Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe: Bundesarbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte!
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Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass eine verspätete oder unterlassene Zielvorgabe durch den Arbeitgeber erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Arbeitgeber sind verpflichtet, Ziele rechtzeitig und transparent zu definieren, um die Anreiz- und Motivationsfunktion variabler Vergütungssysteme zu gewährleisten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass Arbeitgeber, die ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen Festlegung von Zielen für variable Vergütungen verletzen, gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig sind. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der rechtzeitigen Zielvorgabe, um die Motivations- und Anreizfunktion solcher Vereinbarungen zu gewährleisten. Im verhandelten Fall war der Kläger bis zum 30. November 2019 als Führungskraft bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag sah eine variable Vergütung vor, deren Höhe von der Erreichung sowohl unternehmensbezogener als auch individueller Ziele abhing. Laut einer Betriebsvereinbarung sollten diese Ziele bis zum 1. März des jeweiligen Kalenderjahres festgelegt werden. Tatsächlich wurden dem Kläger jedoch erst am 15. Oktober 2019 konkrete Unternehmensziele mitgeteilt; individuelle Ziele wurden ihm für das Jahr 2019 überhaupt nicht vorgegeben. Dennoch erhielt der Kläger eine variable Vergütung in Höhe von 15.586,55 Euro brutto für das Jahr 2019.
Der Kläger argumentierte, dass die verspätete beziehungsweise fehlende Zielvorgabe seine Möglichkeiten zur Zielerreichung erheblich beeinträchtigt habe und forderte daher zusätzlichen Schadensersatz in Höhe von 16.035,94 Euro brutto. Die Beklagte hingegen vertrat die Auffassung, die Zielvorgabe sei rechtzeitig erfolgt und eine nachträgliche gerichtliche Festlegung der Ziele sei ausreichend. Das BAG entschied zugunsten des Klägers als Arbeitnehmer und stellte fest, dass die Beklagte als Arbeitgeber ihre arbeitsvertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt habe, indem sie die Ziele verspätet bzw. gar nicht vorgab. Eine Zielvorgabe, die erst nach Ablauf von etwa drei Vierteln der Zielperiode erfolgt, kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. Daher sei eine nachträgliche gerichtliche Festlegung der Ziele nicht möglich. Bei der Schadensberechnung ging das Gericht davon aus, dass der Kläger bei rechtzeitiger und angemessener Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 Prozent und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 Prozent erreicht hätte. Ein Mitverschulden des Klägers wurde ausgeschlossen, da die Initiativlast für die Zielvorgabe beim Arbeitgeber liegt.
„Das Urteil des BAG hat weitreichende Folgen für Unternehmen, die variable Vergütungsmodelle mit Zielvorgaben nutzen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Ziele rechtzeitig, klar und nachvollziehbar formuliert werden, um ihrer Verpflichtung nachzukommen. Eine verspätete oder ungenaue Zielvorgabe kann nicht nur die Motivation der Arbeitnehmer beeinträchtigen, sondern auch zu finanziellen Forderungen führen, wie das vorliegende Urteil zeigt. Für Arbeitnehmer stärkt die Entscheidung des BAG ihre Rechte und gibt ihnen eine rechtliche Handhabe, wenn Zielvorgaben nicht ordnungsgemäß festgelegt werden. Das Urteil macht deutlich, dass Unternehmen nicht einseitig die Bedingungen für leistungsabhängige Vergütungen ändern oder verzögern dürfen, ohne dafür haftbar gemacht zu werden“, sagt der Mönchengladbacher Arbeitsrechtsexperte Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de und https://www.hartung-rechtsanwaelte.de/anwalt-arbeitsrecht/). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich neben der Beratung von Betroffenen des Abgasskandals auf die Durchsetzung von Ansprüchen von geschädigten Verbrauchern gegen Online-Casinos und die Vertretung von Betroffenen bei Kündigungsschutzklagen und anderen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten spezialisiert.
Diese Entscheidung ist ein Weckruf für Arbeitgeber, ihre internen Prozesse zur Festlegung von Zielvorgaben zu überdenken und zu optimieren. Unternehmen, die variable Vergütungssysteme nutzen, sollten sicherstellen, dass sie den rechtlichen Anforderungen gerecht werden, um unnötige Haftungsrisiken zu vermeiden. Transparente und fristgerechte Zielvereinbarungen sind nicht nur aus juristischer, sondern auch aus unternehmerischer Sicht entscheidend, um eine leistungsfördernde Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Arbeitnehmer hingegen sollten sich bewusst sein, dass sie im Falle verspäteter oder fehlerhafter Zielvorgaben nicht schutzlos sind. Die Möglichkeit, Schadensersatz geltend zu machen, stärkt ihre Position und sorgt für mehr Fairness im Arbeitsverhältnis. In der Praxis sollten Arbeitnehmer darauf achten, ihre Rechte frühzeitig geltend zu machen und dokumentieren, falls Zielvereinbarungen nicht rechtzeitig oder gar nicht getroffen werden.
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