Schadensersatzanspruch und Schmerzensgeldtabelle | Anwalt für ärztliche Behandlungsfehler

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Anwalt für ärztliche Behandlungsfehler

Schadensersatzanspruch und Schmerzensgeldtabelle

Fehler passieren - auch Ärzten! Selten kommen dabei jedoch Patienten zu Schaden. Solche ärztlichen Behandlungsfehler können allerdings für die betroffenen Patienten und deren Angehörige untragbare Folgen mit sich bringen.

Jährlich erhebt der Medizinische Bund der Krankenkassen (kurz: MDK) Daten, die die Anzahl der ärztlichen Behandlungsfehler statistisch aufzeigen. Durchschnittlich werden 15.355 Behandlungsfehlergutachten pro Jahr durch den MDK vorgenommen. (1)

Somit stellt sich die Frage, ob überhaupt ein Behandlungsfehler vorliegt und falls ja, ob der behandelnde Arzt auch für die aus dem Behandlungsfehler resultierenden Schäden haftbar gemacht werden kann

Im Folgenden soll das Prozedere samt möglicher Problemfälle im Überblick veranschaulicht werden und verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt werden, um etwaige Ansprüche durchzusetzen.


Behandlungsfehler durch einen Arzt

In den  §§ 630a ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (kurz: BGB) sind die besonderen Regelungen zum Behandlungsvertrag verankert. Der § 630a Abs. 2 BGB besagt, dass eine medizinische Behandlung grundsätzlich nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. Fand durch den Arzt also eine Abweichung von den genannten Standards ohne Vereinbarung statt,  stellt dies einen Behandlungsfehler (=Pflichtverletzung) dar. 

Solche können sich bspw. durch Mängel in der Diagnose oder Therapie, durch Verstöße gegen Hygienestandards oder Organisationsfehler (Behandlungsfehler im engeren Sinn) sowie durch unrichtige, unvollständige oder unverständliche Aufklärung, § 630e Abs. 1 BGB (Behandlungsfehler im weiteren Sinn) ausdrücken. Jeden Arzt trifft die Pflicht, den Patienten über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie zu unterrichten. Gemäß § 630e Abs. 1 S. 3 BGB hat der Arzt auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungen führen können.


Beispielsfall aus unserer Kanzlei für einen Behandlungsfehler

Ein Beispiel aus unserer Kanzlei soll einen Fall eines Behandlungsfehlers erklären.

Der 61-jährige Mann (Patient) kam wegen offenen Wunden und Wasser in den Beinen in die Praxis seiner Hausärztin und bat um Behandlung. Es dauerte Monate, bis Wundexperten hinzugezogen wurden, obwohl sich der Zustand des Patienten stetig verschlechterte. Die Wunden wurden 1x im Monat gesäubert und verbunden und es wurden Thrombosestrümpfe von einem Gefäßchirurgen verschrieben. Da die Wunden weiterhin nicht heilten, wurde nach weiteren 2 Monaten entschieden, dass sie jeden Tag verbunden werden müssen. 

Das Verbinden von Wunden in Form einer Kompressionstherapie, wie es in diesem Fall gemacht wurde, hätte durchgehend von geschultem Personal in technisch korrekter Art und Weise durchgeführt werden müssen und nicht teilweise von der Ehefrau des Patienten, die über diese geschulte Technik nicht verfügt. Die Hausärztin verstieß gegen die allgemeinen Regeln der ärztlichen Kunst und verschuldete einen Organisationsmangel, da sie die Ehefrau an 3 Tagen der Woche die Wunden ihres Ehemannes verbinden ließ.

Einen Monat später zeichnete sich ein dunkler Fleck an der Ferse des Patienten ab. Der Gefäßchirurg entschied, dass ein Pflaster genug sei und unterließ jede weitere Behandlung. Er stellte eine Diagnose. 2 Wundexperten wollten sich eine weitere Meinung einholen, da die Wunden “gar nicht gut” aussehen würden und der Patient zudem über Schmerzen in den Unterschenkeln klagte.

