Schadensminderungspflicht und Warteobliegenheit bei Rechtsschutzversicherungen

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Rechtsschutzversicherungen zahlen einen großen Anteil der Streitigkeiten vor Gericht. Doch was können sie und worauf müssen Verbraucher achten? Wir erklären in einer vierteiligen Serie die aus unserer Sicht interessantesten Aspekte zum Thema Rechtsschutzversicherungen.

Schadensminderungspflicht und Warteobliegenheit – Was müssen Versicherungsnehmer beachten?

Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung müssen einige Obliegenheiten erfüllen. Tun sie dies nicht, kann der Versicherer die Kostendeckung im Versicherungsfall verweigern. Doch auch wenn der Versicherer aus diesem Grund die Deckung verweigert, verstoßen die Versicherungsnehmer oft nicht gegen ihre Pflichten.

Wer an einem verschneiten Wintermorgen vor die Haustür in die Kälte tritt und zitternd den Schnee vom Gehweg schiebt, erfüllt – auch wenn er dies vielleicht ungern tut – seine rechtliche Pflicht.

Das ganze Leben ist voller solcher Pflichten. Meist muss derjenige sie erfüllen, der dies am effizientesten tun kann. Der Gehweg vorm eigenen Haus kann am effizientesten vom Hauseigentümer geräumt werden.

Auch das Vertragsrecht ist von solchen Pflichten geprägt. Wer etwas verkauft, muss seiner Hauptleistungspflicht nachkommen und dem Käufer die Kaufsache übereignen. Dazu kommen noch Nebenpflichten wie beispielsweise die Erklärung der Handhabung der Ware. Versicherungsverträge haben zusätzliche Pflichten, die ein Versicherungsnehmer erfüllen muss: Die sogenannten Obliegenheiten. Verletzt ein Versicherungsnehmer diese, so ist der Versicherer meist nicht mehr zur Deckung der Kosten im Versicherungsfall verpflichtet.

Versicherungsnehmer müssen gewisse Obliegenheiten erfüllen

Gemäß § 15 ARB 75 müssen Versicherungsnehmer beispielsweise ihren Versicherer unverzüglich über den Eintritt des Versicherungsfalls informieren. Dabei haben sie wahrheitsgemäß Auskunft zu allen für den Versicherer relevanten Informationen zu erteilen. Sie haben zudem die Kosten für ihr rechtliches Verfahren so gering wie möglich zu halten und müssen unter gewissen Umständen Weisungen ihres Versicherers hinnehmen.

So müssen sie auch den Ausgang eines ähnlichen Verfahrens abwarten, bevor sie selbst klagen, damit die Rechtslage geklärt ist. Hält sich ein Versicherungsnehmer nicht an diese Obliegenheiten, so entfällt meist der Versicherungsschutz. Der Versicherer ist dann nicht zur Deckung des Schadens verpflichtet. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Versicherungsnehmer keine Obliegenheiten verletzt, wenn er mit seiner Klage nicht wartet oder die Kosten höher ausfallen als erwartet.

Ein Musterprozess muss nicht abgewartet werden, wenn dies zu geringerem Schadensersatz führt

Grundsätzlich müssen Versicherungsnehmer gemäß § 17 Abs. 1 c bb ARB 75 den Ausgang eines Verfahrens, welches rechtliche oder tatsächliche Relevanz für ihren Fall hat, abwarten. Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz.

Versicherungsnehmer müssen laut dem OLG Köln nicht den Ausgang eines Musterprozesses abwarten, wenn durch das Warten der Schadensersatz geringer ausfallen würde.

Im verhandelten Fall wollte ein Dieselnutzer nicht mit der Klage warten, da er in der Wartezeit weiterhin den mangelhaften Diesel nutzen müsste. Eine solche Weiternutzung führt zur Anrechnung höherer Nutzungsvorteile, welche dadurch den Schadensersatz mindert. Das OLG Köln urteilte, dass es unter den Umständen unzumutbar für den Versicherungsnehmer wäre, mit einer Klage zu warten. Somit liegt in einem solchen Fall keine Verletzung der Warteobliegenheit durch den Versicherungsnehmer vor und der Versicherer ist zur Deckung der Kosten verpflichtet.

Schadensminderungspflicht wird eingehalten, solange die Kosten in der Endbetrachtung geringer sind

Versicherungsnehmer sind ebenfalls gemäß § 17 Abs. 1 c bb ARB 75 dazu verpflichtet, für eine Minderung des Schadens zu sorgen. Die Kosten sollen für den Versicherer so gering wie möglich gehalten werden. Deswegen darf nur Klage erhoben oder eine eigene Beweisführung durchgeführt werden, wenn dies notwendig ist. Versicherungsnehmer verstoßen nach einer aktuellen Entscheidung des OLG München allerdings nicht gegen die Schadensminderungspflicht, wenn sie eine eigenständige Beweisführung unternehmen, solange dies der Abwendung eines Gerichtsverfahrens dient. Im verhandelten Fall wurde vom OLG München ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht verneint, da die in einem Arzthaftungsfall selbständig unternommene Beweisführung dazu diente, ein Gerichtsverfahren abzuwenden. Ist eine Beweisführung dazu da, ein Verfahren zu vermeiden, so mindert sie die Kosten und verletzt nicht die Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers, da dem Versicherer letztlich geringere Kosten entstehen. Deswegen ist der Versicherer auch in einem solchen Fall zur Deckung der Kosten verpflichtet.

Versicherungsnehmer durch Urteile gestärkt

Auch Versicherungsnehmer, die mit ihrer Klage nicht den Ausgang eines Musterprozesses abwarten oder die Kosten nicht geringhalten, machen sich nicht zwangsläufig einer Obliegenheitsverletzung schuldig. Solange das Ergebnis unter Abwägung aller Umstände für die Versicherungsnehmer sowie auch für den Versicherer vorteilhafter ist, ist eine solche Vorgehensweise zulässig. Diese lösungsorientierte Rechtsprechung vermittelt Versicherungsnehmern eine gestärkte Position. Gleichzeitig wird in den seltensten Fällen der Gang vor ein Gericht notwendig sein, um eine Deckung im Versicherungsfall zu erhalten. Rechtsschutzversicherungsverträge gibt es schon seit Jahrzehnten und sie haben sich bewährt. Versicherer werden nur selten die Deckung verweigern. Für Verbraucher, die befürchten, in Rechtschwierigkeiten zu kommen, ist ein solcher Vertrag deswegen sicherlich sinnvoll.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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