatz 1 Satz 3, Satz 4 HeizKV n. F. geregelt, dass in Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend ungedämmt sind, und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden kann. Dieser so bestimmte Verbrauch wird als erfasster Wärmeverbrauch dem Mieter zugeordnet. 

Die anerkannten Regeln der Technik hierzu finden sich im Beiblatt Rohrwärme zur VDI-2077. Dort sind drei Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärme beschrieben, ein rechnerisches, in der Schweiz entwickeltes Verfahren, bei dem die Rohrwärme anhand der Maße der Rohrleitungen und der Heizwärme ermittelt wird, ein sogenanntes Bilanzverfahren, bei dem die an den Heizkostenverteilern erfasste Verbrauchswärme fiktiv angehoben wird, und die Anbringung von Heizkostenverteilern an der Ringleitung selbst. Alle drei Verfahren basieren auf dem Prinzip, dass den Nutzeinheiten bzw. den Wohnungen bei Erstellung der Heizkostenabrechnung jeweils ein gesondert ermittelter Rohrwärmeanteil zugeteilt wird. 

Die Veränderungen durch die Korrekturverfahren sollen in einem Beispiel vereinfacht dargestellt werden. 

Ausgangswerte

  • 1 Gebäude, 3 Mieter, 3 gleich große Wohnungen
  • Rohrwärmeanteil bei 80 %
  • Heizkosten insgesamt 1.500,00 € 
  • Umlageschlüssel 30/70
  • Verbrauchseinheiten an den Heizkörpern 150,00 Einheiten insgesamt
  • Verteilung der Verbrauchseinheiten wie folgt: 
    • Wenigverbraucher: 0,00 Einheiten
    • Durchschnittsverbraucher: 50,00 Einheiten 
    • Vielverbraucher: 100,00 Einheiten, 

1. Kostenverteilung ohne Korrektur

a) 30 % Grundkosten: 

für jeden: 150,00 € (1/3 von 30 % von 1.500,00 €) 

b) 70 % Verbrauchskosten:

Kostenanteil je Verbrauchseinheit: 7,00 €/Einh. ((1.500,00 € – 450,00 €) / 150,00 Einh.)

Wenigverbraucher: 0,00 €

Durchschnittsverbraucher: 350,00 € (50,00 Einh. x 7,00 €/Einh.)

Vielverbraucher: 700,00 € (100,00 Einh. x 7,00 €/Einh.)

c) Ergebnis zu den Gesamtkosten:

Wenigverbraucher: 150,00 € 

Durchschnittsverbraucher: 500,00 €

Vielverbraucher: 850,00 € 

2. Kostenverteilung mit Korrektur

a) 30 % Grundkosten: 

für jeden wie bisher: 150,00 € (1/3 von 30 % von 1.500,00 €) 

b) 70 % Verbrauchskosten:

Kostenanteil je Verbrauchseinheit: 1,40 €/Einh. ((1.500,00 € – 450,00 €) / (150,00 Einh. + 600,00 Einh. Rohrwärme (150 Einh. x 80/20)))

Wenigverbraucher: 280,00 € (600,00 Einh. / 3 x 1,40 €)

Durchschnittsverbraucher: 350,00 € (50,00 Einh. x 1,40 € + 600,00 Einh. / 3 x 1,40 €) 

Vielverbraucher: 420,00 € (100,00 Einh. x 1,40 € + 600,00 Einh./ 3 x 1,40 €)

c) Ergebnis zu den Gesamtkosten:

Wenigverbraucher: 430,00 € 

Durchschnittsverbraucher: 500,00 € 

Vielverbraucher: 570,00 € 

Der Verbraucher mit unterdurchschnittlichem Heizverhalten wird durch die Korrektur in seiner Kostenbelastung somit angehoben, er trägt im Beispielsfall 280,00 € mehr als bei der nicht gesonderten Zuteilung der Rohrwärme. Der Verbraucher mit überdurchschnittlichem Heizverhalten wird im Gegensatz dazu entlastet, er trägt im Beispielsfall 280,00 € weniger. Für den Durchschnittsverbraucher ergibt sich dagegen keine Veränderung. 

Diese Gegenüberstellung erbringt folgende Erkenntnis: 

Bei der Verteilung der Kosten ohne Korrektur richtet sich die Kostenverteilung zwar ordnungsgemäß allein nach den gemessenen Heizkostenverteileinheiten an den Heizkörpern. Tatsächlich führt jedoch der auf die unbeeinflussbare Energiezufuhr entfallende, zunehmend größere Rohrwärmeanteil dazu, dass derjenige Mieter, der einen Verbrauch oberhalb des Durchschnitts aufweist, die Kosten für die unbeeinflussbare Energiezufuhr desjenigen Mieters trägt, dessen Verbrauch unterhalb des Durchschnitts liegt. Die Umlage ist für diesen Mieter also nur scheinbar individuell beeinflussbar. In der Praxis stehen mit zunehmend höherem Rohrwärmeanteil der größeren Gruppe an Wenig- oder Geringverbrauchern immer weniger Vielverbraucher gegenüber, deren Kostenbelastung stetig wächst. Nicht selten kommt es dann zu Heizkostenumlagen zwischen 2.000,00 € bis 5.000,00 € für den einzelnen Mieter. Die Vielverbraucher werden dann mit einem Verbrauchskostenanteil belastet, der höher ist, als es die an den Heizkörpern erfasste Verbrauchswärme rechtfertigt. Wenigverbraucher werden hingegen ungerechtfertigt über Gebühr entlastet. Sie empfangen ebenso wie die Vielverbraucher die Rohrwärme, zahlen aber dafür wenig bis gar nichts. 

Dabei ist dem Mieter mit oberhalb des Durchschnitts liegenden Verbrauchsverhalten nicht von sich aus ein Vorwurf zu machen. Denn wenn – überspitzt formuliert – neun von zehn Mietern ihre Heizung nicht zuschalten, weil ihnen die Rohrwärme genügt, liegt der zehnte Mieter bereits über dem Durchschnitt und wird über Gebühr mit Heizkosten belastet. 

Durch die gesonderte Berücksichtigung der Rohrwärme können dagegen im Ergebnis die Kostenverschiebungen nivelliert werden. Dem Wenigverbraucher wird der Kostenteil zugeordnet, der auf die – seiner Wohnung zugeführten – Energie entfällt.

Kranich Rechtsanwaltskanzlei


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Karsten Kranich