Ein weiterer Besuch bei der Hausärztin führte nur zur Verabreichung von Schmerzmitteln (Morphin). Die Ehefrau des Patienten berichtete gegenüber der Hausärztin, eine Woche nach Beginn der Einnahme der Schmerztabletten, über ständige Müdigkeit und Appetitlosigkeit des Patienten und bat um Aufklärung. Diese wurde aufgrund Zeitmangels nicht vorgenommen. Einen Tag später ist der Patient zuhause zusammengeklappt und musste ins Krankenhaus. Es stellte sich heraus, dass die Hausärztin sehr starkes Oxycodon verschrieben hatte und kein Morphin. Im Krankenhaus erlitt der Patient aufgrund der Medikamente eine schwere Sepsis und wurde noch am selben Tag operiert, wobei nicht sicher war, ob er mit dem Leben davonkommt. Durch eine frühere Einweisung hätte das Folgende verhindert werden können.

Es wurden insgesamt 4 Operationen durchgeführt. Die letzte war eine Unterschenkelamputation unterhalb des Knies. Ungefähr 2 Monate später wurde der Patient entlassen.

Es stellte sich im Nachhinein heraus, dass der Gefäßchirurg eine falsche Diagnose stellte und eine frühere Behandlung die spätere Amputation hätte verhindern können. Ein weiterer Verstoß gegen die allgemeinen Regeln der ärztlichen Kunst lag somit auch hier vor.


Arzthaftung für einen Behandlungsfehler

Grundsätzlich haftet der behandelnde Arzt nicht für jeden Behandlungsfehler, der beim Patienten zu neuen oder verschlimmerten fortbestehenden Leiden führt. Vielmehr haftet er nur dann, wenn die Symptome (z.B. ausbleibender Behandlungserfolg oder unerwünschte Nebenwirkungen) des Patienten ursächlich auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind. Der Patient muss den Ursachenzusammenhang im Regelfall beweisen. 

Es gibt jedoch Ausnahmen in § 630h Abs. 4 und 5 BGB: Der Ursachenzusammenhang wird gesetzlich vermutet, wenn der behandelnde Arzt nicht für die von ihm durchgeführte Behandlung befähigt war oder wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt und es jeweils tatsächlich zu einer Verletzung des Lebens, des Körpers oder Gesundheit gekommen ist.


Anspruch des Patienten auf Schmerzensgeld

Der Schmerzensgeldanspruch bemisst sich grundsätzlich nach der Art und Schwere der körperlichen Schäden und seelischen Leiden. Zukunfts- und Existenzängste sowie Hilflosigkeit bis ans Lebensende können den Anspruch ebenso wie körperliche Beeinträchtigungen oder lange Krankenhausaufenthalte erhöhen. Verliert der Patient sogar Organe oder Körperteile oder erleidet er eine schwere körperliche Behinderung, kann das Schmerzensgeld ebenfalls erhöht werden.

Die Summen, die ausgezahlt werden, sind nicht vergleichbar mit denen, die in den USA zum Beispiel ausgezahlt werden. Deutsche Richter sind nicht sehr großzügig, wenn es um einen Schmerzensgeldanspruch geht. Die Höhe hängt von einigen Faktoren ab, darunter die Schwere der Verletzung, vorhandene Folgeschäden, die Anzahl der Operationen und die Länge der Krankenhausaufenthalte. (2)

Im Internet können Sie verschiedene Schmerzensgeldtabellen einsehen, um ganz grob herausfinden zu können, ob und in welcher Höhe Ihnen ein Anspruch zustehen könnte. Beachten Sie dabei jedoch, dass jeder Fall unterschiedlich ist und die Höhen sehr variabel sind.


Schmerzensgeldtabellen:

Kopfverletzungen

Verletzungen am Hals

Verletzungen der Wirbelsäule HWS – BWS – LWS

Oberkörperverletzungen

Schulter- und Armverletzung

Unterkörperverletzungen

Hüftverletzungen

Verletzungen am Bein, Knie und Fuß

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Verbrennungen

Geburtsfehler

Polytrauma

Hundebissverletzungen

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Vergewaltigung

Appalisches Syndrom

Freiheitsentziehung

Sonstige Verletzungen


Verjährung des Anspruchs des Patienten

Grundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre, ab Kenntnis des Patienten über diejenigen Einzelheiten, die auf einen Behandlungsfehler zurückführen, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB.

Stichtag ist der 31.12., also erfährt ein Patient im Jahr 2022 von einem Behandlungsfehler, verjährt dieser mit Ablauf des Jahres 2025, also am 31.12.2025.

30 Jahre nach der Begehung des Behandlungsfehlers kann sich der Arzt ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis des Patienten auf Verjährung berufen, § 199 Abs. 2 BGB.

