Sachverständigengutachten trotz fehlender Fundstellen verwertbar!

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Das Oberlandesgericht Dresden beschäftigte sich in einem Fall unter anderem mit Frage, ob ein Gutachten dadurch, dass Stellungnahmen zu Forschungsansätzen, auf die im Gutachten eingegangen wird, nicht hinreichend durch entsprechende Fundstellen belegt werden, unverwertbar ist.


OLG Dresden, Beschluss vom 05.02.2024, 4 U 1279/23 und

OLG Dresen, Hinweisbeschluss vom 04.01.2024, 4 U 1279/23



Der beklagte Patient wehrt sich gegen eine Honorarklage des klagenden Krankenhauses. Er meint, ihm stünden gegen das Krankenhaus Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu, mit denen er aufrechnet. Das Gericht folgte dem Vortrag des Beklagten nicht und verurteilte ihn zur Zahlung des Krankenhaushonorars. Der Beklagte sah dies nicht ein und legte gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Dresden ein. Dieses war ebenfalls nicht vom Vorbringen des Beklagten überzeugt und plante, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung einstimmig zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Erfolgsaussicht hat und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Das OLG Dresden vertrat die Ansicht, dass die behaupteten Behandlungs- oder Aufklärungsmängel nicht vorliegen und dem Krankenhaus ein Anspruch auf Vergütung zusteht. In einem entsprechenden Hinweisbeschluss teilte das OLG Dresden dem Beklagten mit, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat. Dem Beklagten wurde geraten, die Berufung zurückzunehmen. So könne er sich zwei Gerichtsgebühren ersparen.

Der Beklagte dachte nicht daran, die Berufung zurückzunehmen. Er meinte nun, das in der ersten Instanz eingeholte Sachverständigengutachten sei nicht verwertbar. Es sei nicht nachvollziehbar und außerdem seien die Feststellungen das Sachverständigen teilweise nicht mit entsprechenden Fundstellen belegt. Dabei beließ der Beklagte es  bei seinem eigenen Vortrag und legte kein von ihm selbst eingeholtes Privatgutachten oder ärztliche Stellungnahme vor.

Hierzu stellte das OLG Dresden, dass eine Partei nicht zwingend in der ersten Instanz gegen ein Gerichtsgutachten Einwendungen erheben muss, indem sie ein eigenes Gutachten einbringt oder Fachberatung sucht, oder selbst beziehungsweise durch andere in medizinischen Bibliotheken Nachforschungen betreibt, um Bedenken gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu äußern (OLG Dresden, Beschluss 11.12.2020 - 4 U 1885/20). Dies gilt aber nicht für das Berufungsverfahren. Hier wäre es unzulässig, einem Patienten zu erlauben, ohne detaillierte Begründung seine persönliche Ansicht über medizinische Kausalzusammenhänge gegen die eines gerichtlichen Sachverständigen zu stellen, da dies die grundsätzliche Bindung an die Beweisaufnahme der ersten Instanz, wie in § 529 ZPO festgelegt, umgehen würde (OLG Dresden, Urteil vom 05.07.2022  - 4 U 657/21).

Die Berufung wurde zurückgewiesen. In seinem amtlichen Leitsatz führt das Oberlandesgericht Dresden aus:

"Allgemeine Ausführungen zu Forschungsansätzen sind in gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht zwingend geboten. Ein medizinisches Sachverständigengutachten ist erst dann unverwertbar, wenn sich aus fehlenden Verweisen auf Fachliteratur Zweifel an der Sorgfalt des Gutachtens ergeben; im Übrigen kann der medizinische Standard auch durch Verweise auf Leitlinien, Richtlinien oder die geübte Praxis dargestellt werden."

Foto(s): stock.adobe.com Gpoint Studio


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