Diese Frist kann gehemmt werden, zum Beispiel wenn der Patient einen Schlichtungsantrag bei der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen stellt. Die Verjährung tritt in solchen Fällen erst nach Ablauf von 6 Monaten nach Ende bzw. nach Anbruch des Schlichtungsverfahrens ein, § 204 BGB. Ebenfalls wird der Anspruch gehemmt, wenn zwischen den beiden Parteien Verhandlungen stattfinden. Sie dauert auch nach Abbruch der Verhandlungen noch 3 Monate nach, § 203 BGB.


Verfahren in Arzthaftungsfällen

Das erste, das Sie tun sollten, sobald Sie einen Behandlungsfehler vermuten, ist, eine zweite Meinung einzuholen und sämtliche Untersuchungen und Behandlungen (so ausführlich wie möglich) zu dokumentieren.

Außerdem sollten Sie Ihre Behandlungsunterlagen anfordern. Sie haben ein gesetzliches Recht auf Einsicht in Ihre (vollständige!) Patientenakte, auch ohne dringenden Grund, § 630g BGB. Die anfallenden Kosten für das Kopieren müssen Sie jedoch selbst tragen.

Darüber hinaus sollten Sie Ihren behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden, andernfalls können Krankenkassen und Gutachter keine Dokumente und sonstige Informationen anfordern. Bei Ihrer Krankenkasse gibt es entsprechende Vordrucke.

Um den Ablauf der Behandlung und mögliche Fehler zu beweisen, sollten Sie ein Gedächtnisprotokoll verfassen. Dabei ist es wichtig, das “Was”, “Wann” und “Wo” der Behandlung niederzuschreiben sowie etwaige Beschwerden und Schmerzen.


Gutachten des MDK einholen und Schlichtungsverfahren einleiten

Bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen können Sie die Unterstützung verschiedener Organisationen in Anspruch nehmen.

Ärztekammern und der MDK (Medizinische Dienst der Krankenkassen) können Gutachten über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten erstellen und diese ggf. auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückverfolgen. Zudem können Schlichtungsstellen einbezogen werden, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.

Sollte eine Partei (oder beide) mit dem Ergebnis der Schlichtungsstelle nicht einverstanden sein, kann immer noch der Rechtsweg beschritten werden. 

Als gesetzlich Versicherter ist das Gutachten des MDKs im Anschluss an die Beratung der angestellten Ärzte kostenlos für Sie. Die Krankenkasse tritt dabei zunächst mit der Berufshaftpflichtversicherung des Arztes in Verhandlung, um eine außergerichtliche Einigung für Sie zu erwirken.

Sollten Sie sich die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens nicht leisten können, besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Prozesskostenhilfe beim zuständigen Gericht zu stellen.


Klage auf Schadensersatz und Strafverfahren möglich

Bei einer Klage auf Schadensersatz gegen den behandelnden Arzt müssen Sie Ihren gesundheitlichen Schaden auf den Behandlungsfehler des Arztes zurückverfolgen und beweisen können. Sie müssen also den Schaden, den Behandlungsfehler (= Pflichtverletzung) und den Zusammenhang von beidem beweisen.

Zusätzlich können Sie eine Strafanzeige erstatten, denn ein Behandlungsfehler kann eine (in der Regel) fahrlässige Körperverletzung darstellen, §§ 223 ff. StGB. Ein von der Staatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren kann Ihnen zudem dabei helfen, kostenlos einen Behandlungsfehler (stichhaltig!) zu beweisen. 


Dieser Artikel dient lediglich zu Informationszwecken und lässt eine anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht entbehren!


Haben Sie Fragen?

Sind Sie von einem ärztlichen Behandlungsfehler betroffen und möchten rechtliche Schritte einleiten? Senden Sie uns eine Nachricht oder rufen Sie uns in unserer Kanzlei unter der 04202 63 83 70 an. Wir helfen Ihnen gerne!


Quellen

  1. Behandlungsfehlergutachten | Statistik | Medizinischer Dienst Bund (md-bund.de)
  2. Schmerzensgeld: Welche Höhe können Betroffene erwarten? (bussgeldkatalog.de)
  3. https://rechtsanwaltkaufmann.de/allgemeinrecht/zivilrecht/behandlungsfehler-anwalt


Foto von Karolina Grabowska von Pexels

Dieser Artikel wurde geschrieben von Michelle Engelmann 



Foto(s): Foto von Karolina Grabowska von Pexels


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